Das Massaker an Zivilisten unterminiert Afghanistaneinsatz noch weiter

Ausgabe 202

(Russia Today). Nach dem nächtlichen Amoklauf eines US-Soldaten am 11. März im Dorf Najib Yan kamen weitere, erschreckende Einzelheiten ans Tageslicht. Bei dem ­blutigen Verbrechen starben 16 afghanische Dorfbewohner, darunter befanden sich neun Kinder. Zeugen des Massakers berichteten, dass entgegen anderslautender Meldungen mehrere betrunkene US-Soldaten beteiligt waren.

Anwohner des Dorfes, in dem die Morde stattfanden, sagten aus, dass sie nach Mitternacht von Gewehrschüssen geweckt wurden: „Alle waren ­betrunken und schossen im ganzen Dorf um sich“, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters den Dorfbewohner Agha Lala. ­Lalas Nachbar Haji Samad verlor bei dem Amoklauf seine gesamten elf Angehöri­gen, darunter Kinder und Enkel. Er berichtete, wie US-Marines ­“Chemikalien über die Leichen gossen und verbrann­ten sie“. Der 20-jährige Jan Agha sagte aus, dass das Gewehrfeuer „ihn aus dem Schlaf riss“. Er befand sich im ­Zentrum der erschreckenden Schießerei und war Zeuge, wie sein Vater erschossen wurde, als dieser aus dem Fenster blickte, um nachzuschauen, was vor sich ging. Offizielle afghanische und US-ameri­kanische Berichte besagten, dass der Amoklauf die Tat eines Einzeltäters, des US-Soldaten Robert Bales, gewesen sei. Die Aussagen der Dorfbewohner sowie ein Untersuchungsteam afghanischer Parlamentsabgeordneter widersprachen. Sie legen den Schluss nahe, dass mehre­re Soldaten an dem Verbrechen beteiligt waren.

Das afghanische Parlament bezeichnete den Amoklauf als „barbarisch“ und verlangte Gerechtigkeit. Es forderte ein öffentliches Verfahren. Die Afghanen hätten keine Geduld mehr mit der Art und Weise, wie sich die US-geführten Koalitionstruppen in ihrem Land aufführten.

Die Forderung nach einem Verfahren vor einem afghanischen Gericht widerspricht der üblichen Praxis im Umgang mit US-Militärs. Die USA erlauben keine Strafverfolgung ihrer Soldaten durch lokale Gerichte. Straffällige Soldaten werden ausschließlich vor US-Militärtribunals angeklagt. Sowohl Vertreter der US-Einheiten als auch der NATO verurteilten die Gewalt und versprachen eine schnelle Aufklärung. Als Reaktion wurden die westlichen Einheiten in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt, nachdem die Taliban auf einer Webseite im ­Internet „Rache“ ankündigten. Aus Furcht vor gewaltsamen Demonstrationen und Ausschreitungen entsandten afghanische Behörden zusätzliche Polizei- und Armeeeinheiten in die Umgebung der Provinzhaupt­stadt Kandahar.

Seit geraumer Zeit entwickelt sich die Anwesenheit der ISAF-Truppen zu einem PR-Albtraum, vor dem die betroffenen Regierungen nicht mehr ihre Augen verschließen können. Es kam zu mehreren Skandalen, die von westlichen Soldaten verursacht wurden. Ende Februar posierten US-Scharfschützen vor einer Flagge mit SS-Insignien. Im Januar kursierte ein Video im Internet, dass US-Marines zeigte, die die Leiche eines getöteten Afghanen schändeten.