Beim Vergleich der Krisenfälle Krim und Kosovo sind die Positionen Moskaus, Brüssels und Washingtons völlig gegensätzlich

Belgrad (dpa). Jetzt hat es die Nato noch einmal klargestellt: Die internationalen Krisenfälle Krim und Kosovo sind überhaupt nicht miteinander zu vergleichen. Doch Russlands Präsident Wladimir Putin behauptet das genaue Gegenteil. Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) springt ihm zur Seite. Und US-Präsident Barack Obama will die Unterschiede zwischen beiden Krisenherden mit einem Referendum im Kosovo beweisen, das es gar nicht gab. Klar ist: Hier wie da wurde das Völkerrecht gebrochen. Die Nato intervenierte 1999 im Kosovo ohne UN-Mandat. Dieses wurde von Russland und China verhindert. Eineinhalb Jahrzehnte später handelt Moskau ebenfalls ohne die Zustimmung der Völkergemeinschaft. Doch es gibt zwei riesengroße Unterschiede, wie die Bundesregierung, die USA, die EU und nun auch die Nato sagen: Im Kosovo waren Hunderttausende Albaner von Vertreibung und Tod durch Serben bedroht. Und: Im Kosovo wurde erst eingegriffen, nachdem jahrelange diplomatische Bemühungen keine Lösung gebracht hatten.

In der Tat hatten die Vereinten Nationen auch unter Mitwirkung Russlands vor 1999 mit einem diplomatischen Feuerwerk versucht, Serbien zum Einlenken im Kosovo mit dessen albanischer Mehrheit zu bewegen. Auch nach der Intervention wurde bis zur Unabhängigkeitserklärung 2008 fast zehn Jahre verhandelt.

Demgegenüber wurde der Diplomatie in der Krim-Krise keine Chance eingeräumt. Auch gab es auf der Schwarzmeer-Halbinsel keine Massenvertreibungen von Russen, während serbisches Militär und Freischärler mit systematischen «ethnischen Säuberungen» schätzungsweise 800 000 Albaner aus ihrer Heimat drängten.

Weiterer Unterschied: Das Kosovo wurde zu einem selbstständigen Staat, die Krim aber an Russland angeschlossen. Dass US-Präsident Obama vergangenen Monat auch noch ein vermeintliches Referendum im Kosovo vor der Unabhängigkeit als fundamentalen Unterschied anführte, hatte in Russland zu viel Spott in den Medien geführt. Denn eine solche international anerkannte Volksabstimmung gab es nicht. Die aufbegehrenden Albaner hatten lediglich intern eine Abstimmung organisiert – im September 1991, als das Land noch zu Jugoslawien gehörte.

Allerdings bleiben die konkreten Begründungen für den Nato-Einsatz und die Bombardierung Serbiens bis heute äußerst umstritten. Da sind die angeblichen Massaker in Racak mit wenigstens 40 und in Rugovo mit 25 getöteten Albanern im Januar 1999. Bis heute ist nicht geklärt, ob es sich um die bestialische Ermordung von Zivilisten handelte, wie es der Westen hinstellte, oder um im Kampf getötete «albanische Terroristen», wie es von Belgrad gesehen wird.

Auch die Existenz des vom damaligen Verteidigungsminister Rudolf Scharping im April 1999 präsentierten «Hufeisenplans» bleibt weiter strittig. Der angeblich vom bulgarischen Geheimdienst organisierte serbische Plan samt Landkarte sollte beweisen, dass Serbien weit über eine Million Albaner aus dem Kosovo vertreiben wollte. Jedenfalls diente der Plan, über den aus Bulgarien in der Vergangenheit sehr widersprüchliche Angaben kamen, sowie die behaupteten Massaker als Rechtfertigung des Nato-Einsatzes.

Der russische Botschafter in Belgrad, Aleksandar Cepurin, macht es sich dagegen einfach: «Kosovo wurde illegal aus Serbien herausgerissen. Die Krim wurde im Einklang mit dem internationalen Recht mit Russland wiedervereinigt.» Präsident Putin sagt, die Vorgänge auf der Krim stünden «im Einklang mit den von den UN und den USA im Zusammenhang mit dem Kosovo gefassten Beschlüssen.»

Nicht ganz so einfach ist es für Serbien, das bis heute bei seinem diplomatischen Kampf gegen die Unabhängigkeit seiner früheren Provinz Kosovo auf die Rückendeckung aus Moskau baut. Man erkenne die territoriale Integrität der Ukraine voll und ganz an, wolle aber keine Sanktionen gegen Russland mittragen, sagt Serbiens starker Mann Aleksandar Vucic.