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Virtuelle Ausstellung „Religion in einer Pluralen Gesellschaft: Indonesische Perspektiven“

Foto: Freepik.com

Berlin (iz). Die Virtuelle Ausstellung ist ein Teil des Projekts „Democracy and Interreligious Initiatives“, gefördert aus Mitteln der Berliner University Alliance. Die Kunstwerke von 14 Künstler:innen mit unterschiedlichen geographischen, religiösen und künstlerischen Hintergründen werden in dieser Ausstellung gezeigt. Mit dieser virtuellen Ausstellung hoffe ich, einen kreativen Beitrag zur Wissenschaftskommunikation zu leisten, der sich nicht auf die zusammenfassenden Erläuterungen wissenschaftlicher Ergebnisse beschränkt, sondern aktives Zuhören und Zuschauen übt. Die Überschreitung sprachlicher Grenzen durch visuelle Kunst bietet die Möglichkeit neuer Brücken und Kommunikationskanäle. In diesem Sinne kann die Ausstellung Religion in einer Pluralen Gesellschaft auch als ein Forschungsinstrument verstanden werden. 

Indonesien

Indonesien ist ein Inselstaat in Südostasien, begrenzt durch den Indischen Ozean im Westen und den Pazifischen Ozean im Osten, liegt es auf dem Ring des Feuers (dem Pazifischen Feuergürtel) und hat eine der höchsten vulkanischen und tektonischen Aktivitäten weltweit. Das Land erstreckt sich vom nördlichsten Zipfel in Sumatra, Aceh, bis nach West Papua und umfasst mehr als 17.000 bewohnte und unbewohnte Inseln. Indonesien ist Heimat von einer großen Vielzahl an ethnischen, religiösen, kulturellen und sprachlichen Gruppen und besteht als Nationalstaat seit dem 17. August 1945. Es vereint die genannte Vielfalt in dem Nationalen Motto Bhinekka Tunggal Ika, Einheit in Vielfalt, unter der Staatsideologie Pancasila. Die erste Säule der Pancasila ist der Glaube an den Einen Gott. Die große Mehrheit der Indonesier:innen gibt an, dem Islam anzugehören, doch können auch Christen, Katholiken, Hindus, Buddhisten, Anhänger des Konfuzianismus und lokaler Glaubenssysteme ihren Glauben leben. In einigen Gegenden Indonesiens stellen verschiedene Religionen, auf nationaler Ebene als Minderheiten wahrgenommen, die Mehrheit. Der Bezug zur Indonesischen Nationalideologie wird auch in den Kunstwerken einiger Künstler:innen dieser Ausstellung hergestellt und als wichtiger Anker für eine nationale Harmonie und religiöse Toleranz verstanden. So beschreibt zum Beispiel die Künstlerin Budiasih in ihrem Konzept zu ihrem Werk „Baum des Lebens“, die Pancasila als ein Gefäß, das zu einem Mittel wird, um Religionen und Glaubensformen in Indonesien zu verbinden, um so das ideale Zusammenleben zu erreichen. 

Religion, Glaube und Spiritualität sind tiefgreifende Elemente des Indonesischen Lebens. Das Gebet, Verbindungen zur unsichtbaren Welt, spirituelle Praxis und ein tiefverwurzelter Glaube sind elementare Bestandteile des Lebens einer großen Anzahl Indonesier:innen. Gleichzeitig wird traditionell die Zugehörigkeit zu einer Religion oder einem Glaubenssystem als Voraussetzung gesehen, die Tugenden der Toleranz und der Achtung vor Andersgläubigen zu erlernen, um so Teil eines harmonischen Miteinanders zu werden. Es kann gesagt werden, dass die geographische Lage des Archipels zu Offenheit und Toleranz gegenüber neuen und andersartigen Ideen beigetragen hat. An der maritimen Seidenstraße gelegen, befindet sich das heutige Indonesien an historisch gewachsenen Handelsrouten, die das Inselreich mit der arabischen Welt, Afrika, Europa und möglicherweise sogar mit Südamerika verbanden. Es ist das tief verwurzelte Streben nach Harmonie, dass es erst möglich gemacht hat, dass neue Ideen, Glaubenssysteme und Religionen in die Gesellschaften des Archipels Einlass erhielten und dann an die lokalen Begebenheiten, Traditionen und Vorstellungen angepasst wurden 

