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Bereits vor der letzten Gewalt standen Palästinenser vor vielen Problemen

Ausgabe 312

Foto: Khaled Alashqari | IPSPaläst

Angesichts der Kontrolle, die Israel über das Leben der Palästinenser ausübt, steht es in der Pflicht, beispielsweise in der Pandemie angemessen zu helfen. Von Samira Sadeque

(IPS). Die Gewalt und militärischen Gefechte der letzten Wochen haben erneut ein grelles Schlaglicht auf die Lage der palästinensischen Zivilbevölkerung geworfen. Als die vorherige US-Regierung ihre Hilfen einstellte, waren die Folgen für die Bevölkerung in den palästinensischen Gebieten enorm. Betroffen davon wurde auch das Gesundheitssystem – insbesondere in der Pandemie.

Die Entscheidung der Regierung Trump, die Unterstützung für das Hilfswerk der Vereinten Nationen (UNRWA) zu kappen, habe während der Coronavirus-Pandemie zu erheblichen Härten für palästinensische Flüchtlinge geführt. Das gelte vor allem für Gaza, wo die Mehrheit der Bevölkerung Flüchtlinge sind und die Armut aufgrund der israelischen Blockade grassiert, erklärte Khaled Elgindy, Dozent am Middle East Institute (MEI), gegenüber IPS.

Elgindy, der auch Programmdirektor für palästinensische sowie palästinensisch-israelische Angelegenheiten beim MEI ist, nahm an einer UN-Veranstaltung zur Lage palästinensischer Flüchtlinge teil. Dabei kamen verschiedene Sprecher zusammen, um sich über die gegenwärtige Lage dieser Menschen auszutauschen, die derzeit vor verschiedenen Herausforderungen stehen: die Covid-19-Pandemie, Armut sowie der „anhaltende Konflikt“, der bereits vor der Seuche stand.

Die Notlage der Gemeinschaft am Schnittpunkt einer globalen Pandemie und eines massiven Konflikts wurde in einer Geschichte, die Philippe Lazzarini, der Generalkommissar des UNRWA, auf dem Podium erzählte, ergreifend dargestellt. Lazzarini sagte, er sehe „wachsende Verzweiflung“ in den Flüchtlingslagern der gesamten Region und war bei seinen jüngsten Besuchen in Lagern im Westjordanland, Gaza, Jordanien, Libanon und Syrien alarmiert.

Er berichtete von einem jüngsten ­Besuch im Südlibanon. Ein Flüchtling habe ihm dort gesagt, er frage sich ständig, ob er an Covid-19, Hunger oder am Versuch sterbe, das Mittelmeer zu überqueren. „Die Menschen kämpfen mit ihrem Alltag, um zurechtzukommen. Ihren Familien täglich eine Nahrung zu ermöglichen, ist eine große Herausforderung“, so Lazzarini. „Niemand sollte sich so ­verzweifelt fühlen.“

Gwyn Lewis, Direktorin der UNRWA-Aktivitäten in der Westbank, unterstrich die gravierenden sozioökonomischen Fragen, vor denen Palästinenser stünden. „Mit der Pandemie haben wir ziemlich dramatische Auswirkungen auf die Wirtschaft gesehen. 40 Prozent der Haushalte im Westjordanland sahen ihr Einkommen um mehr als die Hälfte sinken. ­Arbeitslosigkeit stieg in Lagern um bis zu 23 Prozent. In Gaza hat sie 49 Prozent erreicht, was sehr, sehr dramatisch ist.“ Lewis Befürchtungen wurden von anderen Diskussionsteilnehmern bekräftigt.

Yara M. Asi arbeitet als Doktorandin der Universität von Zentral-Florida. Sie sagte, dass die Palästinenser, die bereits vor der Pandemie in einer schweren Lage waren, stark durch die wirtschaftlichen Verluste von Lockdowns getroffen wurden. „Sobald die Pandemie zuschlug, war die Wirtschaft jeweils über Wochen geschlossen. Alle Treffen wurden abgesagt inklusive Hochzeiten, die eine wichtige Branche in den Sommermonaten sind.“

Es bestehen auch Sorgen darüber, dass die Menschen nicht ausreichend Impfstoffe erhalten und darüber, wie das ihren Lebensunterhalt beeinträchtigen wird. „Die Pandemie ist noch nicht vorbei und sie haben keine nennenswerte Impfkampagne, sodass die wirtschaftlichen Schäden viel größer werden könnten“, befürchtet Asi. „In der Zwischenzeit hat Israel seine Pflichten als Besatzungsmacht während der Pandemie vernachlässigt und nur einige Lieferungen von Masken und Testkits und dann eine nominelle Anzahl von Impfstoffen bereitgestellt.“

Für Hamada Jaber vom Palästinensischen Zentrum für Politik- und Demografieforschung bestehe die größte ­Herausforderung bei diesem Thema ­darin, ausreichend Impfstoffe für alle Bürger zu sichern, die sie haben möchten. „Bisher scheint die Autonomiebehörde daran gescheitert zu sein, Vakzine zu ­gewährleisten. Und selbst die kleinen Mengen, die sie hat, konnte sie nicht auf eine transparente Weise erwerben.“

Als Folge der US-Entscheidung wurde die Finanzierung für Krankenhäuser in Ostjerusalem fallengelassen. „Natürlich bekommen Menschen auch während der Pandemie noch Krebs, haben riskante Schwangerschaften und erleben eine ganze Reihe an gesundheitlichen Problemen.“