
Nur 2,5 Prozent: In diesem Artikel soll ein Überblick über die wesentlichen islamrechtlichen Grundlagen der Zakat vermittelt werden.
Die Zakatwissenschaft ist ein Bestandteil des Fiqh und regelt sehr viele Details. Die wesentlichen Prinzipien sind auf unsere heutige Situation in Deutschland zu übertragen. Eine Folge weiterer Artikel widmet sich diesem Ansatz. Von Dr. Leila Momen
Zentrale Aspekte
Zakat, die dritte Säule des Islams, ist eine religiöse Pflichtabgabe für Wohlhabende und das Recht der Armen. Sie dient der Reinigung des Vermögens und des Herzens und fördert den verantwortungsbewussten Umgang mit Reichtum. Zur Zakat verpflichtet sind alle Muslime, deren Vermögen, das sie ein Mondjahr (Haul) lang besitzen, den Nisab (Zakat-Erhebungsgrenze) überschreitet. Der Nisab wird tagesaktuell nach dem Wert für 85 Gramm Gold bestimmt.
Im Qur’an werden acht Empfängergruppen für die Zakat (Sure 9, Vers 60) bestimmt. Im Qur’an werden diese Gruppen als Empfänger adressiert, da die Zakat dazu beitragen soll, verschiedene soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderungen und Probleme zu lösen.
Die Zakat beträgt in der Regel 2,5 % des zakatpflichtigen Vermögens, zu dem im Wesentlichen Geld, auch Kryptowährungen, Wertpapiere, Gold, Silber, Immobilien und Handelswaren gehören. Privat genutztes Vermögen wie die eigene Wohnung, Hausrat und Kleidung sind ausgenommen. Schulden können abgezogen werden. Die genaue Berechnung der Zakat erfordert eine sorgfältige Bewertung des Vermögens und der Schulden, um sicherzustellen, dass der korrekte Betrag entrichtet wird.
Es gibt keinen festgelegten Termin für die Zahlung der Zakat. Sie wird einmal im Mondjahr fällig, also alle 354 Tage.
Details & Definitionen
Die linguistische Bedeutung des arabischen Wortes Zakat ist Reinigung und Wachstum.
Fachspezifisch lässt sich die Zakat wie folgt definieren: Das Entrichten eines genau festgelegten Anteils von Vermögenswerten an berechtigte Personen unter Berücksichtigung besonderer Bedingungen.
Das arabische Wort Sadaqa kann synomym für Zakat verwendet werden und wird auch im Quran als Synomym verwendet (Sure 9, Vers 60), es kann aber auch eine andere Bedeutung im Sinne von freiwilliger Gabe bzw. Spende haben. Auf Deutsch lässt sich Zakat mit sozialer Pflichtabgabe vom Vermögen.
Ziele und Wirkungen
Die Zakat ist eine gottesdienstliche Handlung, die im Qur’an 28 Mal im Zusammenhang mit dem Gebet erwähnt wird. Die Zakat schützt vor negativen Charaktereigenschaften wie Geiz und Gier und fördert Ethik und Moral. Die Zakat fördert den verantwortungsbewussten Umgang mit Vermögen.
Die Zakat ist ein wichtiges Element einer Finanz- und Sozialordnung. Sie trägt zur Förderung des sozialen Friedens einerseits und der Wirtschaft andererseits durch die Vermeidung von Geldhorten und die Investition in produktive und gewinnbringende Projekte bei. Durch die Umverteilung des Vermögens wird die soziale Gerechtigkeit gefördert. Durch die Förderung der Wirtschaft, die auch die Schaffung von Arbeitsplätzen inkludiert, wird wirtschaftliches Wachstum und Stabilität gewährleistet. Da die Zakat dort verteilt werden soll, wo sie eingezogen wird, trägt sie zum Wohlstand der jeweiligen Kommune bzw. des jeweiligen Landes bei.
Vergleich mit Steuern
Zakat ist eine göttliche Vorschrift und eine religiöse Pflicht, während Steuern öffentlich-rechtliche Abgaben sind, die vom Staat erhoben werden. Die Höhe und Bemessungsgrundlage der Zakat sind unveränderbar, während Steuern durch Gesetzgebung angepasst werden können. Zakat ist zweckgebunden und kommt ausschließlich bedürftigen Muslimen und anderen eingegrenzten Empfängergruppen zugute, während Steuern für eine Vielzahl von öffentlichen Zwecken verwendet werden, einschließlich Infrastruktur und sozialer Dienste.