Religion im Öffentlichen Raum

Religion, Glaube und Spiritualität in vielen Facetten sind ein wichtiger, integrativer und nicht wegzudenkender Teil der indonesischen Gesellschaft. Dieser öffentlich gelebte Glaube ist in keiner Weise homogen, auch wenn der Islam in vielen Teilen Indonesiens die Mehrheitsreligion stellt. Denn auch der Islam ist in Indonesien nicht homogen. Der Künstler Robert Nasrullah beschreibt dieses Phänomen mit der Analogie der weißen Leinwand, die mit verschiedenen Farben bemalt wird. Durch unterschiedliche Farben, so der Künstler, kann ein schönes und bedeutungsvolles Werk geschaffen werden. Auch Künstler Fika Ariestya Sultan findet eine passende Analogie für die religiöse und spirituelle Diversität in Indonesien: die Blumenwiese, die er in seinen beiden Werken darstellt. Er schreibt: „Menschen sind perfekt wie die verschiedenen Blumen auf einer Wiese. Ihre verschiedenen Größen und Blüten machen sie schön und komplementär.“

Gotteshäuser verschiedener Religionen befinden sich in Indonesien teilweise in naher Nachbarschaft zueinander und prägen den religiösen öffentlichen Raum. Ein interessantes Phänomen stellen hierbei unter anderem die Moscheen in traditionell-javanischer Bauweise, die in Form eines pendopo, einem Pavillion-ähnlichen Gebäude errichtet auf Säulen, ohne Minarett und Kuppel gebaut worden sind. Der pendopo ist ein elementarer Bestandteil der Javanischen Architektur und ist traditionell ein Ort für Rituale und religiöse Zeremonien, wird aber auch genutzt, um Gäste zu empfangen. Der pendopo kann sowohl alleinstehen, als auch Teil eines traditionellen Javanischen Hauses sein. Er stellt ein interessantes Beispiel dar, wie die Lokalisierung des Islam in Java im öffentlichen Raum in Form von Moscheen in traditioneller Bauweise verwirklicht worden ist. Bei vielen Moscheen findet man eine Art von pendopo. Auch das typische Javanische Spitzdach, das an Tempelbauten erinnert, ist bei vielen traditionellen Moscheen in Java, aber auch in Sumatra.

Doch nicht nur Gotteshäuser, auch die Menschen selbst reflektieren Glaube und Spiritualität im öffentlichen Raum. Viele Frauen tragen Kopftücher und zeigen somit bewusst und selbstbewusst ihre Zugehörigkeit zum Islam. Auch sieht man muslimische Männer die typische Kopfbedeckung, peci, tragen. Menschen christlichen Glaubens tragen häufig ein Kreuz und auch Hindus tragen religiöse Symbole, z.B. die typischen Reiskörner auf der Stirn, die nach einem traditionellen Gebet mit Wasser angedrückt werden. Bei öffentlichen Ansprachen wird versucht, mit Begrüßungsformeln religiöse Vielfalt widerzuspiegeln; z.B. wird sowohl Assalamualaikum, die islamische Begrüßung, Salam Sejaterah, die Begrüßung für Menschen Christlichen Glauben, und Om Swastiastu für Anhänger des balinesischen Hinduismus verwendet. 

