Auf der ukrainischen Halbinsel Krim geraten Befürworter und Gegner einer Annäherung an Moskau aneinander.

(dpa) Bei Protesten auf der ukrainischen Halbinsel Krim ist es zwischen Befürwortern und Gegnern einer Annäherung an Russland zu Zusammenstößen gekommen. Mehr als 10 000 Krimtataren demonstrierten vor dem Regionalparlament in Simferopol gegen eine Abspaltung der Autonomen Krim-Republik. Sie schwenkten blaugelbe Landesflaggen und riefen: «Die Ukraine ist nicht Russland.» Hingegen machten rund 4000 prorussische Demonstranten, viele davon in Kosaken-Tracht, Stimmung für eine engere Anbindung der Krim an Moskau. Sie skandierten unter anderem: «Die Krim ist russisch.» Sicherheitskräfte sprachen von mindestens sieben Verletzten durch Stein- und Flaschenwürfe. Am Rande der Demonstration sei ein Toter entdeckt worden. Die Leiche weise aber keine Merkmale von Gewalt auf, teilten Ärzte mit. Der Mann sei wohl an einem Herzschlag gestorben.

In Sewastopol, dem Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim, übernahm nach einer Straßenabstimmung der Russe Alexander Tschalyi das Bürgermeisteramt. Moskautreue Kräfte richteten Grenzposten an den Zugängen zur Stadt ein. Die Führung in Moskau fürchtet, dass ukrainische Nationalisten den Autonomie-Status beenden könnten. Das will der Kreml nicht zulassen. Russische Politiker reisten auf die Halbinsel, um die Lage zu sondieren.

Die ukrainischen Ex-Präsidenten Leonid Krawtschuk, Leonid Kutschma und Viktor Juschtschenko zeigten sich in einer gemeinsamen Erklärung tief besorgt über die Lage auf der Krim. Sie forderten insbesondere Russland auf, sich nicht in das Leben der Autonomen Krim-Republik einzumischen. Die Mehrheit der Bewohner der Halbinsel sind Russen.

Das Innenministerium in Kiew teilte mit, dass die in den vergangenen Monaten wegen blutiger Übergriffe auf Demonstranten in die Kritik geratene Sonderpolizei Berkut (Steinadler) aufgelöst worden sei. Einzelheiten des Erlasses waren zunächst nicht bekannt. Wo sich der abgesetzte Staatschef Viktor Janukowitsch aufhält, war weiter unklar.

Nach dem Sturz des Präsidenten wartet die Ukraine weiter auf eine neue Regierung. Die Kandidaten für das neue Kabinett sollten am Mittwochabend in Kiew auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz, dem Maidan, vorgestellt werden. Das teilte der Politiker Waleri Pazkan von der Partei Udar (Schlag) des Ex-Boxprofis Vitali Klitschko mit.

Für den Posten des Ministerpräsidenten sollen der frühere Parlamentschef Arseni Jazenjuk sowie der reiche Unternehmer und Ex-Außenminister Pjotr Poroschenko infrage kommen. Die Wahl der neuen Regierung ist für diesen Donnerstag im Parlament angesetzt.

Angesichts der prekären Finanzlage der Ukraine gilt der Posten der Regierungschefs als das schwierigste Amt. Das Land befindet sich in der schwersten Krise seit Jahrzehnten. Die Furcht vor einer Pleite ließ die Landeswährung Griwna weiter absacken. Ein US-Dollar kostete zehn Griwna, rund 3,7 Prozent mehr als am Vortag. Die internationale Gemeinschaft macht Finanzhilfen von einem Reformprogramm abhängig.

Interimspräsident Alexander Turtschinow ernannte sich selbst per Dekret zum neuen Oberbefehlshaber über die ukrainischen Streitkräfte. Die Wahl eines regulären neuen Präsidenten ist für den 25. Mai angesetzt. Der Oppositionspolitiker Klitschko hat seine Kandidatur angekündigt. Ob die aus der Haft entlassene Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko antritt, war zunächst wieder offen.

Die 53-Jährige will sich im März wegen eines Bandscheibenvorfalls in Berlin behandeln lassen. «Jetzt weiß man eben noch nicht, ob sie eine politische Position anstreben wird», sagte ihre Tochter Jewgenija Timoschenko im ARD-Morgenmagazin. Ihre Mutter habe mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton nicht nur über Wirtschaftshilfe des Westens gesprochen, sondern auch über die strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen für die Gewaltexzesse vor dem Machtwechsel. Seit Dienstag vergangener Woche waren allein in Kiew mindestens 82 Menschen getötet und Hunderte verletzt worden.