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Zakat-pflichtige Vermögenswerte
Zu den zakatpflichtigen vermehrungsfähigen Vermögenswerten gehören grundsätzlich Bargeld und Kontoguthaben, Kryptowährungen, Wertpapiere wie Aktien, Anteile an Fonds und ETFs, Immobilien (zum Handel), Handelsware, Gold und Silber, landwirtschaftliche Produkte und Viehbestand (Nutztiere).
Die Zakat beträgt in der Regel 2,5 % des Geldbetrags, des Kontoguthabens, des aktuellen Wertes der jeweiligen Kryptowährung, des Marktwertes bzw. Kurswertes der jeweiligen Wertpapieres, wenn diese mit der Absicht des kurzfristigen Wiederverkaufs erworben werden. Dasselbe gilt für Immobilien, die gehandelt werden und für Handelsware, die (per se) erworben wird, um sie wieder zu veräußern. Bei Wertpapieren mit längerfristiger Halteabsicht (Investition), wird als Bemessungsgrundlage in der Regel ein pauschaler Prozentsatz von 25 % des aktuellen Kurswertes zugrunde gelegt.
Auf selbst genutzte Immobilien ist keine Zakat zu zahlen. Dasselbe gilt für den Marktwert von vermieteten Bestandimmobilien; nur die Mieteinnahmen unterliegen der Zakat, sofern die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind.
Gemäß der Mehrheit der Rechtsschulen besteht eine Zakatpflicht für Gold und Silber nur dann, wenn diese der Investition bzw. der Kapitalanlage dienen und nicht für den persönlichen Gebrauch als Schmuck bestimmt sind. Andere Edelmetalle wie Platin sind ebenfalls grundsätzlich zakatpflichtig, wenn sie mit der Absicht der Kapitalanlage gehalten werden.
Für landwirtschaftliche Produkte und Viehbestand gelten spezielle Berechnungen sowohl im Hinblick auf die Bemessungsgrundlage der Zakat als auch den Prozentsatz.
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Voraussetzungen in Bezug auf die zakakpflichtigen Personen und das zakatpflichtige Vemögen
Zakatpflichtig ist jemand, wenn er Muslim ist, die Geschlechtsreife erlangt hat und geschäftsfähig ist (persönliche Merkmale der Zakatpflicht). Die Geschäftsfähigkeit betrachten nicht alle Rechtsschulen als Voraussetzung für die persönliche Zakatpflicht.
Vermögen ist zakatpflichtig, wenn Eigentum und Besitz (uneingeschränkte Verfügungsmacht) in Bezug auf das Vermögen besteht, das Vermögens wachstums- bzw. wertsteigerungsfähig ist und der Nisab ein Mondjahr lang überschritten wird (sachliche Merkmale der Zakatpflicht).
Sofern Kinder über Vermögen verfügen, besteht nach der Mehrheit der Rechtsschulen eine Zakatpflicht in Bezug auf dieses Vermögen; allerdings sind die Eltern bzw. der Vormund verpflichtet, die Zakat für die Kinder aus ihrem Vermögen zu entrichten.
Zakat-berechtigte Empfängergruppen
Die im Qur’an (Sure 9, Vers 60) abschließend enumerativ genannten acht Empfängergruppen umfassen Arme und Bedürftige, die Mitarbeiter der Zakat-Verwaltung, diejenigen, deren Herzen gewonnen werden sollen, unfreie Menschen, die befreit werden sollen, Schuldner, diejenigen, die auf dem Wege Allahs sind und Reisende.
Die wichtigste Empfängergruppe sind Arme und Bedürftige, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten können bzw. trotz Erwerbstätigkeit nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen. Menschen, die staatliche Unterstützung erhalten, sollten damit ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Oft geraten diese Menschen jedoch unverschuldet in eine Schuldensituation und könnten dann als Schuldner zakatberechtigte Empfänger sein. In Bezug auf die Empfängergruppe derjenigen, die auf dem Wege Allahs sind, könnten mit einer weiten Auslegung gesellschaftlich sinnstiftende Projekte durch die Zakat finanziert werden.
Die Verteilung der Zakat-Mittel kann gleichmäßig auf alle acht Gruppen erfolgen, wobei die meisten Gelehrten eine gleichmäßige Verteilung nicht für erforderlich halten. In Ausnahmefällen ist die Zahlung an eine einzige Gruppe erlaubt, wobei der Fokus auf der ersten Gruppe der Armen und Bedürftigen liegt.
