Anerkannte Diktatur: Amnesty-Bericht prangert Folter in usbekischen Haftanstalten an. Von Paula Konersmann

Schläge, simuliertes Ersticken, Vergewaltigungen: Folter ist in Usbekistan an der Tagesordnung. Amnesty International fordert die Staatengemeinschaft zum Handeln auf – Deutschland im Besonderen.

Berlin (KNA). Wenn Zuhra morgens aus dem Fenster sieht, hält sie Ausschau nach einem Auto. „Wenn ein Auto vor unserer Tür steht, beginnen unsere Herzen gleich schneller zu schlagen“, sagt sie. Doch nicht in freudiger Erwartung: „Unsere Herzen sind brüchig geworden“, sagt die Frau aus Usbekistan, „es gibt keinen Frieden in unserem Haus.“ Zuhra weiß, wovon sie spricht. Nachdem zwei männliche Verwandte in den Verdacht gerieten, einer verbotenen „Islamisten“-Gruppe anzugehören, wurde auch sie verhaftet. Schon vor ihrer Befragung wurde Zuhra geschlagen. Sie hörte die Schreie von anderen Gefängnisinsassen. Sie sah Blut fließen. Sie hörte Knochen splittern.

Folter prägt das Justizsystem in Usbekistan. Amnesty International bezeichnet die Lage in dem zentralasiatischen Land in einem neuen Bericht als untragbar. Folter, heißt es darin, sei allgegenwärtig bei Festnahmen und Gefängnisaufenthalten, bei Untersuchungshaft und dauerhaftem Arrest, vor und nach rechtskräftigen Gerichtsurteilen. Laut den über 60 Interviews, die Amnesty für den Bericht geführt hat, wird Folter vor allem eingesetzt, um Geständnisse zu erzwingen. Ebenso würden Menschen jedoch gleich nach einer Festnahme misshandelt.

Das muslimisch geprägte Land ist weit weg. 5.200 Kilometer liegen zwischen Berlin und der usbekischen Hauptstadt Taschkent. Dennoch ist Deutschland als einer der Hauptabnehmer von Erdgas ein wichtiger Handelspartner für Usbekistan. 55 deutsche Firmen haben Vertretungen vor Ort, darunter Banken und Siemens. Zudem unterhalten beide Länder gute militärische Beziehungen.

Daneben ist Usbekistan ein wichtiger Partner der USA im Kampf gegen den Terror und fühlt sich von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) zunehmend bedroht. Daher trifft Folter laut Amnesty seit rund 15 Jahren zunehmend Menschen, denen Delikte im Zusammenhang mit Terrorismus vorgeworfen werden. Das betreffe Mitglieder verbotener Gruppierungen, Muslime, die nicht staatlich überwachte Moscheen besuchen und „alle, die eine Bedrohung für die nationale Sicherheit sein könnten.“ Auch Menschenrechtler und Regierungskritiker werden häufig schikaniert. Es könne letztlich jeden treffen, der der Regierung missfalle, erklärt der Amnesty-Direktor für Zentralasien, John Dalhuisen: „Niemand kann den Fängen des Staates entkommen.“

Amnesty wirft der internationalen Staatengemeinschaft vor, aus geostrategischen Gründen nicht entschieden genug gegen Menschenrechtsverletzungen vorzugehen. „Regionale Sicherheit, Energieversorgung und der gemeinsame Anti-Terror-Kampf haben allmählich Menschenrechtsbelange und Bürgerrechte auf der politisch-militärischen Agenda überlagert“, heißt es. Das gelte besonders für Deutschland, das zwar seit Jahren eine Verbesserung der Menschenrechtslage fordert. Doch die Regierung „scheint sich mehr um geschäftliche Angelegenheiten zu sorgen“, so Dalhuisen.

Die Lage wird dadurch erschwert, dass Folter in Usbekistan offiziell verboten ist. Im November 2014 forderte der UN-Menschenrechtsausschuss das Land auf, zu berichten, welche Maßnahmen zur Abschaffung der Folter tatsächlich ergriffen wurden. Im selben Monat wurden einer Delegation von Human Rights Watch die Besuche bei Gefangenen verwehrt.

In anderen Fällen begleiteten Sicherheitskräfte ständig die Besichtigungen von Diplomaten und Nichtregierungsorganisationen in Haftanstalten. Mindestens 15 Personen wurden in den Jahren 2013 und 2014 nicht von Europa nach Usbekistan abgeschoben, da sie dort der Gefahr von Folter ausgesetzt waren.

Die internationale Staatengemeinschaft müsse also darauf drängen, dass das Folterverbot in Usbekistan eingehalten werde, so Amnesty. Sinnvoll könne dafür auch das Bereitstellen technischer Mittel sein oder die Einrichtung eines unabhängigen Gremiums, an das Folteropfer sich wenden könnten.

Die usbekische Regierung solle erwägen, einen UN-Sonderberichterstatter zu Untersuchungen einzuladen. Alles andere, so die Menschenrechtler, wäre kurzsichtig und „ein schlechter Dienst für die tausenden von Opfern, die in Usbekistans Folterkammern dahinsiechen“.

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