Die IZ-Blogger: Der Mensch verliert sich in „-ismen“. Auch der Muslim? Von Tijana Sarac

(iz). Kaum jemand, der regelmäßig in den sozialen Netzwerken zugegen ist, kann sich den vielfältigen „-ismen“ entziehen, die momentan umherschwirren und medial gänzlich ausgeschöpft werden: Veganismus. Feminismus. Nationalismus. Rassismus. Um ein paar besonders populäre Beispiele zu nennen. Täglich sehen wir Beiträge zu verschiedenen Bewegungen und deren Anti-Bewegungen und allem, was dazwischen liegt.

Aus islamischer Perspektive sind diese kritisch zu betrachten. Einige, wie der Nationalismus und Rassismus werden gänzlich abgelehnt und sind in keiner Weise vom Islam, da Allah weder eine Rasse noch eine Nation vor einer anderen bevorzugt. Andere Bewegungen hingegen haben durchaus positive Aspekte. Nehmen wir beispielsweise den Veganismus. Das Positive daran ist, dass ein Bewusstsein für das Leid der Tiere geschaffen wird, das durch Massentierhaltung entsteht. Auch ökologische Aspekte finden hier Beachtung; wie die massenhafte Verwendung von Wasser und die Produktion von Tiernahrung, die so viel Land in Anspruch nimmt, damit woanders maßlos viele Tiere für Großkonzerne gemästet werden, während gleichzeitig die Menschen, die in diesen Gegenden leben, hungern, weil das Land nicht zum Anbau von Nahrungsmitteln für den Menschen genutzt werden kann. Durch diese Bewegung findet ein Umdenken statt, was den Fleischkonsum angeht.

Von Muslimen sollte dies begrüßt werden, wo doch unser Prophet Muhammed, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, nur gelegentlich und sparsam Fleisch verzehrte. Da wir seiner Lebensweise folgen, müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie viel Fleisch wir tatsächlich verzehren sollten, nicht nur unserer Gesundheit zuliebe, welche zu erhalten uns auferlegt wurde, sondern auch aus Barmherzigkeit den Tieren und der Umwelt als Ganzes gegenüber und als Contra zu jeder Ungerechtigkeit, die durch den maßlosen Fleischkonsum entsteht, sei sie gegen Tiere gerichtet, gegen die Umwelt, oder gegen den Mensch selbst.

In diesem Zusammenhang ist auch die nachhaltige Landwirtschaft von großer Bedeutung für Muslime, da wir dazu aufgefordert wurden, als Sachwalter auf der Erde zu weilen. Dies verpflichtet uns dazu, respektvoll und fürsorglich mit den Ressourcen umzugehen und allen Lebewesen gegenüber barmherzig zu sein. Wir können nicht hinnehmen, dass männliche Küken, die nicht zur Fleischproduktion geeignet sind, geschreddert (!) werden, weil sie auch nicht zur Eierproduktion gebraucht werden können.

Ebenfalls können wir nicht hinnehmen, dass die Natur mit und mit durch die Verwendung von Chemikalien gefährdet wird, dass unser Grundwasser verschmutzt wird, dass die Bienen aussterben. Der Veganismus deutet auf all diese Probleme hin und wirkt sehr nobel.

Das Problem liegt jedoch in seinem Absolutheitsanspruch. Jeglicher Verzehr und jede Nutzung von Fleisch und allen Tierprodukten wird verpönt und es gleicht schon einer sektenartigen Gesinnung, wie sehr der Fleischesser, oder auch der Vegetarier, verteufelt wird. Schlachten wird als Gräueltat angesehen, das Trinken von Milch als Diebstahl dem Kalb gegenüber, das als Einziges das Recht auf die Milch seiner Mutter habe. Wo liegt nun also das Problem, das sich für den Muslim ergibt, der sich dem Veganismus zugeneigt fühlt?

Allah erlaubt uns Fleisch. Er erlaubt uns Milch. Er erlaubt uns das Gute von den Pflanzen sowie den Tieren zum Verzehr. Das Fleisch der erlaubten Tiere, die im Namen Allahs geschlachtet wurden, wurde uns ausdrücklich als erlaubt erklärt, sowie die Milch und was aus den Tieren sonst an Erlaubtem gewonnen wird. Das Verbotene ist ebenfalls ausdrücklich dargelegt. Die Regeln sind ziemlich einfach gehalten.

