Die Papiere der Pandora werfen ein Schlaglicht auf Eliten

Ausgabe 317

Foto: ICIJ

(iz). Eine groß angelegte globale Recherche vernetzter Journalisten hat Verbindungen zwischen führenden Politikern, Berühmtheiten und Sportstars zur verborgenen Welt des Offshore-Vermögens im Wert von Billionen von Dollar aufgedeckt.

Die bahnbrechende Untersuchung, die am 3. Oktober veröffentlicht wurde, trägt den Namen Pandora Papers und wurde vom International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) durchgeführt, einem Zusammenschluss von 600 Journalisten aus 150 Medien in 117 Ländern. Dazu gehören Redaktionsmitglieder von renommierten Medien wie „The Washington Post“, „The Guardian“ oder der britischen BBC.

Die Akten zeigen, wie die Weltelite, darunter 35 derzeitige und frühere Staatsoberhäupter, Offshore-Firmen genutzt haben, um ihr Vermögen zu verstecken und die Zahlung angemessener Steuern zu vermeiden. Obwohl viele dieser finanziellen Praktiken oft legal sind, stehen sie nur den reichsten Menschen der Welt zur Verfügung.

Viele Länder, denen Geld aus staatlichen Mitteln entzogen wird, befinden sich in großer wirtschaftlicher Not. Die Recherchen basierten auf geleakten Dokumenten in schier unglaublichem Umfang. Nach Angaben des ICIJ handelt es sich dabei um mehr als 11,9 Millionen Dateien (darunter 6 Mio. PDFs und Word-Dokumente). Die durchgestochenen Daten haben einen Umfang von rund 2,9 Terabytes.

Die Dokumente tragen dazu bei, Klischees im Zusammenhang mit Geldwäsche, verstecktem Vermögen und Steuerhinterziehung zu entkräften. Wir stellen uns oft vor, dass solche Aktivitäten hauptsächlich an kleinen, weit entfernten Orten stattfinden, vor allem an solchen mit „exotischen“ Namen wie Belize, die Kaiman- und Jungferninseln und Zypern oder dass wir von einer „parallelen“ und illegalen Wirtschaft sprechen.

Nichts davon stimmt. Die Firmen, die sich auf die Gründung von Briefkastenfirmen für wohlhabende Kunden spezialisiert haben, sind zwar überwiegend in solchen Steuerparadiesen angesiedelt, wie die durchsuchbare Datenbank des ICIJ zeigt. Sie sind nicht vom Rest der Weltwirtschaft getrennt, sondern vielmehr integraler und untrennbarer Teil davon, der eng mit den großen Banken, Anwaltskanzleien und großen und kleinen Unternehmen der Welt verbunden ist.

Was in den Pandora Papers beschrieben wird, macht alle Prinzipien und Regeln, die die Mainstream-Wirtschaft definieren sollen, zur Farce: Transparenz, Fairness, Rechenschaftspflicht, soziale Verantwortung, Geschäftsethik und so weiter. Es macht das grundlegende Ziel, eines Tages eine faire Weltwirtschaft zu schaffen, die der Menschheit dient und nicht nur ein paar glücklichen, wohlhabenden Menschen, dem berüchtigten „1 Prozent“, zunichte.

„Nur ein Bruchteil dieses enormen Reichtums würde ausreichen, um der ärmsten Hälfte der Menschheit kostenlose Bildung zukommen zu lassen, und Bildung ist das mächtigste und wirksamste Instrument, um Menschen aus der Armut zu befreien. Es bleibt abzuwarten, was aus diesem finanziellen Erdbeben entstehen wird. Trotz einiger ermutigender Zeichen und Entwicklungen hier und dort, wahrscheinlich zu wenig“, kommentierte der franko-amerikanische Autor Alain Gabon die Enthüllung der Pandora Papers.

Es sollte angesichts der globalen Verflechtung ineinander verschachtelter Briefkastenfirmen nicht überraschen, dass auch bekanntere oder einflussreichere Figuren aus Teilen der muslimischen Welt in der Riesenmenge der vorliegenden Papiere genannt werden. Namentlich sind bisher Personen aus Ländern wie Libanon, Pakistan, Syrien, dem Persischen Golf und Marokko bekannt geworden.

