
Zeid Raad Al Hussein, UN-Hochkommissar für Menschenrechte, enthüllte die Details der jetzigen Ereignisse. Er griff den „zynischen Trick“ der Regierung an, jenen die Rückkehr zu erlauben, die einen Nachweis ihrer Staatsbürgerschaft hätten. Dabei wird diese den muslimischen Rohingya systematisch verweigert.
(IPS). Während Hunderttausende Rohingya vor der Gewalt aus dem burmesischen Staat Arakan fliehen, sind Tausende, die im Land bleiben, durch Massengewalt gefährdet, die ein bisher nicht gesehenes Maß erreicht hat. Seit dem erneuten Ausbruch von Gewalt am 25. August, als eine bewaffnete Gruppe namens ARSA Armeeposten attackierte, sind über 370.000 muslimische Rohingya ins benachbarte Bangladesch geflohen. Tausend weitere blieben an der Grenze gefangen zurück.
„Das ist die schlimmste Lage, die ich je gesehen habe. Und ich befürchte, dass es die schwerwiegendste sein wird, welche die internationale Gemeinschaft in so kurzer Zeit beobachten kann“, sagte UN-Sonderberichterstatterin für Burma, Yanghee Lee. Inmitten der Massenflucht Tausender vor Gewalt und Verfolgung sorgt sich Lee insbesondere um die im Land verbliebenen Rohingya. Obwohl die Regierung wiederholt Missbräuche leugnet, seit es seine Antiterroroperationen gegen „extremistische Terroristen“ begann, berichten viele Beobachter vom systematischen Vorgehen der Sicherheitskräfte..
Die 32-jährige Momena berichtete der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, dass sie geflohen sei, nachdem Soldaten in ihr Dorf eindrangen. Nach deren Abzug sagte sie, seien fünfzig tote Einwohner inklusive Kinder und Ältere mit Messern oder durch Schüsse ermordet worden. „Mein Vater war unter den Toten. Ihm wurde der Hals durchgeschnitten. Ich war nicht in der Lage, ihn rituell zu beerdigen, sondern floh einfach nur“, berichtete sie.
Yasin Ali, 25 Jahre alt, berichtete von Sicherheitskräften, die sein Dorf attackierten. Sie schossen unterscheidungslos auf die Menschen und zwangen Einwohner zur Flucht. Er sagte der Organisation, dass ein über dem Dorf kreisender Hubschrauber etwas über der Siedlung abwarf, worauf sie Feuer fing.
Mit Hilfe von Satellitenbildern konnte Human Rights Watch 21 unterschiedliche Orte ausmachen, die verbrannt wurden. Eine dieser Abbildungen zeigt die Zerstörung von 450 Gebäuden in den mehrheitlich von Rohingya bewohnten Gebieten von Maungdaw, während andere Teile unbeschadet blieben. Mit 700 verbrannten Häusern wurde Chein Khar Li, ein muslimisches Dorf, beinahe komplett zerstört. Yanghee Lee erzählt von ähnlichen Berichten auf ihrer Untersuchung nach Gewaltausbrüchen im Oktober 2016, als das Militär des Landes nach Angriffen auf Grenzposten ähnlich agierte.
Das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte stellte fest, dass Hunderte Häuser, Dörfer und Moscheen von Rohingya gezielt niedergebrannt wurden. Augenzeugen beobachteten, dass Gebäude von Buddhisten unberührt blieben. Es hält fest, dass diese Angriffe höchstwahrscheinlich auf „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ verweisen. Burmas Regierung wies diese Vorwürfe zurück. Sie erklärte gegenüber Lee, die Bewohner hätten ihre Siedlungen selbst abgefackelt. Eine Erklärung, die allgemeinen Einzug in die offizielle Rhetorik gefunden hat.
Während beißender Rauch von brennenden Dörfern aufsteigt, der von der Grenze zu Bangladesch sichtbar ist, erklärt Akshaya Kumar, stellvertretende Direktorin des HRW-Büros bei den UN, dass das Ausmaß der diesjährigen Gewalt enorm ausgeweitet wurde. Dieses Mal brennen, so Kumar, die betroffenen Gebiete fünf Mal länger als im Oktober 2016. UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Ra’ad al-Hussein forderte die burmesische Regierung auf, ihre „grausamen“ Operationen zu beenden und das „Muster“ der Diskriminierung der Rohingya endlich aufzugeben.
Neben der direkten Bedrohung von Gewalt kommen die Gefahren einer enormen Lebensmittel- und Gesundheitskrise hinzu. Vor dem Gewaltausbruch blockierte die burmesische Regierung internationale Hilfslieferungen und schnitt jede Unterstützung von Rakhine und seinen Menschen ab. Das World Food Programme (WFP) berichtete Anfang September, dass es seit Mitte Juli nicht mehr in der Lage sei, Lebensmittel im nördlichen Teil der Provinz zu verteilen. Das habe insgesamt 250.000 vertriebene und verletzliche Menschen von regelmäßigen Lebensmittellieferungen abgeschnitten. „Tausende, vielleicht Zehntausende sitzen wahrscheinlich in Gebieten, die weit von der Grenze entfernt liegen, in der Falle“, berichtete ein Sprecher der Hilfseinrichtung OCHA. Es gelinge ihnen nicht, sichere Gebiete zu erreichen. Das WFP befürchtet, dass über 80.000 Kinder in den kommenden 12 Monaten unter akuter Mangelernährung leiden werden.
„Während Politiker das Feuer der Fremdenfeindlichkeit anheizen und Gemeinschaften gegen die Rohingya-Bevölkerung mit einer Antiterror-Rhetorik aufhetzen, sind insbesondere die im Land vertriebenen Rohingya ganz besonders gefährdet. Gerade, weil sie niemanden haben, der sie schützt“, fasst Akshaya Kumar die Lage zusammen.