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Erdbeben in Türkei und Syrien

Das ganze Ausmaß der Katastrophe an der türkisch-syrischen Grenze ist noch nicht abzusehen. Internationale Hilfe läuft an. Auch muslimische Hilfsorganisationen starten unmittelbare Soforthilfe im Katastrophengebiet:

Links:

https://www.islamicrelief.de/erdbeben-tuerkei-syrien/

https://wefa.org/de/nothilfe-tuerkei-wefa/?44005

https://www.hasene.org/de/

Istanbul (dpa/iz) Nach einer der schwersten Erdbebenkatastrophen der letzten Jahrzehnte sind in der Südtürkei und Nordsyrien mehrere Tausend Tote zu befürchten. Die Zahl der Opfer wurde am Montagabend mit mehr als 3600 angegeben. Das tatsächliche Ausmaß war aber zunächst nicht absehbar, da wohl noch Hunderte verschüttet waren. Mehr als 15.000 Menschen in der Türkei und in Syrien wurden nach bisherigen Informationen verletzt. Präsident Erdogan ruft eine einwöchige Staatstrauer aus.

Die Grenzregion zwischen Syrien und der Türkei ist zerrüttet vom Krieg, geplagt von wirtschaftlicher Not und Heimat von Millionen Flüchtlingen. Schwere Erdbeben in einer kalten Winternacht vergrößern das Leid unermesslich. Die Opferzahlen steigen. Nach Angaben von Hilfsorganisationen sind in beiden Ländern Tausende obdachlos geworden – und das bei eisigem Wetter. 

Dem türkischen Katastrophendienst Afad zufolge hatte das Hauptbeben am Morgen mit Epizentrum im südtürkischen Kahramanmaras eine Stärke von 7,7. Mittags erschütterte ein Beben der Stärke 7,5 dieselbe Region, wie in Istanbul die Erdbebenwarte Kandilli meldete. 

Auch im Libanon und im Irak bebte die Erde, ebenso auf der nahe gelegenen Mittelmeerinsel Zypern. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach vom schwersten Beben seit 1939. Nach Angaben von EU-Vertretern war es eines der stärksten in der Region in mehr als 100 Jahren.

Man habe bisher mindestens 1651 Tote gezählt, berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu. Im Bürgerkriegsland Syrien stieg die Zahl der Toten auf mindestens 936, wie das Gesundheitsministerium und die Rettungsorganisation Weißhelme mitteilten. In Syrien seien bei der Katastrophe rund 2400 Menschen verletzt worden. In der Türkei gab es bisherigen Erkenntnissen zufolge etwa 11 100 Verletzte. Präsident Erdogan verkündete eine einwöchige Staatstrauer. Flaggen aller Vertretungen im In- und Ausland sollen dafür bis Sonntag auf halbmast wehen. 

Die Türkei wird immer wieder von schweren Erdbeben getroffen. Dort grenzen zwei der größten Kontinentalplatten aneinander: die afrikanische und die eurasische. Der größte Teil der türkischen Bevölkerung lebt faktisch in ständiger Erdbebengefahr. 

UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich „zutiefst traurig“ über die Katastrophe. Die Vereinten Nationen stünden bereit, um Nothilfe zu leisten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte zu, Deutschland werde Hilfe schicken. Das Zentrum für Katastrophenhilfe der EU koordiniert die Entsendung europäischer Rettungskräfte in die Türkei. Die EU will Betroffene auch in Syrien unterstützen. Auch Großbritannien, Indien oder die USA wollten Hilfe schicken. Führende Vertreter der muslimischen Verbände in Deutschland baten um Gebete und Spenden.

Griechenland erklärte sich trotz der Spannungen mit der Türkei bereit, Rettungsmannschaften in das Erdbebengebiet zu schicken. Athen und Ankara streiten sich seit Jahrzehnten um Hoheitsrechte in der Ägäis und im östlichen Mittelmeer, auch Finnland und Schweden kündigten Hilfe an.