Der Künstler Suparman zeigt in seinem Werk in Lacktechnik die Vielfalt der unterschiedlichen Kulturen und spirituellen Strömungen in Indonesien in Form eines Kulturfestivals. Figuren mit traditionellen Masken und Kostümen tanzen gemeinsam in der Hauptstadt Jakarta. Im Hintergrund sieht man ein wichtiges Symbol der indonesischen Nation, das Nationaldenkmal (Monas), welches den Kampf um die Unabhängigkeit symbolisiert und auch als Symbol der Einheit der Indonesischen Vielfalt gelesen werden kann. Entworfen wurde das Monas Denkmal von Friedrich Silaban und R.M. Soedarsono. Eine allgemein vertretene Interpretation des Denkmals, entlehnt aus der hinduistischen Tradition, ist die Symbolik des Lingga, welches kosmologisch für das männliche Element steht, und Yoni, welches für das weibliche Element steht. Aus einer islam-theologischen Perspektive kann das Monas Monument meiner Meinung nach auch als die arabischen Buchstaben Alif und Ba interpretiert werden. In der Wissenschaft der Symbolik der Arabischen Orthographie steht das Alif für den Abstieg des Göttlichen Wortes aus der Welt der Göttlichen Transzendenz. Das Ba symbolisiert das aufnehmende Element in der Welt der Menschen und in der Sprache der Menschen, welche dadurch geheiligt wird (In: The Study Qur’an; Nasr, 2015: xxxiii). Der Sockel in dem rezeptiven Element kann auch als der Punkt unter dem arabischen Buchstaben Ba verstanden werden, welches den Treffpunkt der zwei Buchstaben Alif und Ba symbolisiert. Dort, wo die vertikale Ebene, die Verbindung zu Gott, und die horizontale Ebene, die Rezeption des Gotteswortes in der Welt der Menschen, zusammenkommen. Die vertikale und horizontale Ebene in Bezug auf das Göttliche und die Erfahrung des Göttlichen in dieser Welt wird auch von einigen Künstlern in dieser Ausstellung direkt oder indirekt angesprochen. 

Natur und Spiritualität

Die Natur in all ihrem Reichtum, ihrer Faszination und Bedrohung für das menschliche Leben nimmt in Indonesien eine spezielle Rolle ein. Vulkane, die Architekten der Welt, die den Menschen fruchtbare Erde schenken, das Meer, die Reisfelder, Flüsse und Flussläufe, Berge und Wälder und die reiche Tier- und Pflanzenwelt sind nicht nur Kulisse für das menschliche Leben, sondern spirituelle und öffentliche Räume von gelebtem Glauben. Die Liebe und Hochachtung für die Natur ist jedoch nicht mit Anbetung und einer Zuschreibung von göttlicher Kausalität gleichzusetzen. Von Orientalisten häufig fälschlicherweise als Animismus interpretiert, liegt der tiefen Verbindung mit der Natur ein tiefverwurzeltes, generationsübergreifendes Verständnis der ersten Säule der Pancasila zugrunde, dem Glauben an den Einen Gott. Die verschiedenen Bestandteile und Wesen der Natur werden vor allem in der javanischen Tradition als Geschwister (Jav.: sedulur) der Menschen bezeichnet, die der Mensch respektiert und von denen er lernen kann, weil sie in der kosmologischen Realität älter sind als die Schöpfung Mensch.

Das Zusammenleben und die horizontale Verbindung des Menschen mit dem Rest der Schöpfung spielt auch in dem Werk von Künstler I Wayan Legianta eine wichtige Rolle. Er erklärt, dass im balinesischen Hinduismus Gott in jedem Lebewesen durch die göttliche Seele namens Atman gegenwärtig ist. Er schreibt weiter, dass Atman als ein kleiner Funke Gottes verstanden werden kann, der jedem Lebewesen, auch dem Menschen, Leben schenkt. Deshalb, so der Künstler, ist es so wichtig, jedes Lebewesen und die Vielfalt in der Schöpfung zu achten und wertzuschätzen, denn diese Wertschätzung der Schöpfung führt zur Verherrlichung Gottes selbst. Auch Künstlerin Franziska Fennert reflektiert die horizontale Verbindung mit der Schöpfung in ihrem Werk „Heilung“ und die vertikale Verbindung zum Schöpfer. Mit ihrer Arbeit weist die Künstlerin auf die Verantwortung des Menschen gegenüber der Umwelt und allen anderen Geschöpfen hin. Ein jedes Element des Kosmos, so die Künstlerin, bezeugt die Existenz Gottes. 

