
Sarajevo/Bonn (KNA). In Bosnien-Herzegowina bleiben nach Ansicht von Beobachtern auch 25 Jahre nach Abschluss des Friedensvertrags von Dayton viele Problem ungelöst. „Die Konstruktionsfehler des Abkommens beeinträchtigen die Entwicklung Bosniens bis heute“, kritisierte die Gesellschaft für bedrohte Völker in Göttingen. „Es hat die Spaltung des Landes entlang ethnischer Linien zementiert und eine serbische Einfluss-Sphäre geschaffen, die die Stabilität der gesamten Region bedroht.“
Zwar hätten die nationalistischen und ethnisch-dominanten Parteien bei den Kommunalwahlen am 15. November etwas von ihrer Macht eingebüßt. Trotz dieses Hoffnungsschimmers stehe Bosnien noch immer am Rande eines neuen Konflikts.
Der Vertrag von Dayton wurde am 21. November 1995 unterzeichnet. Er beendete den blutigen Bosnien-Krieg mit schätzungsweise 100.000 Toten, der sich aus dem Zerfall Jugoslawiens speiste. Das Abkommen schrieb zwei sogenannte Entitäten, die Föderation Bosnien und Herzegowina und die Republika Srpska, als Bestandteile von Bosnien-Herzegowina fest. Zugleich installierte es eine zivile und eine militärische Kontrolle, die heute vom Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina beziehungsweise von EUFOR-Truppen wahrgenommen wird.
Die Münchner Historikerin Marie-Janine Calic, eine Spezialistin für die Geschichte Südosteuropas, zog im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) eine gemischte Bilanz. Zwar habe der Vertrag Mord, Vertreibung und Zerstörung in Bosnien-Herzegowina beendet, sodass mehr als die Hälfte der rund zwei Millionen Flüchtlinge zurückkehren konnten.
Zugleich weise das Abkommen aber ein „gravierendes Versäumnis“ auf: Es erlaube den Konfliktparteien, ihre ursprünglichen Ziele mit nicht militärischen Mitteln weiterzuverfolgen. Zwischen muslimischen Bosniaken und orthodox geprägten Serben gebe es „kein gemeinsames Staatsverständnis“.
Der Hohe Repräsentant Valentin Inzko betonte dagegen im Vorfeld des 25-Jahr-Jubiläums die positiven Folgen des Vertrags für das Leben vieler Einwohner von Bosnien-Herzegowina. Vor allem habe das Abkommen der Region Frieden gebracht, so der österreichische Diplomat, der seit 2009 im Amt ist. Gleichwohl fehle es gerade jungen Menschen an Perspektiven. Die wichtigsten politischen Parteien seien „in ein System aus Korruption und Vetternwirtschaft“ verstrickt.