Auch die israelische Regierung will der Türkei und auch Syrien, mit dem es sich im Kriegszustand befindet, Hilfe leisten. Auch Russland sagte beiden Ländern Hilfe zu. Der Iran bot ebenfalls Unterstützung an – er ist neben Russland im Bürgerkrieg der wichtigste Verbündete des syrischen Machthabers Baschar al-Assad. Eines der am schwersten vom Erdbeben betroffenen Gebiete war die Region Idlib in Syrien, die von Rebellen gehalten wird. Dies dürfte dort die staatliche Nothilfe erschweren. 

Nach mehr als elf Jahren Bürgerkrieg in Syrien kontrollieren Assads Regierungstruppen wieder rund zwei Drittel des Landes. 

Zur Unterstützung der Hilfe vor Ort wurde auch der Copernicus-Satellitendienst der EU aktiviert, wie EU-Kommissar Janez Lenarcic und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mitteilten. 

Die Türkei bat ihre Nato-Partner um Unterstützung. Konkret wurden etwa drei für extreme Wetterbedingungen geeignete Feldkrankenhäuser und Personal für deren Einrichtung genannt. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte bereits am Vormittag mitgeteilt, Alliierte seien dabei, Unterstützung zu mobilisieren. 

Der Verlust von Menschenleben und die Zerstörung infolge des Erdbebens brächen einem das Herz, schrieb der UN-Syrien-Vermittler Geir Pedersen auf Twitter. Viele Menschen in der Region litten ohnehin schon enorm und außerdem sehr lange. 

Hilfsorganisationen und Gemeinden in den betroffenen Regionen riefen neben Blutspenden auch zu Sachspenden auf und baten etwa um Decken, Heizer, Winterkleidung. Zahlreiche Organisationen aus Deutschland baten um Spenden und kündigten Soforthilfen an.

Link: https://www.islamicrelief.de/erdbeben-tuerkei-syrien/

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Schlechter Zugang zu sauberem Wasser verschärft Choleraausbruch in Syrien

Der schlechte Zugang zu sauberem Wasser hat den Ausbruch der Cholera in den vom Krieg zerrütteten Provinzen Syriens verschlimmert, wo die lokalen Behörden mit Chlortabletten und Impfstoffen versuchen, die Ausbreitung einzudämmen, berichtet Reuters.

(Middle East Monitor). Nach Angaben des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen wurden landesweit mehr als 35.000 Verdachtsfälle von Cholera gemeldet. Laut UNICEF wurden nur etwa 2.500 getestet, von denen fast die Hälfte positiv getestet wurde.

„Die Feststellung eines einzigen Cholerafalls bedeutet, dass es sich um einen Ausbruch handelt“, sagte Zuhair Al-Sahwi, Leiter der Abteilung für übertragbare und chronische Krankheiten im syrischen Gesundheitsministerium. Er berichtete, die Kurve sei weitgehend abgeflacht, und die Zahl der täglich neu auftretenden bestätigten Fälle sei zurückgegangen.

Sahwi sagte, das Ministerium habe 46 Todesfälle aufgrund von Verzögerungen beim Zugang zu medizinischer Versorgung verzeichnet und bei der Weltgesundheitsorganisation Cholera-Impfstoffe angefordert. Nach Angaben der WHO stehen die Fälle in Syrien im Zusammenhang mit einem grassierenden Ausbruch, der im Juni in Afghanistan begann und sich dann nach Pakistan, Iran, Irak, Syrien und Libanon ausbreitete.

Cholera wird in der Regel durch verunreinigtes Wasser, Lebensmittel oder Abwässer übertragen. Sie kann zu schwerem Durchfall und Dehydrierung führen, was unbehandelt tödlich sein kann. Die Wasserleitungen und Pumpstationen in Syrien sind durch den seit mehr als zehn Jahren andauernden Krieg verwüstet worden, und die Dürre in diesem Jahr hat den Pegel des wichtigsten Flusses, des Euphrat, besonders niedrig werden lassen.

