(TruthDigg). Es gibt eine Szene im „Othello“, in welcher der Mohr so von Eifersucht und Wut verzehrt wird, dass er seine Beredsamkeit und Poesie verliert, die ihn zum wortgewaltigsten Mann Venedigs machten. Er wendet sich an das Publikum und stottert: „Ziegen und Affen!“ Othello wird zum Opfer von wilder Selbsttäuschung und ungezügelter Wut. Seine Worte sind Gefangene eines hohlen Klischees.
Die Entwertung von Sprache, die Shakespeare als ein Vorspiel zu Gewalt verstand, ist der Fluch der Moderne. Wir haben aufgehört, miteinander zu kommunizieren, sogar mit uns selbst. Und die Folgen werden so extrem wie in Shakespeares Tragödie sein.
Diejenigen, die uns beherrschen möchten, suchen zuerst nach der Dominanz über die Sprache. Und die englisch- und arabischsprachigen Welten sind von einem gleichartigen Angriff auf die Sprache befallen. Die Graffitis auf den Lehmwänden Gazas, die nach einem Heiligen Krieg rufen oder die kruden Tiraden muslimischer Militanter werden in einer vereinfachten und verarmten Form des Arabischen ausgedrückt.
Das ist nicht die klassische Sprache von 1.500 Jahren Wissenschaft, Poesie und Philosophie. Es ist ein Slang aus Klischees, verzerrten Qur’anversen und Slogans. Dieses Arabisch ist der Literatur in der arabischen Welt genauso wenig ähnlich wie die Jahrmarktsschreier, die unseren Äther verschmutzen, mit unseren Literaturseminaren verwandt sind. Diese Reduktion des populären Diskurses auf Banalitäten – die durch den Rückzug der Eliten in einen obskuren, spezialisierten Jargon verschlimmert wird – errichtet innere Mauern, die eine wirkliche Kommunikation hintertreibt. Dieser Zusammenbruch der Sprache macht Nachdenken und Debatten unmöglich.
Es verwandelt fremde Kulturen – für deren Untersuchung uns die Kapazität fehlt – in Spiegelbilder unserer Selbst. Wenn wir für Tugend, Fortschritt und Gerechtigkeit stehen, wie uns Klischees dauernd besagen, dann repräsentieren die Araber, Iraner oder jeder andere, den wir als feindlich einstufen, das Böse, Rückwärtsgewandtheit und Ungerechtigkeit. Eine verarmte Sprache verfestigt eine binäre Welt und macht uns zu Kindern mit Waffen.
Wie antwortet man auf „Islam ist die Lösung“ oder „Jesus Christus ist mein Herr und Erlöser“? Wie spricht man mit jemandem, der – wie Christopher Hitchens es tat – den Krieg gegen den Irak mit der Tautologie rechtfertigte, dass „wir sie dort drüben töten müssen, bevor sie uns hier töten“? Diejenigen, die in solchen, jeden Gedanken tötenden Klischees sprechen, schließen einen rationalen Diskurs aus. Ihr Verstand ist verschlossen. Sie stottern und wüten wie ein umnachteter Othello. Dem Mangel an einem öffentlichen Gespräch in unserer Kultur – selbst unter jenen, die öffentlich als Intellektuelle gelten – entspricht ein ähnlicher Mangel in der arabischen Welt.
Die Leere von Sprache ist ein Geschenk für Demagogen und Konzerne, welche die Landschaft mit manipulierten Bildern und den Redensarten der Massenkultur füllen. Vorgefertigte Phrasen heizen Leidenschaft an und verzerren die Wirklichkeit. Kollektive Gesänge, Jargon und Redewendungen erlauben es den Leuten, ihre moralische Selbstbestimmung der berauschenden Erregung der Masse auszuliefern. „Die Masse soll nicht wissen“, sagte Mussolini oft. „Sie muss glauben (…) wenn wir ihr nur einen Glauben geben könnten, der Berge versetzt, dann werden sie die Illusion akzeptieren, dass Berge beweglich sind. Und so wird die Illusion zur Wirklichkeit.“ Immer, sagte er, solle man „elektrisierend und explosiv“ sein. Glauben kann über Wissen triumphieren. Emotionen können das Denken ausschalten.
Unsere Demagogen verzerren die Bibel und die Verfassung, während ihre Hetzer den Qur’an verzerren. Das heizt Begeisterung und Hass auf Kosten von Verständnis an. Je ungebildeter eine Gesellschaft wird, desto mehr Macht häufen jene an, welche die korrumpierte Form benutzen. Gleichzeitig werden Worte und Gedanken durch Musik und Bilder ersetzt. Wir sind nicht durch kulturelle Gräben getrennt, sondern durch eine gegenseitige kulturelle Selbstzerstörung.
