Der jordanische Taxifahrer – Eindrücke von Hafssa El-Bouhamouchi

(iz). Die arabische Welt ist zwar bekannt für ihre Herzlichkeit, einen offenen und freundlichen Umgang und eine unverwechselbare Gastfreundschaft, doch erwartet man diese in der Regel nicht im Straßenverkehr. Der jordanische Taxifahrer bildet hier eine große Ausnahme. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel, aber steigt man in ein Taxi in Amman, so werden sich vier von fünf Taxifahrern aufrichtig über ihre Anwesenheit freuen.

Doch beginnen wir am Anfang; das jordanische Taxi unterscheidet sich zunächst in Linien- und gewöhnliche Taxen, welche sich durch eine Plakette auf dem Auto kenntlich machen. Das Linientaxi wird sie nur dann zu ihrem Zielort führen, wenn dieser auch auf der entsprechenden Linie liegt. Ist dies nicht der Fall, wird der Taxifahrer mit Verweis auf die Plakette entschuldigend abwinken.

Finden Sie in den überfüllten Straßen Ammans nun ein gewöhnliches Taxi, werden Sie auch in diesem Falle den Taxifahrer fragen müssen, ob er ihren Zielort befährt, denn nicht alle Taxen fahren über weitere Strecken. Es liegt nun der Glücksfall vor und Sie finden ein Taxi, das Sie zu ihrem Zielort führt. Sie steigen ein und werden mit „Marhaba“ und „Ahlan“ begrüßt.

Da bereits aus dem erfragenden Gespräch deutlich geworden ist, dass Sie ganz offensichtlich nicht aus Amman stammen, wird der Fahrer das Gespräch mit der Frage einleiten, woher sie denn kommen. Gingen wir nun davon aus, sie sind Deutsch, muslimisch und haben eine Migrationsgeschichte. Nennen sie ihre Nationalität, den Ursprung ihrer Wurzeln? Eine verzwickte Situation, denn wenn sie nun sagen sie seien deutsch, ihr Erscheinungsbild sich jedoch nicht durch blonde Haarpracht und blaue Augen auszeichnet, so wird der Fahrer sie zunächst einen Moment verdutzt mustern.

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Doch im selben Moment wird er auch seine Freude über ihre Anwesenheit mit den Worten „aaah…almaniyaa, mumtaaaz!“ ( was so viel heißt wie, oh sie sind aus Deutschland, das ist wirklich toll!) zum Ausdruck bringen. Sie werden in Jordanien willkommen geheißen und es wird über Deutschlands einwandfreies System geschwärmt. Nun kommt die unumgängliche Frage: Wieso sprechen sie denn so ein akzentfreies – wenn auch gebrochenes – Arabisch, wenn sie aus Deutschland kommen.

Sich über Integrationsdebatten in Amman auf Arabisch zu unterhalten, ist bei weitem kein leichtes Unterfangen. Doch wenn dem Fahrer erst einmal klar geworden ist, dass es sich bei ihnen um ein Individuum handelt, dessen Wurzeln in Afrika, Asien oder dem arabischen Raum liegen, das in Deutschland lebt und nun in Amman in seinem Taxi sitzt, sind sie wirklich von besonderem Interesse.

Es entfaltet sich ein lebhaftes Gespräch über hybride Identitäten, bei welchem sie – vorausgesetzt das Interesse ihrerseits liegt vor – erfahren werden, dass es sich bei dem Fahrer um einen jordanischen Jordanier (ana urdunii urdunii), einen Jordanier mit palästinensischen Wurzeln oder einen Syrer, Iraker etc. handelt. Die Differenzierung ist mindestens genau so relevant wie jene in Deutschland noch immer gezogene Grenzlinie zwischen ethnischen Deutschen und Deutschen, die eine Migrationsgeschichte vor- oder hintergründig mit sich tragen.

Ebenso wird der Fahrer seine (Wahl-) Heimat preisen, Ihnen Orte vorschlagen, die sie unbedingt besuchen sollten und Ihnen von seinem Leben erzählen; sie werden hochqualifizierte Studenten finden, die sich etwas dazu verdienen, Familienväter, die ihnen stolz Fotos ihrer Kinder vorführen, liebenswerte in das Alter gekommene Herren, die ihnen voller Inbrunst versichern, dass Amman eine sichere Stadt ist… die Liste ließe sich endlos weiterführen.

Oftmals werden Sie auch gefragt, ob Sie denn des Öfteren das Taxi nutzen, was in Jordanien in der Regel der Fall ist, da die Entfernungen immens sind und die öffentlichen Verkehrsmittel nicht alle Strecken befahren. Die etwas komisch anmutende Frage wird so gleich vom Fahrer durch den Zusatz ergänzt, dass er alle Strecken in Amman abfährt und im gleichen Atemzug wird er Ihnen seine Handnummer nennen, sodass sie stets ein Taxi zur Verfügung haben.

Am Ende ihrer Fahrt zahlen sie den auf der Anzeige (´I3dad) in roten Zahlen leuchtenden Preis und sollten Sie ein großzügiges Trinkgeld geben (sie sollten ohnehin ein Trinkgeld geben, da Serviceleistungen in Jordanien in der Regel mit 10 Prozent extra vergütet werden), so werden sie mit Segenswünschen und dem Besten für den Tag, die Woche, Ihrem Vorhaben in Jordanien und ihre Zukunft überschüttet.

Das jordanische Großstadttaxi bildet einen Mikrokosmos arabischer Gastfreundschaft. Sie betreten zwar nicht das Haus der Person, doch sobald sie in dieses Auto steigen, werden sie entweder eine koranische Rezitation, arabische Popmusik oder die neuesten Nachrichten vernehmen. Ebenso werden sie gefragt, ob es denn in Ordnung sei, wenn der Fahrer im Auto raucht (was Gang und Gebe in Jordanien ist).

Sie befinden sich gewissermaßen in einem geschützten Raum, welcher sich durch angeregte Kommunikation, ehrliches Interesse und eine intensive Begegnung auszeichnet. Vorausgesetzt natürlich, Sie sind bereit in das Taxi zu steigen und um es mit den Worten des Fahrers Morad zu sagen: „Ahlan bik!“

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