Nabbough Al-Awwa, ein Augen-, Nasen- und Halsarzt in Damaskus, ist der Ansicht, dass das Einleiten fester Abfälle in stehendes Wasser zur Ausbreitung der Krankheit beigetragen habe. „Wenn der Fluss fließt, ist das in Ordnung. Aber als die Wasserstände wegen der steigenden Temperaturen in vielen Ländern der Welt niedrig wurden, begannen sich diese Bakterien zu vermehren und auszubreiten““ so Awwa gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Da die Landwirte auf unbehandeltes Flusswasser angewiesen sind, wurde das Gemüse schnell kontaminiert, und das Virus breitete sich in den Städten aus, sagte er.

Geschäfte und Restaurants in der Hauptstadt haben ihre Speisekarten angepasst, um ihre Kunden zu schützen. „Wir haben im Interesse der öffentlichen Gesundheit kein Blattgemüse mehr verwendet“, sagte Maher, der in Damaskus einen Falafel-Laden betreibt.

Die Hauptstadt bleibt nach Angaben der WHO relativ geschützt. Die höchsten Fallzahlen wurden in der riesigen Wüstenprovinz Deir Ezzor im Osten sowie in Raqqa und Aleppo im Norden verzeichnet, die am meisten vom Euphrat abhängen.

Die Organisationen der Vereinten Nationen haben vor allem Wasser zu den betroffenen Gemeinden transportiert und Sterilisationstabletten verteilt. Um ihre Bemühungen fortzusetzen, benötigt das UN-Kinderhilfswerk nach eigenen Angaben bis zum Jahresende noch rund 9 Millionen Dollar.

* Veröffentlicht im Rahmen einer CCL-Lizenz.

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Warnschüsse in Zeiten der Krise

Krieg Dilemma Ukraine

Der folgende Hintergrundtext wurde in seiner ursprünglichen Form als Vortrag auf einer Solidaritätskonferenz für die Krimtataren im Mai 2014 in Berlin gehalten. Wir haben diejenigen Elemente zusammengefasst und übersetzt, die […]

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Menschenrechtler fordern: Abschiebungsstopp in Kriegs- und Krisengebiete beschließen

Grenze migration

Amnesty International fordert die Innenminister anlässlich ihrer am Mittwoch beginnenden Herbsttagung auf, Abschiebungsstopps in Kriegs- und Krisengebiete wie Syrien und Afghanistan zu beschließen. Zudem plädiert die Menschenrechtsorganisation für umfassende Landesaufnahmeprogramme, um den Nachzug gefährdeter Afghan_innen zu ihren Verwandten zu gewährleisten.

BERLIN (Amnesty International). Amnesty International forderte von der Innenministerkonferenz, einen Abschiebungsstopp nach Syrien und Afghanistan zu beschließen. Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, sagte: „Die Lage in Afghanistan und Syrien ist weiterhin so katastrophal, dass niemand aus Deutschland dorthin abgeschoben werden kann. Das Argument, es brauche keinen Abschiebungsstopp, weil de facto gerade nicht abgeschoben wird, lässt völlig außer Acht, dass die Unsicherheit gerade für mehrfach traumatisierte Geflüchtete mehr als zermürbend ist.“

Die Menschenrechts- und Sicherheitslage in Afghanistan und Syrien mache einen generellen Abschiebungsstopp unerlässlich. In Syrien seien besonders abgeschobene Geflüchtete gefährdet, wegen des vermeintlichen „Überlaufens zum Feind“ ins Visier genommen zu werden. Amnesty International dokumentiert in dem im September veröffentlichten Bericht „You are going to your death“, wie syrische Rückkehrer_innen gefoltert, misshandelt und willkürlich verhaftet wurden. Syrische Geheimdienstmitarbeiter ließen sie teils verschwinden oder verübten sexuelle Gewalt an den ehemals Geflüchteten.

Beeko sagte hierzu: „Es gibt keine sicheren Regionen in Kriegs- und Krisengebieten, vor allem nicht für abgeschobene Geflüchtete. Wir appellieren an die Innenminister und -senatoren, für alle Menschen aus Syrien und Afghanistan, die in Deutschland sind, endlich Rechtssicherheit zu schaffen, indem Abschiebungsstopps für beide Länder beschlossen werden.“

Zusätzlich bedarf es umfassender Landesaufnahmeprogramme für afghanische Flüchtlinge. Auf diese Weise kann auch der Nachzug von Angehörigen außerhalb der Kernfamilie ermöglicht werden.