Wenn sich der Muslim nun entscheidet, vegan zu leben, stellt dies noch keinen Widerspruch zu seinem Glauben dar. Nur weil etwas erlaubt ist, muss er ja nicht Gebrauch davon machen. Das Problem liegt vielmehr darin, etwas für verboten zu erklären, was Allah erlaubt hat. Es steht uns nicht zu, solche Positionen einzunehmen. Allah hat in Seiner Weisheit Erleichterung und Gnade an der Menschheit vollzogen. Mit veganer Argumentation werden wir nicht weit kommen, wenn es darum geht, dass an verschiedenen Orten und Zeiten unterschiedliche Quellen der Nahrung zur Verfügung stehen und die vegane Lebensweise diesen Umständen nicht gerecht werden kann.

Zum anderen müssen wir uns vergegenwärtigen, dass Tiere, die im Namen Allahs geschlachtet werden, nicht „ermordet“ wurden, wie es der Veganer gerne bezeichnet. Sie wurden für das eingesetzt, wofür sie erschaffen wurden – um allein im Namen Allahs geschlachtet zu werden und somit den Menschen zu nähren. Ihre gute, liebevolle Behandlung und saubere, würdevolle Schlachtung (mit so wenig Schmerz und Leid wie möglich) sollte dabei selbstverständlich sein. Gleichzeitig müssen wir uns darüber im Klaren sein, was es folglich bedeutet, wenn das Tier nicht in diesem Rahmen geschlachtet wurde.

Dies dürfte uns letztendlich davon überzeugen, kein anderes Fleisch als das halal-geschlachtete in Betracht zu ziehen, wenn wir uns Fragen stellen wie „lieber Halal-Fleisch oder Bio-Fleisch kaufen?“ Die bestmögliche Lösung wäre – beides zugleich. Entwicklungen in diese Richtung gibt es schon. Das Umdenken findet mittlerweile auch bei Muslimen statt. Jedoch sollte die Grundlage des Umdenkens nicht eine Bewegung, keine Ideologie sein, sondern der Islam selbst.

Genauso sieht es beim Thema des heiß diskutierten Feminismus aus. In seinen Grundzügen, dem Kampf um die Rechte der Frau, ihrer Gleichwertigkeit mit dem Mann, ist er sehr lobenswert und richtig. In seinen extremen Auswüchsen, dem Gleichmachen von Mann und Frau, wo sie nicht gleich geschaffen sind, oder dem Überordnen der Frau über den Mann, sieht es schon schwieriger aus. Nicht gleich geschaffen zu sein bedeutet nicht, dass das eine Geschlecht besser oder mehr wert ist als das andere. Es heißt lediglich, dass es physische und psychologische Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern gibt, die es anzuerkennen gilt.

Versucht man, das Wesen der Frau an das des Mannes anzugleichen, hebt man den Feminismus wieder auf, indem man indirekt behauptet, dass es für die Frau erstrebenswert sei, sich dem Mann anzugleichen, und somit das Männliche als Maß aller Dinge, als besser ansieht.

Versucht man, wie in einer der extremen feministischen Positionen, die Frau über den Mann zu stellen, hebt man ebenfalls die Bedeutung der Idee auf, indem man den Grundgedanken der Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit verwirft.

Auch hier gilt es für Muslime, sich nicht an Ideologien festzubeißen, sondern den Islam als Maß zu nehmen. Er regelt das Verständnis sowie das Verhältnis von Mann und Frau. Weder ist hier die Frau davon ausgeschlossen, sich persönlich, beruflich, und gesellschaftlich zu entfalten und einen wichtigen und notwendigen Einfluss auszuüben, noch wird ihr vorgeschrieben, sich an das männliche Muster im System anzupassen.

Zu den Themen, die besonders in den feministischen Diskurs einbezogen werden, gehört das Tragen des Kopftuchs. Zuerst sei hier gesagt, dass die ideale Bekleidungsart der Frau sich nicht auf ein Stück Stoff am Kopf begrenzt und so auch in Qur'an und Sunna nicht genannt wird. Was genannt wird ist, dass sie den Körper bis auf Hände und Gesicht bedecken sollte. Inwieweit sie diesem Ideal nahekommt, ist eine Sache der Frau selbst, und jede Annäherung ist lobenswert. Das Bedecken der Haare steht nicht übergeordnet zum Bedecken beispielsweise der Beine.

Daher sollte das Sich-Bedecken als Ganzes gesehen werden, was wiederum eine Argumentation dazu liefern könnte, inwiefern man das Kopftuch als solches überhaupt als „religiöses Symbol“ betrachten kann, wenn doch die gesamte Bekleidung ein Ausdruck des Befolgens von Allahs Geboten ist; und ob es nicht vielmehr dem Selbstverständnis eines Menschen überlassen ist, welche Bedeutung seine Kleidung hat, ohne gleich eine ideologische Symbolik dahinter zu vermuten.

