Libyen oder Italiens mangelnde Erinnerung an seine Kolonialherrschaft

(iz). Als ich darüber las, dass es Adolf Hitlers Poträt auf eine deutsche Kaffetasse schaffte, war auch meine erste Frage, wie so etwas passieren konnte. Ich kann weder den Produktionsfehler des Herstellers oder seiner Unwissenheit gegenüber der abgebildeten Person, noch die Unachtsammkeit des Verkäufers bei so einem Missgeschick nachvollziehen. Jeglichem Aufruf, dass so etwas nicht passieren darf, stimme ich voll zu.

Was mich dennoch überraschte war, dass selbst die TIMES, der Guardian, die New York Times[1] und andere weltbekannte Medien darüber Schlagzeilen machten. Es ist zwar ein Fall, der gerade für Deutschland fatal ist, doch es gibt in Europa weitaus schlimmere Fälle die von jenen bisher unerwähnt blieben.

Wer einmal in Italien den Schiefen Turm von Pisa aufsuchte, kennt die unzähligen Geschäfte und Souvenierläden um das „berühmteste geneigte Gebäude der Welt“ herum. Besucher und Passanten müssen dabei auch die vielfältigen Mussolini-Souvenire in fast jedem dieser Läden aufgefallen sein. In den Straßen Pisas werden nicht nur Tassen, sondern auch T-Shirts, Flaggen und selbst Unterwäsche mit dem Abdruck Mussolinis seit Jahren verkauft – wo bleibt die Empörung darüber?

Man muss nicht oft die Dokumentationsreihen auf NTV verfolgt haben, um Hitler mittlerweile im Detail zu kennen. Weniger seinen Zeitgenossen und Bruder im Faschismus; Benito Mussolini. Auch er strebte nach den selben faschistischen Zielen, bediente sich der selben Methodik und schaffte im Mittelmeerraum Millionen von Opfern. Mussolini führte ebenso Kriege, ethnische Säuberungen und Konzentrationslager. Allein im libyschen Cyrenaika soll er in neun Jahren Kolonialzeit ein Drittel der Bevölkerung ausgelöscht und die Hälfte vertrieben haben.[2] Unter ihnen fand auch der legendäre muslimische Held Omar Al-Mukhtar sein Ende. Benito Mussolini ist zweifellos Italiens Abbild eines Hitlers und es gibt ihn zu kaufen; überall vor den Sehenswürdigkeiten Italiens.

Während Deutschland seine Vergangenheit aufarbeitete und – zu Recht – jegliche nationalsozialistische Kennzeichen in allen Formen verbat, kann man heute in Italien auf offener Straße problemlos um Souvenire feilschen, die mit Fotos einem siegessicher hochtrotzendem Mussolini-Gesicht bedruckt sind. Wieso sich die internationale Presse um den (mutmaßlich) versehentlichen Kaffeetassen-Hitler sorgt und nicht um die zig Mussolini-Artikel auf italienischen Straßen, die es seit Jahren gibt – bleibt mir ein Rätsel. Die Reaktionen beweisen mir nur ein weiteres Mal die Doppelmoral der großen Meinungsmacher.

[1]Eddy, Melissa: Cups With Hitler’s Image Are Investigated in Germany.
[2]Mann, Michael (2006). The dark side of democracy: explaining ethnic cleansing (2nd ed.). Cambridge, England: Cambridge University Press. p. 309.