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Eine Bilanz des „Anti-Terror-Kriegs“

20 Jahre nach dem 11. September 2001 ist der Westen mit seinem „Anti-Terror-Krieg“ gescheitert, hat aber Millionen Menschen umgebracht und ganze Länder zerstört. BERLIN/WASHINGTON (GFP.com). Millionen Todesopfer, grassierende Armut, Dutzende […]

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Syrien: Geheimdienste foltern laut Amnesty International zurückgekehrte Flüchtlinge

baath

Syrische Geheimdienste haben zurückgekehrte Flüchtlinge inhaftiert, gefoltert und verschwinden lassen – das dokumentiert ein neuer Bericht von Amnesty International. Die Menschenrechtsorganisation fordert die internationale Staatengemeinschaft dazu auf, Menschen aus Syrien internationalen Schutz zu gewähren und keine Abschiebungen nach Syrien durchzuführen. Die europäischen Regierungen müssen zudem auf Länder wie die Türkei und den Libanon hinwirken, Menschen nicht nach Syrien abzuschieben.

Den Bericht finden Sie hier.

BERLIN (Amnesty International). Syrische Geheimdienste haben Syrer_innen, die nach ihrer Flucht in ihre Heimat zurückgekehrt sind, inhaftiert, gefoltert und verschwinden lassen, so Amnesty International in dem am Dienstag veröffentlichten Bericht „You’re going to your death“. Der Bericht dokumentiert schwerste Menschenrechtsverletzungen, die syrische Geheimdienstangehörige an 66 Zurückgekehrten, darunter 13 Kinder, begangen haben. Neben sexualisierter Gewalt und anderen Misshandlungen dokumentierte Amnesty International fünf Todesfälle; in weiteren 17 Fällen ist der Verbleib der Menschen bis heute nicht bekannt.

Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, sagt: „Amnesty International hat kontinuierlich in den vergangenen Jahrzehnten in Syrien systematische Folter, Verschwindenlassen und außergerichtliche Hinrichtungen dokumentieren müssen. Die militärischen Auseinandersetzungen mögen in zahlreichen Landesteilen nun nachgelassen haben – die systematischen Menschenrechtsverletzungen der syrischen Regierung, wie Misshandlungen, Folter und Mord, gehen aber weiter. Dieser jüngste Bericht belegt, dass syrische Behörden weiter schwerste Menschenrechtsverletzungen begehen.“

Syrien ist nicht sicher. Nirgends

Amnesty International kommt anhand der im Bericht dokumentierten Fälle zu dem Schluss, dass es für Rückkehrende nirgendwo in Syrien sicher ist. Das bedeutet, dass jede Rückführung nach Syrien zum jetzigen Zeitpunkt gegen das Non-Refoulement-Verbot verstößt.

Beeko sagt: „Die erschütternden Aussagen in unserem Bericht sind ein Beleg dafür, dass Syrien kein sicherer Ort für Rückkehrer_innen ist. Sie zeigen im Gegenteil: Die Geheimdienste haben es gezielt auf zurückgekehrte syrische Flüchtlinge abgesehen – sie sind in besonderer Gefahr.“

Vor dem Hintergrund der abnehmenden kämpferischen Auseinandersetzungen in Syrien wollen sich einige Aufnahmeländer ihrer Schutzpflicht für Menschen aus Syrien entziehen. In Deutschland wurde der Abschiebungsstopp nach Syrien bereits Ende 2020 nicht verlängert. In Dänemark sitzen Syrer_innen in Abschiebungshaft, nachdem ihr Schutzstatus widerrufen wurde. Im Libanon und in der Türkei, wo Flüchtlinge unter prekären Bedingungen leben und Diskriminierung ausgesetzt sind, üben die Regierungen zunehmend Druck auf Syrer_innen aus, damit sie zurückkehren.