Vielleicht am deutlichsten erscheint die Verwicklung von einflussreichen Eliten in diesem levantinischen Land, wenn man sich vor Augen führt, dass dort neben einer Staatskrise die massivste Wirtschaftskrise seiner Geschichte herrscht. Darüber hinaus haben die Libanesen mit einer sich verschlechternden Versorgungslage zu kämpfen. Libanon führt bei den Erwähnungen der Offshore-Konten mehrerer Anwaltskanzleien nicht nur die muslimische Welt an, sondern ist insgesamt führend. Währenddessen befindet sich das Land nach Angaben der Weltbank in einem der schlimmsten wirtschaftlichen Zusammenbrüche der letzten 150 Jahre.

Als libanesische Banken Ende 2019 begannen, illegale Kapitalkontrollen einzuführen, die Bürger daran hinderten, auf ihre Einlagen zuzugreifen und ihr Geld ins Ausland zu transferieren, wurden einige Banker, Politiker und führende Geschäftsleute verdächtigt, Geld ins Ausland auf Offshore-Konten zu transferieren. Zu den belasteten Top-Figuren gehören die beiden führenden Politiker Najib Mikati und Hassan Diab. Während Diab früherer Regierungschef war, führt Mikati die neue Regierung seit Juli 2021. Auch der Chef der libanesischen Zentralbank, Riad Salameh, ist Teileigentümer einer Briefkastenfirma auf den Britischen Jungferninseln.

Insgesamt gehören die Inhaber von Offshore-Vermögen und Briefkastenfirmen zu den gleichen Eliten, welche die frustrierten Libanesen für ihre jetzige Misere verantwortlich machen. „Diese Politiker haben jahrelang öffentliche Ämter bekleidet und sind mitverantwortlich für die derzeitige Krise im Libanon“, sagte ein libanesischer Journalist, der an den Recherchen des ICIJ beteiligt ist.

Ein weiteres, von ökonomischen Krisen erschüttertes Land, dessen Eliten sich an dem Steuerspar- und -vermeidungsmodell beteiligt haben sollen, ist Pakistan. Laut der Papiere sollen bekannte Mitglieder der Regierung von Premierminister Imran Khan, Spender sowie Angehörige des traditionell mächtigen Militärs Millionen US-Dollar durch Briefkastenfirmen geschleust haben.

Zu den bekannteren Personen der rund 700 erwähnten pakistanischen Bürger gehören der amtierende Bundesminister für Wasserresourcen, Moonis Elahi, sowie Finanzminister Shaukat Tarin. Gegen Elahi wurde bereits 2017 ein Verfahren wegen seiner Erwähnung in den Panama Papers eingeleitet, dass im Januar dieses Jahres erfolglos eingestellt wurde. Das Journalisten-Konsortium erklärte, dass die Dokumente keinerlei Hinweis darauf böten, dass Khan, der 2018 mit dem Versprechen an die Macht kam, die „korrupten“ politischen Eliten zu verhaften, selbst Briefkastenfirmen besitzt.

Ein anderes Beispiel ist das erdölreiche Aserbaidschan. Seit seiner Unabhängigkeit 1992 wird die südkaukasische Nation vom Aliyev-Clan regiert. Mittlerweile wird es in der zweiten Generation von Ilham Aliyev regiert, der die Kontrolle von seinem Vater Heydar übernahm. Aserbaidschan ist vor einigen Monaten in die Schlagzeilen geraten, weil amtierende und ehemalige deutsche Politiker bezahlte Lobbyarbeit für die umstrittene Regierung leisteten.

Die Recherchen zu den Pandora Papers haben bisher ergeben, dass Präsident Ilham Aliyev und seine Familie an geheimen britischen Immobiliendeals beteiligt gewesen sein sollen. Nach Angaben der BBC hätten diese einen Umfang von mehr als 470 Millionen Euro gehabt. Die Familie soll bis zu 17 Liegenschaften erworben haben. Darunter auch einen 33 Millionen Pfund teuren Büroblock für den 11-jährigen Präsidentensohn.