
Manche trennen ihre Arbeit und ihr persönliches Leben im Versuch, eine „Vereinbarkeit von Arbeit und Leben“ aufrechtzuerhalten. Ich bin zur Ansicht gelangt, dass eine Trennung auf diese Weise eine Täuschung ist. Anstatt Verbindungen in allem zu finden, was wir tun, entscheiden wir uns für das Aufbrechen unserer Zeit in gesonderte Blöcke.
(Muslim Matteus). Das Arbeitsleben wird so nur zu einem Mittel für den Lebensunterhalt. Währenddessen wird das Privatleben zu „unserer“ Zeit. Innerhalb dieses Rahmens schaffen wir weitere Einteilungen: Augenblicke für soziales Leben vs. Training vs. Entspannung . Was immer die Aktivität ist, der Fokus liegt so auf uns selbst.
Was passiert mit unserem spirituellen und religiösen Selbst in dieser Ordnung? Wenn sich spirituelles Leben nur auf Zeit in der Moschee oder auf dem Gebetsteppich beschränkt, sind wir dann nicht die Verlierer?
Der populäre Begriff der Work-Life-Balance suggeriert, dass wir einen Ausgleich erreichen, wenn wir den konkurrierenden beruflichen und privaten Anforderungen die gleiche Wichtigkeit einräumen. Ich denke über eine weitere Form des Gleichgewichts nach: Wenn jede Dimension unseres Lebens so gut in die anderen integriert ist, ist es nicht nötig, die Waage zwischen ihnen zu halten. Allah sagt im Qur’an: „Und Ich habe die Dschinn und die Menschen nur (dazu) erschaffen, damit sie Mir dienen.“ (Adh-Dharijat, Sure 51, 56)
Wenn unser einzige Zweck in der Anbetung Allahs, des Erhabenen liegt, was geschieht, wenn wir jede Aktivität als einen Akt der Anbetung neu formulieren? Wie könnte das praktisch aussehen? Ich möchte dabei auf den Begriff „Amana“ als eine Antwort auf diese Frage schauen.
Dieses Wort wird oft mit „Vertrauen“, manchmal mit „Ehrlichkeit“ oder sogar mit „freier Wille“ übersetzt. Es ist die religiöse Verantwortung, unsere Verpflichtung gegenüber dem Schöpfer und seiner Schöpfung zu erfüllen. Es ist ein Vertrauen, da wir daran gebunden sind. Und es ist die Essenz des freien Willens, weil wir wählen, ob und wie es geehrt wird.
Allah sagt im Qur’an: „Wir haben das anvertraute Gut den Himmeln und der Erde und den Bergen angeboten, aber sie weigerten sich, es zu tragen, sie scheuten sich davor. Der Mensch trug es – gewiss, er ist sehr oft ungerecht und sehr oft töricht.“ (Al-Ahzab, Sure 33, 72)
Wir werden danach beurteilt, wie gut die Verpflichtungen erfüllt werden. Aber Allah gibt uns nicht einfach eine Aufgabe und lässt uns dann mit ihr allein. Er zeigt einen Weg zu Ihm und die Mittel, welche wir auf dieser Reise brauchen. Er lehrt uns, was es heißt, diesen Begriff zu leben, und gibt jedem Einzelnen eine Amana, deren Erfüllung unsere größte Obligation ist.
Durch diese Linse betrachtet können wir beginnen, alle täglichen Aktivitäten als aktive Anbetung zu sehen; angetrieben von der gleichen Absicht, mit der wir an das Gebet, das Fasten oder die Wohltätigkeit herangehen. Wenn wir die Gaben als anvertrautes Gut verstehen, das Allah uns gab, können wir Arbeit beziehungsweise die Art und Weise, wie wir diese Geschenke einsetzen. Wenn wir uns mit Arbeit im Kontext der göttlichen Schöpfung beschäftigen, ist sie so schöner als der bloße Broterwerb. Es ist ein kostbares Privileg, dass wir uns auf dem Weg Allahs bemühen, Ihm zu gefallen, indem wir in dieser Welt Gutes tun.
Diejenigen, die das Privileg haben, selbst zu entscheiden, was sie tun und für wen sie es tun, können mit einer ehrlichen Einschätzung ihrer eigenen Talente beginnen und herausfinden, wo sich unsere Fähigkeiten mit dem überschneiden, was die Welt braucht. Nicht jede Arbeit wird glanzvoll sein. Aber wir können selbst scheinbar banale Aufgaben in diesen größeren Kontext einordnen.
Der gleiche Rahmen lässt sich auch auf die Aktivitäten in unserem „Privatleben“ anwenden. So können wir zwischenmenschliche Beziehungen als ein solches Gut von Allah verstehen. Unsere Zeit mit Gemeinschaft wird so zu einer weiteren Dimension von Anbetung. Nicht nur empfinden wir Allahs Liebe nach, indem wir andere lieben. Wir erhalten durch positive Worte und Handlungen auch die Möglichkeit zur Verbesserung der eigenen Person und anderen.
Selbstfürsorge kann auf diese Weise umgedeutet werden: nicht als Nachlässigkeit gegen sich selbst oder bloßes Vergnügen, sondern als eine Investition in unser Herz und unseren Körper – die beide von Allah geliebt werden.
Das ist eine sehr schöne Anregung – und wunderbar unterstützt durch das Foto eines Kindes mit Hausaufgaben und einer Mutter im Homeoffice. Aber welche Arbeit könnte so getan werden? Schließt sich hier nicht die politische Forderung an, die Arbeitswelt zu humanisieren – zumindest, wenn der Arbeitgeber ein Muslim ist? Wenn die Männer in der Dönerbude nicht bis zum Herzinfarkt schuften, sondern sich gegenseitig Pausen gönnen? Wenn es auch im Lebensmittelladen eine Ecke ist für das Kind mit den Hausaufgaben gibt, das auf diese Weise im Rechnen sogar Anschauungsunterricht bekäme? Wenn (wie im Zeitungsladen bei mir gegenüber) zu Gebetszeiten immer ein Schild mit „komme gleich wieder!“ an der Tür hinge… usw. Ich glaube, die Anregungen dieses Artikels könnten viel zu einer Rehumanisierung der Welt für alle beitragen, wenn sie nicht nur die persönliche Welt der Muslime beträfen…