Beeko sagt: „Es verstößt gegen das Völkerrecht, Menschen in ein Land abzuschieben, in dem sie Gefahr laufen, verschleppt und gefoltert zu werden. Genau das ist aber in Syrien der Fall. Alle Regierungen bleiben in der völkerrechtlichen Pflicht, geflüchteten Syrer_innen internationalen Schutz zu gewähren. Amnesty International fordert, jede Praxis einzustellen, die Menschen direkt oder indirekt zur Rückkehr nach Syrien zwingt. Die Bundesregierung sollte auf Länder wie die Türkei und den Libanon einwirken, damit Menschen aus Syrien weiter Zuflucht gewährt wird. Abschiebungen in die Hände staatlicher syrischer Folterer – ob aus der Türkei, dem Libanon oder aus Deutschland – sind verantwortungslos, völkerrechtlich verboten und menschlich widerwärtig.“

Hintergrund

Der Bericht dokumentiert schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen, die zwischen Mitte 2017 und Frühjahr 2021 unter anderem aus Deutschland, Frankreich, der Türkei, Jordanien und dem Libanon nach Syrien zurückgekehrt sind. Amnesty International führte 41 Interviews mit Syrer_innen, darunter Rückkehrende, deren Angehörige, Freund_innen und Anwält_innen sowie Mitarbeiter_innen von Hilfsorganisationen.

Amnesty International dokumentierte 24 Fälle, in denen Menschen aufgrund ihrer Flucht massiven Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt waren. In einigen Fällen wurden Rückkehrende allein deshalb verfolgt, weil sie sich in Landesteilen Syriens aufgehalten hatten, die von der Opposition kontrolliert worden waren.

Die Menschenrechtsorganisation dokumentierte 14 Fälle von sexualisierter Gewalt durch Sicherheitskräfte. In sieben Fällen handelte es sich dabei um Vergewaltigungen, betroffen waren fünf Frauen, ein Teenager und ein fünfjähriges Mädchen. Die Sicherheitskräfte verübten die Gewalt an Grenzübergängen oder bei Verhören in Hafteinrichtungen.

Insgesamt dokumentierte Amnesty International 59 Fälle von Männern, Frauen und Kindern, die nach ihrer Rückkehr in Syrien willkürlich festgenommen wurden. 33 Menschen wurden in Haft oder während eines Verhörs gefoltert oder anderweitig misshandelt. Die Menschenrechtsorganisation dokumentierte außerdem 27 Fälle von Verschwindenlassen. In fünf von diesen Fällen wurden die Familienangehörigen schließlich informiert, dass ihre Angehörigen in Haft gestorben waren. Der Verbleib von weiteren 17 Menschen ist nach wie vor unbekannt.

