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Deportationsszenarien: Politik reagiert empört

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Nach Bekanntwerden von Potsdamer Deportationsszenarien reagieren Teile der Öffentlichkeit alarmiert. Sie fühlen sich an die NS-Zeit erinnert.

Berlin (dpa, iz). Das Treffen radikal rechter Kreise mit Extremisten und AfD-Funktionären in Potsdam hat unter den anderen Parteien die Besorgnis wegen des wachsenden Einflusses der AfD verstärkt. Führende Politiker sehen ein Alarmsignal und fordern mehr Engagement der Bürger.

Rechtsextreme formulierten zukünftige Deportationsszenarien

Bei dem Treffen in einer Villa stellte der Vordenker der rechtsextremen Identitären Bewegung, der Österreicher Martin Sellner, Konzeptideen zur „Remigration“ vor, wie er der Deutschen Presse-Agentur bestätigte.

Der AfD-Berater von Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel, Roland Hartwig, hatte nach Angaben eines Weidel-Sprechers vorab keine Kenntnis von Sellners Auftritt, obwohl dieser in der Einladung angekündigt war. Sachsen-Anhalts AfD-Fraktionschef Ulrich Siegmund war anwesend, wie er Correctiv bestätigte, ebenso – nach eigenen Angaben erst später – der Potsdamer AfD-Kreisvorsitzende Tim Krause.

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Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr sieht Parallelen zum Nationalsozialismus. „Die Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen erinnern an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte“, schrieb er auf der Internet-Plattform X. Die vom Medienhaus Correctiv angeführte Recherche „zeigt, dass die AfD die Demokratie und unsere freiheitliche Grundordnung zutiefst ablehnt“.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann riefen Bürgerinnen und Bürger zum Engagement gegen die AfD auf. „An alle gerichtet, die nicht wollen, dass sich Geschichte wiederholt, appelliere ich: Bekennen Sie Farbe, und überlassen Sie das Feld nicht den Menschenfeinden“, sagte er der Funke-Mediengruppe.

Haßelmann mahnte auf X: „Unsere Demokratie, unsere Freiheit, unser Grundgesetz und die Errungenschaften unserer vielfältigen Gesellschaft müssen wir verteidigen gegen die Feinde der Demokratie. Das ist hoffentlich spätestens jetzt vielen Menschen klar.“

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Kanzler ruft zu „Zusammenstehen“ auf

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat auf Berichte über ein Treffen rechter Politiker und Aktivisten in Potsdam mit einem eindringlichen Appell reagiert. „Dass wir aus der Geschichte lernen, das ist kein bloßes Lippenbekenntnis. Demokratinnen und Demokraten müssen zusammenstehen“, schrieb der Kanzler auf X. Wer sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richte, sei ein Fall für Verfassungsschutz und Justiz.

„Wir lassen nicht zu, dass jemand das ‘Wir’ in unserem Land danach unterscheidet, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht“, kommentierte Scholz. Er fügte hinzu: „Wir schützen alle – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder wie unbequem jemand für Fanatiker mit Assimilationsfantasien ist.“

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Politikforscher Botsch: Das Schlagwort „Remigration“ – AfD hat Identitäre integriert

Unter dem Begriff „Remigration“ verstehen Fachleute die Rückkehr von Menschen, die geflohen oder eingewandert sind, in ihre Herkunftsländer. Sellner schrieb der dpa in einer E-Mail, sein Vorschlag umfasse „nicht nur Abschiebungen, sondern auch Hilfe vor Ort, Leitkultur und Assimilationsdruck“. Er habe eine „Musterstadt“ vorgeschlagen, „die als Sonderwirtschaftszone in Nordafrika gepachtet und organisiert werden könnte“.

Die rechtsextreme Identitäre Bewegung ist aus Sicht des Potsdamer Politikwissenschaftlers Gideon Botsch weitgehend in der AfD aufgegangen. Seit dem Einzug der AfD in die Parlamente 2018/19 spiele die Identitäre Bewegung in Deutschland keine Rolle mehr, sagte Botsch am Donnerstag im Inforadio des RBB.

Das Label sei vielmehr in das Umfeld der AfD gewandert. Der Politikwissenschaftler leitet das Zentrum für Antisemitismus- und Rechtsextremismusforschung am Moses Mendelssohn Zentrum der Universität Potsdam.

„Wenn wir gucken, was identitäre Aktivisten heute tun und wo das identitäre Gedankengut sich heute findet, dann müssen wir in die Flure der Parlamente gucken, in die Flure der AfD-Fraktion“, sagte Botsch. Dort säßen die Anhänger dieser Bewegung in den Mitarbeiterbüros der AfD-Abgeordneten. Auch bei der Parteijugend Junge Alternative seien Sprache und Aktionsformen der Identitären sehr präsent.

Ein Kommentar zu “Deportationsszenarien: Politik reagiert empört

  1. Wie sehen diese Pläne konkret aus? „Remigration“ klingt harmlos und lässt auch den Gedanken an die Menschen zu, die hier unglücklicher sind als da, wo sie hergekommen sind. Es gibt Rückkehr- und Starthilfeprogramme in Deutschland, die eine „Remigration“ schon heute unterstützen, sie schmeißen allerdings niemanden raus. Ist also das der Unterschied? Dann hätte ich den gerne genau benannt. Hier die Guten, die gar nichts machen, und da die bösen Nazis, derartige Pauschalisierungen treiben den Rechten die Wähler direkt in die Arme, weil sie damit ungehindert ein Thema okkupieren können, das eigentlich alle angeht und in Wirklichkeit auch von sehr vielen gesehen wird.

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