Die gebildeten Eliten in der arabischen Welt sind heute genauso entfremdet wie die gebildeten Eliten in den Vereinigten Staaten. Sie benutzen ein Vokabular, dass die Un- oder Halbgebildeten nicht sofort begreifen können, wodurch sie oft verbannt oder der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Ihr Wissen führt zu Zweifeln, der in verknöcherten Gesellschaften, die es vorziehen in absoluten Metaphern von Krieg und Wissenschaft zu reden, eine Form der Ketzerei ist. Es ist kein Zufall, dass der grundlegende biblische Mythos den Verlust der Unschuld als eine Katastrophe betrachtet. „Dieses Problem hat weniger mit Religion zu tun als mit dem normalen Verlangen derjenigen in Herrschaftspositionen, diejenigen zu kontrollieren, die keine Macht haben“, schrieb John Raulston Saul. „Und Kontrolle der menschlichen Spezies in ihrer westlichen Ausprägung richtet sich gegen Sprache.“
Die infantilen Slogans, die zum Ausdruck gebracht werden, um einen Sinn in der Welt zu finden, drücken – egal ob auf Märschen der Tea Party oder bei den Demonstrationen in den Straßen Gazas – eine sehr reale Entfremdung, Sehnsucht und Wut aus. Diese Klischees – leer für den Gebildeten – sind aufgeladen mit Macht für jene, für die diese Worte die einzige Währung sind, in der sie ihre Wut und Verzweiflung äußern können. Und während sich die Wirtschaft verschlechtert, genauso wie Krieg im Nahen Osten und anderswo anhält, während der, mit Unternehmen verbundene Staat uns Macht entzieht und auf die Stufe von Dienern reduziert, darf erwartet werden, dass sich diese Wut – und die umnachtete Sprache, die ihr eine Stimme gibt – weiter wachsen werden.
Das Arabische des Qur’an ist genauso poetisch wie die komplexe Theologie des Islam. Es ist reich an Einzelheiten und schwer zu meistern. Aber die Sprache des Qur’an wurde durch die Worte und Phrasen des politischen Islam in den Slums und Armendörfern des ganzen Nahen Ostens entwertet. Dieser Prozess unterscheidet sich nicht von dem, was mit Christen in den Vereinigten Staaten geschah. Unsere Mainstream-Kirchen sind genauso selbstzufrieden in ihrem Kampf gegen Häretiker geworden wie die Mainstream-Moscheen und -Gelehrten im Nahen Osten. Verrückte Formen von Christentum und Islam haben oft die originären und offeneren Formen der religiösen Ausprägungen ersetzt. Und sie konnten dies tun, weil die liberalen Eliten zum Schweigen gebracht wurden.
Die Korruption von islamischen Begriffen und Gedankengängen sind in der militanten Ideologie genauso zahlreich wie in der Ideologie der christlichen Rechten vorhanden. Das Wort „Dschihad“ meint für die Militanten, jeden, den sie für einen „Ungläubigen“ halten, straflos töten, entführen und bombardieren zu können – darunter auch Kinder und andere Muslime.
Dschihad bedeutet im Qur’an jedoch nicht immer Heiliger Krieg, oder bloß Krieg. Nach der islamischen Tradition ist der „große Dschihad“ die Anstrengung gegen das eigene Selbst, um mit dem Willen Gottes in Einklang zu leben. Ein Dschihad war für den Propheten Muhammad oft der Kampf zur Erlangung von Abgeschiedenheit in dieser Welt; in Übereinstimmung mit dem Aufruf, „das Gute zu gebieten und das Böse zu untersagen – mit dem Herzen, der Zunge und der Hand“. Und der Qur’an untersagt Gebrauch von Gewalt zur Verbreitung des Glaubens. „Es gibt keinen Zwang im Glauben“, heißt es dort. Der Qur’an denunziert auch erzwungenen Glauben und Übertritt als unehrlich. Rufe nach einem Märtyrertum, wie dies von Militanten als direkter Weg zum Ewigen Leben angepriesen wird, umgehen das rigide qur’anische Verbot des Selbstmordes.
Aber theologische Feinheiten interessieren Zeloten nicht. Die von der christlichen Rechten angepriesenen Fantasien – von der endzeitlichen Verzückung, die nicht in der Bibel steht, bis zum Glauben, dass Jesus, der ein Pazifist war, die Kriege im Nahen Osten segnen würde – injizieren dem Volksmund unsere eigene Version der geheiligten Sprache.
Unsere Krise ist eine Krise der Sprache. Viktor Klemperer beschrieb, dass die Verzerrung der Sprache durch die Nazis lebenswichtig für die Schaffung der faschistischen Kultur war. Er war andauernd erstaunt darüber, wie die Massen – selbst jene, die gegen die Nazis eingestellt waren – das sprachliche Gift schluckten, dass die Nazis für ihre kollektive Selbsttäuschung nutzen. „Worte können sein wie winzige Arsendosen“, schrieb er. „Sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da“