Beunruhigende Rhetorik

Die Waffen schweigen in Syrien noch längst nicht: Der Münchner Hoffnungsschimmer vom Freitag auf ein Ende des blutigen Bürgerkriegs wird immer kleiner. Die Kontrahenten Russland und die USA reden zwar miteinander – doch die Rhetorik lässt nichts Gutes erahnen.
München/Moskau (dpa). Die Hoffnungen auf Frieden in Syrien und ein Ende der Massenflucht in Richtung Europa haben am Wochenende einen schweren Dämpfer erhalten. Die am Freitag in München vereinbarte Waffenruhe in dem blutigen Bürgerkrieg und der Beginn der humanitären Hilfen in belagerten Orten waren nicht in Sicht. Stattdessen verstärkte Russland, das Machthaber Baschar al-Assad unterstützt, die Bombenangriffe auf Regimegegner in Syrien.
Nachdem der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew bei der Sicherheitskonferenz in München einen „neuen Kalten Krieg“ beklagt hatte, telefonierten Kremlchef Wladimir Putin und US-Präsident Barack Obama am Sonntag miteinander. Sie hätten ausdrücklich die Einigung auf eine Feuerpause gelobt und weitere Verhandlungen vereinbart, hieß es aus Moskau.
Die Sicherheitskonferenz stand im Zeichen der Ost-West-Konfrontation und gegenseitigen Misstrauens. Medwedew schockte die Teilnehmer mit drastischen Worten: „Wir sind in die Zeiten eines neuen Kalten Krieges abgerutscht.“ Russland und die EU hätten ein „verdorbenes Verhältnis“.
Dann schlug er einen anderen Ton an: Angesichts der Konflikte in der Ukraine und in Syrien müsse jetzt wieder Vertrauen aufgebaut werden. Dies sei zwar ein schwieriger Weg. „Aber wir müssen diesen Prozess anfangen. Und da darf es keine Vorbedingungen geben“, sagte Medwedew.
Die USA warnten die Russen davor, zu glauben, sie könnten an der Seite Assads den Bürgerkrieg gewinnen. „Wir sind an einem Scheidepunkt“, sagte US-Außenminister John Kerry.
Moskau müsse auf die Feuerpause hinarbeiten und den Beschuss von Zivilisten einstellen. Bei einem Scheitern der Waffenruhe stünden die USA vor „schwierigen Optionen“. Ob das den Einsatz von Bodentruppen umfasst, sagte Kerry nicht.
Russland, die USA und wichtige Regionalmächte wie der Iran, die Türkei und Saudi-Arabien hatten sich in der Nacht zu Freitag in München auf das Ziel einer Feuerpause in Syrien geeinigt, die innerhalb von einer Woche in Kraft treten soll.
Ausgenommen sind Angriffe auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und die Al-Nusra-Front, Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida. Zudem soll es schnelle Hilfslieferungen geben.
Dem fünfjährigen Bürgerkrieg sind Hunderttausende Menschen zum Opfer gefallen, Millionen sind auf der Flucht. Die syrische Opposition warf Assad und Moskau eine „Politik der zwangsweisen Vertreibung“ vor. Er glaube nicht, dass sie eine Waffenruhe wollten, sagte Riad Hidschab vom Hohen Verhandlungskomitees der Regimegegner. „Heute gibt es für die meisten Syrer keinen Hoffnungsschimmer.“
Russland verstärkte seine Luftangriffe im Norden Syriens nach Angaben von Aktivisten weiter. Die Intensität der Angriffe habe am Samstag zugenommen und sei am Sonntag auf hohem Niveau geblieben, berichtete der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman, der Deutschen Presse-Agentur.
Er gehe davon aus, dass dies der Vorbereitung eines weiteren Vormarsches der Regime-Anhänger nördlich der umkämpften Metropole Aleppo diene. Nach Angaben der Menschrechtler starben am Sonntag sieben Zivilisten in der Großstadt Aleppo bei Luftangriffen.
Die Armee und ihre Verbündeten hatten Anfang des Monates mit russischer Luftunterstützung im Norden Syriens große Geländegewinne erzielt. So konnten sie etwa die wichtigste Nachschubroute der Rebellen aus der umkämpften Stadt Aleppo in Richtung Türkei kappen.
US-Senator John McCain zweifelt an einer Feuerpause in Syrien. „Herr Putin ist nicht daran interessiert, unser Partner zu sein“, sagte der republikanische Hardliner am Sonntag in München.
Dagegen stellte der russische Außenminister Sergej Lawrow infrage, ob die Amerikaner zu weiteren Schritten bereit seien. Die Chance auf eine Feuerpause schätzte er auf 49 Prozent.
Die Vereinten Nationen warteten auf Sicherheitsgarantien für die Transporte. „Da muss sich jetzt schnell etwas tun“, forderte der Vize-UN-Generalsekretär Jan Eliasson. UN-Schätzungen zufolge sind in 50 belagerten Orten in Syrien etwa 400 000 Menschen eingeschlossen.
Nahe der Grenze zur Türkei beschoss die türkische Armee derweil von syrischen Kurden neu eroberte Gebiete mit ihrer Artillerie – mindestens zwei Kämpfer starben. Die Türkei befürchtet, dass die Kurden, die mit der verbotenen Arbeiterpartei PKK verbunden sind, und ihre Verbündeten die gesamte Grenze zur Türkei unter ihre Kontrolle bringen könnten.
Saudi-Arabien bestätigte zudem, dass es Kampfjets zum türkischen Nato-Stützpunkt Incirlik geschickt habe. Die Maßnahme sei Teil des saudischen Plans, den Kampf gegen die Terrormiliz IS in Syrien zu intensivieren. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu schloss auch einen möglichen Bodeneinsatz der Türkei und Saudi-Arabiens gegen den IS nicht aus.