Persönlicher Glaube und Spiritualität

Religion, Glaube und Spiritualität spielen vor allem auch im Leben des Einzelnen eine wichtige Rolle und reflektieren durch diese Person, ihre Taten, ihr Benehmen, ihre Interaktion, ihre Worte, etc. in die Gesellschaft hinein. So wird der öffentlichen Raum durch den einzelnen Menschen auf einer mikro-Ebene mitgestaltet. Die Künstlerin Laila Tifah zum Beispiel beschreibt den Einfluss eines jeden Individuums in der Gesellschaft in ihrer Arbeit „Nicht …“. Sie vergleicht den Menschen mit einem Eisberg, von dem nur die Spitze für alle anderen sichtbar ist. Dieser sichtbare Teil wird mit unserer Körpersprache, unserem Verhalten und unseren Handlungen und Entscheidungen gleichgesetzt. Der größte Teil des Eisberges ist unsichtbar. Dieser unsichtbare Teil bestimmt jedoch wie wir handeln, uns verhalten und Entscheidungen treffen. Das Wort ‚nicht‘ in ihrer Arbeit wird zu etwas Positiven, wenn es mit negativen Eigenschaften verbunden wird, um so die Harmonie in der Indonesischen Gesellschaft zu bewahren. Zum Beispiel, sich nicht selbstgerecht zu fühlen, andere Menschen nicht von der Anbetung abzuhalten, nicht intolerant zu sein, nicht zu unterdrücken und nicht arrogant zu sein. Der Künstler Muhammad Andik bringt einen weiteren wichtigen Aspekt in die Diskussion um Religion und Glauben in einer pluralen Gesellschaft, nämlich die religiöse Bildung. In seinem Kunstwerk „Der Murshid (Der Spirituelle Lehrer)“ reflektiert der Künstler über die Wichtigkeit eines spirituellen Lehrers für die spirituelle Entwicklung eines Menschen aus einer islamischen Perspektive.

Mit dieser Ausstellung hoffe ich, einen kleinen Beitrag zum interreligiösen Dialog und zum interreligiösen Verständnis zu leisten. Die Ausstellung ist ab November 2021 auf folgender Webseite zu sehen: http://democracyandreligion.com/de/ 

Die Ausstellungseröffnung findet über Zoom mit folgenden Daten statt:

Uhrzeit: 28.Okt..2021 03:00 PM Amsterdam, Berlin, Rom, Stockholm, Wien

https://hu-berlin.zoom.us/j/64531855276?pwd=cXc4TDdrQ3hUQnpDaHc3OUc5ZHJEdz09

Meeting-ID: 645 3185 5276
Passwort: 866106

Ein Kommentar zu “Virtuelle Ausstellung „Religion in einer Pluralen Gesellschaft: Indonesische Perspektiven“

  1. Ich empfinde die Sichtweise von AS als reichlich naiv. Der Islam dominiert den Inselstaat überall. Seit fast 25 Jahren besuche ich Indonesien regelmäßig und sehe die schleichen Islamisierung. Überall! Selbst Christen (die Frauen) in ihren Hochburgen (dito andere Religionen) gehen zu bestimmten Zeiten nur mit Hijab vor die Tür . . .weil sie Repressalien fürchten. In den späten 90ern sah man in den großen Städten kaum einen Hijab. Jetzt ist er fast allgegenwertig. Sogar Neugeborenen! wird schon einer aufgesetzt. Man vergleiche Gruppenfotos aus den verschiedenen Jahrzehnten. Der Unterschied in der Kleidung ist auffallend. (ähnlich Ägypten / Malaysia) . Ein Vermieter einer Ferienwohnung in Jakarta wollte mich (Wessi, NichtMuslim) auf die Scharia verpflichten. Das ist die Realität 2021. Der Islam ist tief verwurzelt in sämtlichen Behörden. Im Norden Sumatras gilt fast ausnahmslos die Scharia.

    “Es kann gesagt werden, dass die geographische Lage des Archipels zu Offenheit und Toleranz gegenüber neuen und andersartigen Ideen beigetragen hat.” Das ist definitv vorbei !!

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