Trump macht Drohung von Vergeltungsangriffen wahr

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Washington/Damaskus (dpa). Als Vergeltung für einen mutmaßlichen Giftgaseinsatz haben die USA, Frankreich und Großbritannien in der letzten Nacht Ziele in Syrien angegriffen. Als Reaktion drohte Russland, Verbündeter und Schutzmacht Syriens, mit Konsequenzen: Präsident Wladimir Putin forderte eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates und verurteilte – ebenso wie die Führung in Damaskus – den Angriff auf das Schärfste.
US-Präsident Donald Trump sagte in der Nacht auf Samstag, die Angriffe seien die Antwort auf den Einsatz chemischer Waffen durch die syrische Regierung unter Präsident Baschar al-Assad gegen das eigene Volk in der Stadt Duma. „Dies sind nicht die Taten eines Menschen. Es sind die Verbrechen eines Monsters.“ Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte: „Die rote Linie ist überschritten.“ Die britische Premierministerin Theresa May bezeichnete das Vorgehen als alternativlos.
US-Verteidigungsminister James Mattis sprach von einer begrenzten, einmaligen Aktion. Weitere Schläge seien nicht geplant. Der Einsatz richtete sich demnach gegen die Infrastruktur der chemischen Waffenproduktion in dem Land. An den Militärschlägen waren Schiffe und Flugzeuge der Alliierten beteiligt. Der syrischen Armee zufolge wurden bei dem Angriff auf das Land rund 110 Raketen abgefeuert.
Russland behielt sich eine angemessene Reaktion vor. „Wir sind wieder bedroht worden“, hieß es in einer Erklärung des russischen Botschafters in Washington, Anatoli Antonow, auf Twitter. „Wir haben gewarnt, dass solche Aktionen nicht ohne Konsequenzen sein werden.“ Alle Verantwortung dafür hätten nun die Regierungen in Washington, London und Paris zu tragen. Auch Iran, weitere Schutzmacht Assads, verurteilte den Angriff als klaren Verstoß gegen internationale Vorschriften.
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, schrieb auf Facebook, es gebe weiterhin keine Beweise für den mutmaßlichen Giftgasangriff auf die Stadt Duma. Das Außenministerium in Damaskus forderte die internationale Gemeinschaft auf, die „Aggression“ zu verurteilen. Der Angriff sei zeitgleich mit der Ankunft der Ermittler der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) in Syrien erfolgt. Ziel des Angriffs sei es gewesen, deren Arbeit zu behindern, die Ergebnisse vorweg zu nehmen und Druck auf sie auszuüben.
Die Ermittler sollen herausfinden, ob in Duma Giftgas eingesetzt wurde. Am 7. April sollen in der Region Ost-Ghuta der Hilfsorganisation Weißhelme zufolge mindestens 42 Menschen getötet worden sein. Mehr als 500 Personen wurden demnach in Krankenhäusern behandelt.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg unterstützte das Vorgehen: „Das wird die Fähigkeiten der Führung einschränken, weiter die Menschen in Syrien mit chemischen Waffen anzugreifen.“ Die Türkei bezeichnete den Angriff als „angemessene Antwort auf den Chemiewaffenangriff“. Auch Israel äußerte Verständnis. UN-Generalsekretär António Guterres warnte vor einer weiteren Eskalation.
Nach US-Angaben gab es keine Verluste bei den Angriffen auf ein Forschungszentrum wohl nordöstlich der Hauptstadt Damaskus, eine mutmaßliche Lagerstätte für chemische Waffe sowie eine Kommandoeinrichtung bei Homs. In Berichten von vor Ort war von mehr als drei Zielen die Rede. Der syrischen Nachrichtenagentur Sana zufolge wurden mindestens drei Zivilisten verletzt. Aus Armeekreisen hieß es, sechs Soldaten seien bei Homs verletzt worden.
Der Generalstabschef des US-Militärs, Joseph Dunford, sagte, nahe Homs sei der chemische Kampfstoff Sarin gelagert worden. Die USA hätten den Angriff nicht mit Russland koordiniert. Es habe lediglich Kommunikation über den regulären Kanal zwischen dem russischen und amerikanischem Militär zur Vermeidung von Zwischenfällen gegeben.
Mattis sagte, der Schlag sei härter gewesen als der im Vorjahr. Es seien etwa doppelt so viele Waffen eingesetzt worden wie beim Angriff 2017. Es ist das zweite Mal, dass die USA unter Trump die Assad-Regierung direkt angreifen. Das US-Militär hatte vor einem Jahr die Luftwaffenbasis Schairat beschossen. Das war eine Reaktion auf den Giftgasangriff mit Dutzenden Toten auf die Stadt Chan Scheichun, für den UN-Experten die Regierung Assads verantwortlich machten. Das Eingreifen der USA galt aber als eher symbolisch.
An dem Einsatz in der Nacht waren auch vier Flugzeuge der britischen Royal Air Force beteiligt. Es habe „keine gangbare Alternative zum Einsatz der Streitkräfte gegeben“, um das syrische Regime vom Einsatz der Chemiewaffen abzuschrecken, sagte die Premierministerin May. Es gehe nicht darum, in einen Bürgerkrieg einzugreifen, und auch nicht um einen Regimewechsel.
Macron sagte zur Begründung: „Dutzende von Männern, Frauen und Kindern wurden beim Einsatz chemischer Waffen in Duma am 7. April massakriert. Ich habe deshalb den französischen Streitkräften befohlen einzugreifen.“ Sein Außenminister Jean-Yves Le Drian nannte den Einsatz rechtmäßig. Das Vorgehen richte sich nicht gegen Russland und Iran und auch nicht gegen die Zivilbevölkerung. Er forderte einen „Krisenausstiegsplan“.
Die französische Verteidigungsministerin Florence Parly meinte: „Wir suchen nicht die Konfrontation und weisen jede Logik militärischer Eskalation zurück“, sagte sie. „Deshalb haben wir mit unseren Verbündeten darauf geachtet, dass die Russen vorher gewarnt werden.“
US-Präsident Trump hatte zuletzt unverhohlen mit dem Angriff gedroht. Er sagte in der sehr kurzfristig angekündigten, etwa acht Minuten dauernden Ansprache, die USA seien darauf vorbereitet, ihre Einsätze fortzusetzen, bis die syrische Regierung ihren Einsatz verbotener chemischer Waffen beende. An Russland und den Iran gerichtet, fragte Trump: „Was für eine Art Nation würde im Zusammenhang stehen wollen mit dem Massenmord an unschuldigen Männern, Frauen und Kindern?“
Die syrische Armee war seit Tagen in voller Alarmbereitschaft und hatte sich von Stützpunkten zurückgezogen. Nach dem Angriff der Westmächte gab sich die Regierung unbeugsam. Das Präsidentenbüro verbreitete am Morgen über soziale Medien ein acht Sekunden langes Video, das zeigt, wie Assad den Eingang zum Präsidentenpalast betritt. In der Hand hält der mit Anzug und Krawatte bekleidete Machthaber eine Aktentasche. Zu dem Video schrieb das Präsidentenbüro: „(Guten) Morgen der Standhaftigkeit“.