Bewohner Aleppos wollen Regierungsangriffen trotzen

(Eurasia). Die Einwohner der syrischen Provinz Aleppo, deren Städte und Dörfer im Norden von allen Seiten durch die Terrormiliz „Islamischer Staat“, die Kurden-Miliz YPG und Regierungstruppen Baschar al-Assads militärisch bedrängt werden, haben ihre Entschlossenheit ausgedrückt, vor den feindlichen Kämpfern nicht fliehen und ihre Häuser verteidigen zu wollen.
Trotz des Umstands, dass sich die Angriffe auf Aleppo zu Boden und aus der Luft intensivieren, Berichten zufolge 200 000 Zivilisten vor den Kämpfen nördlich der Provinz fliehen, betonen Aktivisten und darauf angesprochene Zivilisten, dass sie lieber in ihrer Heimat sterben wollen, als vor den vorrückenden Kämpfern zu fliehen. Gegenüber Feldreportern wurden zahlreiche Durchhalteparolen geäußert.
„Wir sind nicht verängstigt von den Bomben, sondern vor dem drohenden Migrationsdruck. Wir werden die Stadt nicht verlassen, bis der Feind unser Stadtzentrum einnimmt. Wir wurden auf diesem Land geboren, wir werden hier sterben“, sagten einige Menschen aus der Provinzhauptstadt Aleppo.
„Wir sind immer noch dankbar dafür, dass wir hier sein können. (Der Befragte zeigt auf ein Viertel, welches kürzlich von der syrischen Armee eingenommen wurde) Können Sie noch dankbar sein? Ich möchte nicht gehen und will nicht im Schlamm eines Flüchtlingscamps leben. Wir sind ehrbare Menschen. Ja, hunderte Raketen schlagen täglich hier ein, aber das verängstigt mich nicht. Das einzige, was mir Angst macht, ist die Gefahr, dass wir gezwungen werden, die Stadt zu verlassen. Das macht mir mehr Angst als die Angriffe“, gab ein lokaler Schuhverkäufer aus Aleppo zu bedenken.
„Wir haben schon schlimmeres erlebt als die Angriffe der Russen und Assads. Wir sind daran gewöhnt und sind nicht eingeschüchtert“, sagte eine Frau aus einer mehrheitlich kurdisch geprägten Nachbarschaft in Aleppo.
„Ich habe vergessen, wie man liest und schreibt“
„Ich konnte mehr als zwei Jahre in die Schule gehen. Eines Morgens realisierten wir aber, dass unsere Schule durch einen Kanonen-Angriff zerstört wurde. Ich kann nur noch schwerlich lesen und schreiben, weil ich es in der Zwischenzeit verlernt habe. Das ist der Grund, warum meine Mutter regelmäßig von mir verlangt, ein wenig zu lesen“, gab das Mädchen Schedi, welches noch im Alter eines Kindes ist, an.

Schedi (Eurasia; Cihat Arpacik)
Schedi (Eurasia; Cihat Arpacik)

„Viele meiner Verwandten haben Syrien in Richtung Türkei verlassen. Sie gingen nach Gaziantep und nach Istanbul. Sie baten mich, mitzugehen, aber ich lehnte es ab. Ich möchte in meinem eigenen Land bleiben“, sagte wiederum eine betagte Dame aus Höllük, einem mehrheitlich von Turkmenen bewohnten Distrikt Aleppos. Sie gab an, dass sie 64 Jahr alt sei.
Türkmenin aus dem Bezirk Höllük (Eurasia; Cihat Alparcik)
Türkmenin aus dem Bezirk Höllük (Eurasia; Cihat Arparcik)

Aleppo gehört zu den ältesten Städten der modernen Welt. Es galt vor dem syrischen Bürgerkrieg noch als wirtschaftliches Zentrum des Landes. Seit fünf Jahren wehren sich die Bürger Aleppos den Bomben- und Luftangriffen der Regierung Baschar al-Assads zum Trotz, die Stadt zu verlassen.
Kinder, die sich am offenen Feuer wärmen (Eurasia; Cihat Alparcik)
Kinder, die sich am offenen Feuer wärmen (Eurasia; Cihat Arparcik)

