
Heidelberg (KNA). Der Migrationsforscher Gerald Knaus, Architekt des Flüchtlingspaktes mit der Türkei, hat eine Erneuerung des Abkommens gefordert – und zugleich deutliche Kritik an der Europäischen Union geäußert. „Die EU hat nach dem Ablaufen der vier Jahre die finanzielle Hilfe – für Ankara der Kern des Abkommens – nicht verlängert“, sagte Kraus der Heidelberger „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Donnerstag). „Aus strategischer Blindheit hat sie beschlossen, es laufen zu lassen, ohne der Türkei für die nächsten vier Jahre Geld zuzusagen.“ Nun wachse der Druck der türkischen Bevölkerung auf die dortige Regierung.
Knaus verlangte, die Türkei weiter zu unterstützen, „damit die Integration der Syrer gelingt, und sich weniger auf den Weg machen“. „Das Abkommen der EU und der Türkei sollte ausgeweitet werden, so dass die Türkei auch Flüchtlinge zurücknimmt, die über die Landgrenze nach Griechenland gekommen sind“, forderte der Migrationsforscher. „Auch Griechenland braucht Hilfe, um die unzumutbaren Zuständen auf den Inseln zu beenden.“ Es gehe darum, „dieses Abkommen zu verbessern und neu aufzulegen. Im Interesse humaner Kontrolle“, so Knaus.
Nach dem Abkommen vom März 2016 sei die Zahl der syrischen Geflüchteten rasch von jährlich einer Million Menschen auf 26.000 zurückgegangen, erinnerte der Wissenschaftler. Die Zahlen seien dreieinhalb Jahre auf diesem Niveau geblieben. Die Türkei habe „beachtliche sechs Milliarden Euro“ für die Aufnahme und Versorgung der Syrer erhalten.
Auch wenn die Türkei nun kritisiere, dass das Geld noch nicht gezahlt worden sei, seien 99,5 Prozent der Syrer (3,5 Millionen Menschen) 2019 in der Türkei geblieben, sagte Knaus. Nach Griechenland seien nur noch 15.000 Syrer gekommen. „Die 3,5 Millionen Flüchtlinge werden bleiben. An der Grenze in Syrien warten zudem noch einmal Hunderttausende Flüchtlinge, die womöglich bald in die Türkei fliehen“, gab Knaus zu bedenken. „Die Türkei muss weiter unterstützt werden, damit die Integration der Syrer gelingt, und sich weniger auf den Weg machen.“