Nicht-Berechtigte
Nichtmuslime, vermögende Muslime, arbeitsunwillige Muslime, Muslime, die schwere Sünden begehen, und die Familie des Propheten Muhammad (s) sowie Familienangehörige (direkte Nachkommen Kinder und Enkel, Eltern und Großeltern, Ehepartner (mit Ausnahme einer Rechtsschule)) sind nicht berechtigt, Zakat zu empfangen. Ausnahmen bestehen für Nichtmuslime, deren Herzen erwärmt werden sollen, und für die Mitarbeiter der Zakat-Verwaltung.
Lokaler Einzug und lokale Verteilung
Alle Rechtsschulen stimmen darin überein, dass die Zakat, an dem Ort verteilt werden soll, an dem sie entrichtet wird. Die Reichweite des Ortes wird jedoch unterschiedlich definiert. Die Entrichtung und Verteilung der Zakat in einem Land bzw. Staat könnte man als konsensfähige Auslegung zugrunde legen, wobei einzelne Gelehrte die Verteilung der Zakat (teilweise) in anderen Ländern als möglich erachten z.B. wenn es in dem Land, in dem die Zakat entrichtet wird, die Zakateinnahmen die Höhe der erforderlichen Zakat zur Deckung des Bedarfs der zakatberechtigten Empfängergruppen übersteigt.
Fälligkeit der Zakat
Die Zakat wird für fast alle Vermögensarten grundsätzlich nach Ablauf eines Mondjahres fällig. Bei landwirtschaftlichen Erträgen ist in der Regel aufgrund des Erntezyklus der tatsächliche Zeitpunkt der Reife als maßgeblich.
Bei erstmaliger Zahlung der Zakat gilt der erste Termin, bei dem das zakatpflichtige Vermögen den Nisab überschreitet, als erstes Datum, ab dem die Zakat-Dauerberechnung durchgeführt wird, d.h. nach Vollendung eines Mondjahres, gerechnet ab dem ersten Termin, ist die Zakat erstmals zu entrichten und ebenso in den Folgejahren zu dem Termin, wenn das zakatpflichtige Vermögen durchgehend über dem Nisab liegt. Sollte die das zakatpflichtige Vermögens den Nisab zu irgendeinem Zeitpunkt unterschreiten, wird zum Zeitpunkt des Überschreitens des Nisab ein neuer Termin festgelegt.
Sofern passend und möglich, wählen viele zakatpflichtige Muslime für ihre Zakatfälligkeit einen Tag während des Monat Ramadan, da Allah die guten Taten in dieser Zeit besonders belohnt.
In begründeten (Ausnahme)fällen ist es auch erlaubt, die Zakat für mehrere Jahre im Voraus zu entrichten, wobei eine spätere Anpassung erforderlich sein kann, wenn das zakatpflichtige Vermögen geringer oder höher als geschätzt war.
Sanktionen bei Verstoß gegen die Abgabe der Zakat
Die absichtliche Nichtbeachtung der Pflicht und die Weigerung zur Zahlung zählt zu den großen Sünden. Wird die Zakat nicht gezahlt bzw. zu niedrig berechnet und zu wenig Zakat gezahlt, muss eine Korrektur erfolgen. Nicht-berechtigte Empfänger müssen die erhaltene Zakat zurückerstatten. Bereits im Diesseits können Sanktionen z.B. durch Dürre und Hungersnot erfolgen, wie es im Qur’an beschrieben wird (Sure 9, Verse 34, 35).
Foto: Carl Davies, CSIRO | Lizenz: CC BY-SA 3.0
Zakatul-fitr
Zakatul-fitr ist eine Pflicht für alle Muslime zum Ende des Ramadan. Sie dient der Reinigung und dem Ausgleich für Verfehlungen im Monat Ramadan. Die Berechnung der Zakatul-fitr ist unabhängig vom Nisab und richtet sich nach den örtlichen Gegebenheiten. In Deutschland beträgt sie derzeit ca. 10 €. Sie kann während des gesamten Ramadan gezahlt werden, spätestens jedoch am 1. Eid-Tag vor dem Gebet, teilweise wird der Zeitraum für ihre Entrichtung enger gefasst. Nur eine Rechtsschule vertritt die Auffassung, das die Zakatul-fitr auch an bedürftige Nichtmuslime verteilt werden kann.
* Dieser Text entstand in Verbindung mit Zakat Deutschland e.V. Geplant ist in Folge eine lose Artikelreihe zum Thema.