Aleppo: Das verletzbarste Ziel
Vor einigen Tagen nahmen Regierungstruppen und alliierte schiitische Islamisten aus dem Iran, Irak und dem Libanon, einschließlich der Hisbollah, gezielt ein turkmenisch geprägtes Wohnviertel im Stadtzentrum von Aleppo ins Visier. Seitdem finden mithilfe Russlands die heftigsten Luftschläge gegen die aufständische Bevölkerung der Region an der türkischen Grenze statt.
Fassbomben werden seit Jahren von der syrischen Luftwaffe auf die Bezirke Hayderiye, Bostan Pascha, Scheich Hidir und Höllük abgeworfen. Die Einnahme der westsyrischen Stadt Kalamun setzte das Fundament für eine stärkere Involvierung ausländischer Kämpfer, die der syrischen Regierung nahe stehen.
 

Nach 5 Jahren gezeichnet

Bonn (KNA) Vor der Geberkonferenz am Donnerstag in London fordern rund 100 deutsche und internationale Hilfsorganisationen verbindliche Vereinbarungen, um das Leid der Menschen in Syrien und den Nachbarländern beenden oder zumindest lindern zu können. Zu den am Montag vom Bündnis „Aktion Deutschland Hilft“ vorgestellten Forderungen gehören unter anderem die Einhaltung des internationalen Völkerrechts, der sichere Zugang zu Hilfsmaßnahmen für alle Betroffenen und sicherere Arbeitsbedingungen für lokale und internationale Helfer.
Eine politische Lösung für Syrien scheine nicht in Sicht zu sein, betonte Manuela Roßbach, Geschäftsführerin von „Aktion Deutschland Hilft“: „Männer, Frauen und Kinder sind nach fünf Jahren Krieg, Gräueltaten, Vertreibung und Flucht gezeichnet. Die Besinnung auf und Einhaltung von verbindlichen humanitären Vereinbarungen und deren Umsetzung ist jetzt das wichtigste und vielleicht das einzige Mittel, um den Menschen grundlegend und perspektivisch helfen zu können.“
Im Hinblick auf die Geberkonferenz in Syrien fordern die Hilfsorganisationen daher, gemäß internationalem Völkerrecht alle Angriffe auf Zivilisten und zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser und Schulen zu beenden. Außerdem dürften nicht länger Essensvorräte bei der Einfuhr kontrolliert oder gar zerstört oder Preise künstlich in die Höhe getrieben werden. Allen Helfern müsse es darüber hinaus ermöglicht werden, die Menschen in Not zu erreichen, ohne ihr eigenes Leben zu gefährden, in Gefangenschaft oder zwischen die Fronten zu geraten.
Auf Einladung Deutschlands, Großbritanniens, Norwegens, Kuwaits und der Vereinten Nationen kommen am Donnerstag in London mehr als 70 Regierungsvertreter zusammen, darunter Kanzlerin Angela Merkel. Ziel sind vor allem weitere Hilfen für die Syrer. Neben finanziellen Hilfszusagen will man auch auf politischer Ebene Zukunftsperspektiven für Flüchtlinge in der Region schaffen, etwa durch Bildung und einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt.
Die „Aktion Deutschland hilft“ ist ein Zusammenschluss von insgesamt 24 Hilfsorganisationen. Dazu gehören etwa der Malteser Hilfsdienst, die Johanniter, CARE, Help – Hilfe zur Selbsthilfe, Islamic Relief, World Vision, Handicap International und arche noVa.
Photo by EU Humanitarian Aid and Civil Protection
Photo by EU Humanitarian Aid and Civil Protection

Folgen die Untaten des so genannten Islamischen Staates der Narco-Logik südamerikanischer Netzwerke?

„Als jemand, der sich sonst vor allem mit dem Nahen Osten beschäftigt, meine ich, dass es sich lohnt, die obszönen Grausamkeiten (…) einmal durch andere Prismen zu betrachten: im Nahen […]

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