Wer stirbt zuerst?

„Bevor die Welt unsere Herzen tötet,
müssen wir die Welt in unseren Herzen töten.“

(iz). Unser Umgang mit Zeit ist ein Fundament unseres Daseins. Die Gelehrten erklärten uns, dass wir etwas falsch machen würden, wenn uns Langeweile überkommt. Gleichzeitig machen wir auch etwas falsch, wenn wir aufgrund von zu viel Aktivität Unruhe in uns tragen.
Die 10 Minuten für das Gebet scheinen uns zu lang, doch die nervenaufreibende Wartezeit auf bestelltes Essen nehmen wir hin. Nahrung für den Körper, aber keine Nahrung für den Geist. Wir verbringen Stunden mit dem Schauen von Filmen und dem Hören von Musik, aber zählen die Minuten ab beim Lesen oder rezitieren. Wir verbringen unfassbar viel Zeit in sozialen Netzwerken, vernachlässigen aber nachhaltig unser soziales Umfeld.
Wir leiden, wenn unsere Internetverbindung tot ist, drehen aber dem Sterben der Verbindungen zu Freunden und Verwandten den Rücken zu. Die Liebe lässt Menschen Jahrzehnte lang – bis zum Tod – ihren Mitmenschen dienen. Das Smartphone hält, wenn man Glück hat, zwei bis drei Jahre. Zwei bis drei Jahre Ablenkung, eines gesellschaftlichen Schlafes.
Weiß denn schon jemand was man vorfindet, wenn man aufwacht? Wenn die ungewohnte Ruhe einen weckt und die hypnotisierende Hektik mit all ihren Farben und Tönen ablöst, vertrocknet der Mensch an der Ebbe des Reizes? Wie faszinierend wäre doch ein Wegfall jedweder Elektrizität, aber könnte ich denn all meine folgenden Beobachtungen nur noch mit Stift und Papier festhalten oder bin ich längst in einem fortgeschrittenenen Stadium der Enwicktlung hin zu einer scheinbar außerirdischen Lebensform?
Unser Essen ist durchzogen von Chemie, die Belastbarkeit unserer Körper unmenschlich gering, die Kapazitäten unseres Geistes nicht einmal wirklich erforscht. Wir sprechen so schnell aus, wie gerne wir doch den Propheten, Allahs Frieden und Segen auf ihm, begleitet hätten, aber wie erbärmlich wäre ich doch mit meiner begrenzten Auffassungsfähigkeit, während seine Gefährten jedes Wort auswendig lernten und jede Handlung exakt nachahmten.
Wir betreten die Moschee, beten die Salah, praktizieren Dhikr, sind für Momente wie befreit. Kehren aber nur kurze Zeit später wieder freiwillig ins Gefängnis zurück.