Ein Ausdruck des Unsinns, den dieser Diskurs schon erreicht hat, ist der Fall in Frankreich, als schon das Tragen eines „zu langen Rocks“ für manche ein religiöses Symbol darstellte. So kann schließlich alles und nichts als religiöses Symbol abgetan werden, je nach Gesinnung und Interpretation der Gesellschaft.

Muslimische Frauen sollten sich nicht durch den Feminismus erklären müssen, der diese Symbolik aufgreift. Seine Anhänger benutzen die Bekleidungsvorschriften, um daraus etwas zu machen, was sie nicht, oder nur bedingt, sind. Das Tuch auf dem Kopf ist weder Zeichen besonders ausgeprägter Religiosität, noch des Widerstands, noch der idealen Frau, noch ist es ein Zeichen einer besonderen Art von Sexualität oder Unterdrückung. Frauen müssen weder behaupten, das Bedecken des Körpers sei ein Ausdruck feministisch-religiöser Befreiung, noch einer des „Sich-Verpackens für den Ehemann“ oder des „Zügelns der Begierden fremder Männer“. Ebenso müssen sie sich nicht als „Perlen, deren Schönheit von einer Muschel bedeckt wird“ bezeichnen.

Das Bedecken des Körpers – auch dann, wenn es in Teilen praktiziert wird und nicht vollkommen dem Ideal entspricht – ist nichts anderes als das Annehmen von Allahs Rat, dass dies für uns am besten ist. Auch hier reicht der Islam, reicht Allah, vollkommen als Begründung aus. Die persönlichen Erfahrungen, die wir dadurch machen, so gut und so wichtig sie auch sind, sollten persönlich bleiben und nicht in ein Ideensystem, welches wir nicht brauchen, gepackt und stellvertretend für alle verallgemeinert werden. Die Dimensionen, die das Einhalten der Kleidungsvorschriften umfasst, sind so weitreichend – auf spiritueller, individueller, sowie auf zwischenmenschlicher und gesellschaftlicher Ebene -, dass ihre Reduktion auf „das Feministische“ absolut unzureichend ist.

Ein weiteres Problem, welches sich in der persönlichen Verwicklung in Ideologien, den „-ismen“, zeigt, ist die Tatsache, dass man nur schwer einer Ideologie folgen kann, ohne dabei andere ausschließen zu müssen. Was tut man aber, wenn die entgegengesetzte Ideologie ebenso gute Ansätze hat? Man ist gezwungen, sich entweder zu entscheiden, oder in einem ständigen Streit mit sich selbst zu sein. Für einen Muslim ist dies schlichtweg Zeitverschwendung.

Als Muslim kann man das Gute in allem annehmen, denn alles Gute ist vom Islam. Wir müssen verstehen lernen, dass Allah das Gute geschaffen hat, und wenn der Mensch sein Wissen dem Wissen Allahs annähert und das Gute erkennt, schafft er nicht selbst die guten Werte. Alles Wahre, das sich in bestimmten Ideensystemen finden lässt, ist lediglich die Erkenntnis des Menschen über das Gute, das Allah uns zu suchen auferlegt hat. Erreichen diese Ideensysteme jedoch solche Weiten, die als schlecht einzustufen sind, so sind diese Erweiterungen nicht vom Islam und vom Muslim auch nicht anzunehmen.

Dies bedeutet konkret die Annahme und auch die eigene Erschließung der guten Ideen und die Ablehnung einer Verstrickung in die in sich geschlossenen, starren Ideologien. Islam – Gottergebenheit – liefert alle Antworten für die beste Lebensweise. Wenn wir uns dessen nicht im Klaren sind, werden wir leicht dazu verleitet, Ideen zu folgen, die immer Fehler in sich tragen oder nicht auf jede Gemeinschaft, oder Zeit, oder jeden Umstand anwendbar sind.

In jeder Hinsicht leitet uns der Islam zum Weg der Mitte, des Abwägens, während jede Ideologie, so gut sie in ihren Anfängen oder Grundzügen auch sein kann, sich letztendlich in Extremen, bis hin zum Nihilismus, verliert und sich selbst wieder aufhebt.Wenn wir Islam als gesamte Lebensart und Lebenswirklichkeit begreifen, sind wir umso weniger der Möglichkeit ausgesetzt, Übertretungen zu begehen und uns die Welt in einer atheistischen Art und Weise zu erklären, als sei sie außerhalb Allahs Gegenwart und Weisheit.

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