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Wir brauchen mehr Religionslehrer

Ausgabe 313

Foto: Albayrake, Institut für Islamische Theologie Osnabrück

Der bekenntnisorientierte Religionsunterricht ist ein grundgesetzlich verankertes Recht einer jeden Religionsgemeinde in Deutschland. Dies regelt Art. 7 Abs. 3 GG. Damit ist der Religionsunterricht das einzige Unterrichtsfach, das durch das Grundgesetz garantiert ist. Von Ibrahim Aslandur

(iz). Durch die Verpflichtung der weltanschaulichen Neutralität des Staates darf keine Begünstigung einer bestimmten Religionsgemeinschaft vorgenommen werden. Dennoch steht der Religionsunterricht unter staatlicher Aufsicht und wird somit in Kooperation des Staates mit der jeweiligen Religionsgemeinschaft erteilt. 

Da die Themen „Schule“ als auch „Hochschule“ im großen Umfang Angelegenheiten der Bundesländer sind, gibt es in Bezug auf den Islamunterricht in Deutschland keine flächendeckend-einheitliche Regelung. Die Umsetzung des Islamischen Religionsunterrichts variiert von „nicht vorhanden“ über die Variante der sog. „Islamkunde“ bis hin zum „bekenntnisorientierten Islamunterricht“. Letztere ist das baden-württembergische Modell. In Baden-Württemberg lautet die offizielle Bezeichnung im Bildungsplan „Islamische Religionslehre sunnitischer Prägung“ und ist ein Resultat eines lange andauernden Modellprojekts in den Jahren 2006/2007. 

Um die religionsgemeinschaftliche Kooperation zwischen Staat und muslimischer Repräsentanz, die für die Erteilung eines bekenntnisorientierten Religionsunterrichtes notwendig ist, herzustellen, wurde im Jahre 2019 die „Stiftung Sunnitischer Schulrat“ gegründet. Diese Einrichtung, die als Stiftung organisiert ist, übernimmt die Aufgabe der muslimischen Religionsgemeinschaft und legitimiert die konfessionelle Erteilung des Islamischen Religionsunterrichts (IRU) als ordentliches Fach an öffentlichen Schulen. Die Regelung sieht vor, dass schon bei einer Nachfrage von acht Schüler:innen muslimischen Glaubens an einer Schule das Fach IRU erteilt werden muss. Indes erfolgt die Ausbildung der Lehrer:innen in Baden-Württemberg an den Pädagogischen Hochschulen in Freiburg, Karlsruhe, Ludwigsburg und Weingarten sowie der Eberhard Karls Universität Tübingen für das gymnasiale  Lehramt.

In diesem Jahr erhielt die „Stiftung Sunnitischer Schulrat“ mit Dr. Amin Rochdi auch einen leitenden Geschäftsführer und steht nun vor der Bewältigung folgender herausfordernden Aufgabe: Wie kann das Angebot der Islamischen Religionslehre an baden-württembergischen Schulen erhöht werden? Von schätzungsweise 180.000 muslimischen Schüler:innen in Baden-Württemberg werden knapp 6.000 mit dem Islamischen Religionsunterricht beschult. Prozentual ausgedrückt sind das knapp drei Prozent des gesamten Potenzials, das heißt die ganz große Mehrheit der Schüler:innen erhält derzeit keinen IRU. Die Herausforderung genügend Lehrkräfte auszubilden wird in den nächsten Jahren gewiss nicht ausschließlich mit der Betätigung eines einzigen Hebels zu bewältigen sein, sondern sie stellt eine vielschichtige Aufgabe dar, sodass verschiedene Ansätze bedacht werden müssen. 

Aber ein Faktor ist durchaus ausschlaggebend: Die Anzahl der Lehrer:innen und Anwärter auf den Beruf Islamlehrer:in ist über Jahre hinweg verhältnismäßig gering. Muslime in Baden-Württemberg können sich wahrlich nicht über den fehlenden politischen Willen beklagen oder die nicht-vorhandene Infrastruktur.

Der Standort Karlsruhe zum Beispiel, mit seinem Institut für Islamische Theologie/Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe, leistet seit 2008 eine professionelle Ausbildung und Qualifikation von Religionslehrkräften und erfüllt damit einen wichtigen Beitrag für die Verwirklichung des Religionsunterrichts in der pluralen deutschen Gesellschaft. Das Studium für die Primar- und Sekundarstufe I umfasst islamtheologische, pädagogische und didaktische Inhalte. Sie versteht ihre Aufgabe darin eine „Brücke zwischen Tradition und Moderne zu bauen“ und schafft seit mehr als zwölf Jahren einen profunden Zugang zum Islam und zur Lebenswelt der Muslime im deutschen Kontext. 

Doch auch hier in Karlsruhe ist der Ansturm der Bewerber:innen mehr als überschaubar. Die Vorbehalte junger Muslim:innen gegenüber dem Fach IRU – die im Zuge des geradezu verwirrenden öffentlichen Diskurses über die Frage, ob und wie der Islamische Religionsunterricht an öffentlichen Schulen stattfindet – halten in vielen Fällen davon ab, der Berufsperspektive Islamlehrer:in Aufmerksamkeit zu schenken. Dies wird zumindest dem Modell in Baden-Württemberg, mit Standorten wie der Pädagogischen Hochschulen in Karlsruhe, nicht gerecht.

Die Zukunftsaussichten, die Mitgestaltungsmöglichkeiten, die Einstellungschancen, der große Bedarf und die Verantwortung für das Gelingen, die im hohen Maße in den Händen der Muslim:innen liegt, sollte zumindest ein großer Anreiz sein die Berufswahl Lehrer:in mit dem Fach IRU in Erwägung zu ziehen. Für muslimische Abiturient:innen, die sich auch dieses Jahr mit der Frage „Was studiere ich?“ auseinandersetzen müssen, aber auch für Islamtheolog:innen, die sich in der schulischen Lehre sehen, bietet die Islamische Religionspädagogik in Baden-Württemberg eine gute Ausgangslage.

Der Autor ist Doktorand der Islamischen Theologie an der Eberhard Karls Universität Tübingen und Lehramtsstudent an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe.