Über das Spektrum der verschiedenen Ansichten: zur 200. Ausgabe der Islamischen Zeitung. Von Wolf-Ahmed Aries

Ausgabe 200

Dies ist die zweihundertste Ausgabe dieser Zeitung? Wirklich, so mag man fragen? Um gleich darauf sich selbst zu fragen, was man mehr bewundern soll, dass die Zeitung so lange besteht oder den Mut und die Kraft zum Durchhalten jener, die es gegen alle Voraussagen geschafft haben. In den Jahren seit dem ersten ­Erscheinen sind nicht nur manche islamische Publi­kationen still dahin gegangen, sondern haben fast alle größeren muslimischen Verbände ihre eigenen Zeitschriften aufgelegt. Allein, sie sind höchstens zweisprachig und nicht auf das Deutsche ­konzentriert.

Sie nehmen die Entwicklung im Lande engagiert zur Kenntnis, aber nur die „Islamische Zeitung“ diskutiert sie als ihre eigene, als die Problematik der eige­nen Leser, ohne einer bestimmten Gruppe nach dem Munde zu reden oder den Erwartungen einer Richtung gleich den Intellektuellen, Frommen oder der aufsteigenden Mittelschicht zu entsprechen. Meinungsvielfalt gehört zu dieser Zeitung, was schon an der Bandbreite der Interviewpartner abzulesen ist.

Nur sie meint nicht die heute so beliebte Laisser-faire Haltung, des anything goes.

Die Redaktion weiß, wo sie steht und wofür, daher auch ihre skeptischen Nachfragen bei scheinbaren Erfolgen gleich der ersten und zweiten Islamkonferenz. Die Meinungsvielfalt unter den deutschen Muslimen mag manchen Politiker stören, weil sie durch Repräsentanzen nicht zu lösen ist. Man muss sich daher der legitimatorischen Grenzen bei den Gesprächen mit den Verbänden auf der föderalen wie auf der Bundesebene bewusst sein.

Aber es gibt wohl keinen anderen Weg, um die religiöse Integration, was immer jemand darunter verstehen mag, voranzubringen. Es bedarf bei allen Beteiligten der geduldeten Haltung der Ambigui­tätstoleranz, an die der Münsteraner Thomas Bauer vor Kurzem erinnerte. Sie hat einmal die Diskurse islamischer Mehrheitsgesellschaften ausgezeichnet. ­Unsere Hadith-Forschung kündet immer noch davon.

Daher ist es wichtig, an der einen oder anderen Stelle dadurch Pflöcke einzuschlagen, die fest Grundlagen vermitteln wie es etwa die Übersetzungen wichtiger Arbeiten einzelner Gelehrter. Es müsste sich nur ein Sponsor finden, der solche Anstrengungen dadurch belohnt, dass die Übersetzung auch schriftlich in Buchform nachzulesen ist.

Solche Literatur fördert ebenso wie diese deutschsprachige Zeitung die Sprachfähigkeit der muslimischen Studentinnen und Studenten beziehungsweise ­Intellektuellen, deren Alltags- und fachwissenschaftliches Deutsch nicht zu wünschen übrig lässt.

Allein bei der Formulierung islamischer Position ist es noch immer problematisch, wozu das Wissen gehört, was man aus dem christlich geprägten Wortschatz der des Deutschen übernehmen kann, und an welchen Stellen man eher auf dem islamischen terminus bestehen sollte. Da die Redaktion dieser Zeitung offensichtlich eine fest interne Sprachregelung hat, besteht die Chance zu ­einer allgemeinen Sprache.

Und sie erscheint nun zum zweihundertsten Male, was die Möglichkeit denken lässt, dass – inscha’Allah – uns die Chance erhalten bleibt.