Berliner Syrienkonferenz will Aufnahmestaaten stärker unterstützen

BERLIN (KNA) Rund 3,2 Millionen syrische Flüchtlinge suchen inzwischen in den Nachbarstaaten vor dem brutalen Bürgerkrieg im eigenen Land Schutz. Und die Grausamkeiten der Terrororganisation „Islamischer Staat“ treiben täglich weitere Menschen in die Flucht. Vor diesem Hintergrund einigten sich am Dienstag in Berlin Vertreter von 30 Staaten und internationalen Organisationen darauf, künftig nicht nur die Flüchtlinge humanitär zu unterstützen, sondern auch den Hauptaufnahmestaaten unter die Arme zu greifen.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hatten unter dem Eindruck von Besuchen in der Krisenregion zu dem Treffen geladen. Sie sagten zum Abschluss der Konferenz bis 2017 weitere Hilfen in Höhe von insgesamt rund 640 Millionen Euro zu. Damit machten sie zugleich deutlich, dass nicht mit einem raschen Ende des Konflikts zu rechnen ist. Eindringlich warnte Steinmeier vor einer weitere Destabilisierung der ohnehin fragilen Aufnahmestaaten.

So war die Zusammenkunft auch ein Weckruf. Denn sollten Staaten wie der Libanon tatsächlich scheitern und in den Konflikt hineingezogen werden, hätte dies nicht nur unabsehbare Konsequenzen für den Nahen und Mittleren Osten, sondern auch für Deutschland, die EU, ja für den Weltfrieden, wie der Hochkommissar des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Antonio Guterres, deutlich machte.

Auch drei Jahre nach Beginn des Konflikts setzt die internationale Staatengemeinschaft weiterhin auf die Aufnahmebereitschaft der Anrainerstaaten – nicht zuletzt viele EU-Staaten. Steinmeier warb deshalb um eine „Perspektivenerweiterung“. Es könne nicht ausschließlich um die humanitäre Versorgung der Flüchtlinge gehen. „Wir müssen uns auch in ganz besonderer Weise um die Stabilität der Aufnahmeländer kümmern.“

Der jordanische Außenminister Nasser Judeh verlangte von der Staatengemeinschaft, sein Land zu unterstützten, wenn es von ihm verlange, die Flüchtlinge stellvertretend aufzunehmen. Wie die Vertreter der Türkei, Jordaniens oder Ägyptens machte er keinen Hehl daraus, dass bisher zwar viel zugesagt, aber wenig geleitet werde: Den größten Teil der Last trügen ihre Staaten.

Würde Deutschland im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung ebenso viele Flüchtlinge wie der Libanon aufnehmen, wären es nicht 70.000 – wie bislang -, sondern zwei Millionen, rechnen Hilfsorganisationen vor. Und der stellvertretende türkische Außenminister Naci Koru verwies darauf, dass sein Land allein mit den 200.000 Flüchtlingen aus Kobane mehr Schutzsuchende aufgenommen habe als die gesamte EU. Von den vier Milliarden Dollar, die sein Land für die Versorgung der insgesamt 1,2 Millionen Flüchtlinge aufbringe, habe die internationale Gemeinschaft gerade mal 250 Millionen übernommen.

Die Infrastruktur vieler Gemeinden droht unter der humanitären Herausforderung offenbar völlig zusammenzubrechen. In Jordanien hat sich laut Judeh die Zahl der Schüler verdoppelt, die Belegung der Krankenhäuser ist durch die zusätzliche Versorgung um bis zu 250 Prozent gestiegen. Vor allem aber sei die Wasserversorgung in dem Wüstenstaat akut gefährdet.

Auch das instabile Ägypten stößt an seine Grenzen: Über 70 Prozent der Hunderttausenden schulpflichtigen Flüchtlinge besuche ägyptische Schulen, so der ägyptischer Vizeaußenminister Abdelrahman Salah. Neben dem Druck auf die Volkswirtschaft verschärfen sich die Spannungen in der Bevölkerung. Bei hoher Arbeitslosigkeit, wachsender Konkurrenz um Arbeitsplätze, sinkenden Löhnen und steigenden Mieten wachse der Unmut.

Einig waren sich alle Konferenzteilnehmer, dass es für die Krise weder eine humanitäre noch eine militärische, sondern nur eine politische Lösung gibt. Sie ermutigten den Sonderbeauftragten des UN-Generalsekretärs für Syrien, Staffan de Mistura, zu weiteren Anstrengungen. Erneute Friedensverhandlungen sind aber nicht in Aussicht. Die Anrainerstaaten müssen sich also auf eine längerfristige Aufnahme der Flüchtlinge einrichten. Es hängt wesentlich von der internationalen Gemeinschaft ab, ob sie dies schaffen. Andernfalls wären die Konsequenzen unabsehbar – auch dies machte die Konferenz deutlich.