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Entsetzliche Not im Gazastreifen

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Foto: Shutterstock, Anas-Mohammed

Während die Welt auf Israels Luftangriffe im Libanon schaut, wird die Not der Menschen im Gazastreifen immer größer. Das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA erhebt schwere Vorwürfe gegen Israel. 

Tel Aviv/Gaza/Beirut (dpa/iz) Das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen (UNRWA) hat wegen der humanitären Lage im Gazastreifen schwere Vorwürfe gegen Israel erhoben. „Im Moment gelangt fast nichts in den Gazastreifen“, sagte der Vize-Direktor der UNRWA in dem Küstenstreifen, Sam Rose, dem Sender CNN. 

Die USA hatten Israel vergangene Woche eine Frist von 30 Tagen gesetzt, um die Versorgung der Menschen in dem Küstenstreifen zu verbessern. Anderenfalls könnten US-Waffenlieferungen an Israel gefährdet sein. 

Blinken unternimmt weitere Nahost-Reise 

US-Außenminister Antony Blinken will bei einer erneuten Nahost-Reise bis Freitag zunächst in Israel und dann in weiteren Ländern der Region über Möglichkeiten zur Beendigung des Gaza-Krieges, der Freilassung der israelischen Geiseln und der Linderung des Leidens der Palästinenser sprechen, wie das Außenministerium in Washington mitteilte. Am Dienstag waren nach israelischen Angaben zunächst Treffen in Israel mit Regierungschef Benjamin Netanjahu und Staatspräsident Izchak Herzog geplant. 

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Deutschland fordert mehr Hilfslieferung für Gaza

Auch die Bundesregierung verlangte von Israel angesichts der dramatischen humanitären Lage im Gazastreifen erneut, mehr Hilfslieferungen in das umkämpfte Gebiet zu lassen. Berichte über eine hohe Anzahl getöteter Zivilisten sowie eine weitreichende Abriegelung insbesondere des nördlichen Gazastreifens von Hilfsgütern seien sehr besorgniserregend, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin.

Die Bundesregierung rief Israel und alle Konfliktparteien dazu auf, ihren Verpflichtungen gemäß dem humanitären Völkerrecht nachzukommen, betonte die Sprecherin. Es müsse nun endlich in einem ganz anderen Ausmaß als bisher humanitäre Hilfe zu den notleidenden Menschen besonders in den nördlichen Teil des Gazastreifens gelangen. 

Die Sprecherin kritisierte zudem die Zerstörung eines Beobachtungsturms und eines Begrenzungszaunes einer Stellung der UN-Friedenstruppen im Libanon durch Israel. Man habe das israelische Vorgehen mit größter Besorgnis zur Kenntnis genommen. Die Sicherheit eines vom UN-Sicherheitsrat mandatierten Einsatzes und dessen Personals dürfe nicht gefährdet werden. „Wir erwarten von der israelischen Seite, dass jeder einzelne Vorfall aufgeklärt wird“, forderte die Sprecherin.

UN-Helfer: Menschen im Gazastreifen hausen in Toiletten

Der Leiter der UNRWA, Philippe Lazzarini, schilderte die Not und den Schrecken im Gazastreifen in drastischen Worten. Die israelischen Behörden hinderten humanitäre Hilfsorganisationen weiter daran, die Menschen im Norden des Küstenstreifens mit wichtigen Hilfsgütern wie Medikamenten und Lebensmitteln zu versorgen. Krankenhäuser würden beschossen hätten keinen Strom mehr, schrieb er auf X. Wegen der Enge seien einige Vertriebene gezwungen, in Toiletten zu hausen. Lazzarini wirft Israel die Behinderung humanitärer Hilfe im Norden des Gazastreifens vor. „Die israelischen Behörden verweigern weiterhin humanitären Missionen den Zugang zum Norden mit lebenswichtigen Hilfsgütern wie Medikamenten und Nahrungsmitteln“, so Lazzarini.

Lazzarini forderte Zugang für Hilfsorganisationen zum Norden des Gazastreifens, einschließlich UNRWA. Die Verweigerung humanitärer Hilfe sei ein Zeichen dafür, wie schwach die moralischen Maßstäbe sind, schrieb er.

Es gebe auch Berichte, dass Menschen, die zu fliehen versuchten, getötet würden. Die Leichen auf den Straßen könnten nicht geborgen werden. „Ein Waffenstillstand wäre ein Anfang, um diesem endlosen Alptraum ein Ende zu setzen“, sagte Lazzarini. 

Massenexodus aus Dschabalia – Hunderte Menschen auf der Flucht

Im Flüchtlingslager Dschabalia im Norden des Gazastreifens haben Hunderte Einwohner auf Anordnung der israelischen Armee ihre Häuser verlassen müssen. In palästinensischen Berichten war von einer Zwangsevakuierung die Rede. Die Mehrheit der Betroffenen suchte diesen Angaben zufolge Unterschlupf in Notunterkünften in der Region oder in Gaza-Stadt. Die meisten weigerten sich hingegen, in den Süden des Gazastreifens aufzubrechen, hieß es.

Ein Sprecher der israelischen Armee berichtete, seit dem Morgen hätten Hunderte Zivilisten das Gebiet über sichere Routen verlassen. Weiter hieß es, mehrere mutmaßliche Mitglieder terroristischer Organisationen seien festgenommen worden. Das israelische Nachrichtenportal Ynet sprach von einem „Massenexodus“ aus Dschabalia, wo es seit Wochen zu heftigen Kämpfen kommt. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden. 

Kein Ende der Kämpfe in Sicht

Gespräche über ein Ende der Kämpfe unter Vermittlung der USA, Ägyptens und Katars kommen seit Monaten nicht vom Fleck. Daran änderte zunächst auch nichts die Tötung von Hamas-Chef Jihia Sinwar vergangene Woche. 

In dem Küstenstreifen mit mehr als zwei Millionen Einwohnern starben seit Kriegsbeginn nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 42.000 Menschen, etwa 100.000 wurden verletzt. 

Israel weitet Krieg im Libanon auf Finanzinstitute aus

Die israelische Armee bombardierte in der Nacht Finanzeinrichtungen der proiranischen Hisbollah, die ein wichtiger Machtpfeiler der Miliz sind. Die angegriffenen Einrichtungen und Anlagen seien von der Hisbollah „zur Finanzierung ihrer terroristischen Aktivitäten gegen den Staat Israel genutzt werden“, teilte die Armee mit.

Hisbollah-Gelder in Milliardenhöhe

Ins Visier gerieten Filialen der Vereinigung Al-Kard Al-Hassan, einer Art Bank der Hisbollah. Diese verwalte Gelder, mit den die Aktivitäten der Hisbollah finanziert würden, einschließlich des Kaufs von Waffen und der Zahlungen an Mitglieder des militärischen Flügels der Hisbollah, teilte die israelische Armee mit. In den Zweigstellen der Vereinigung würden Milliarden von Dollar verwahrt. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. 

Bericht: Israel will Vertrauen der Libanesen in Hisbollah erschüttern

Das Hauptziel der Angriffe auf die Al-Kard Al-Hassan bestehe darin, „das Vertrauen zwischen der Hisbollah und einem großen Teil der schiitischen Gemeinschaft zu erschüttern, die diese Vereinigung als Bankensystem nutzt“, zitierte das „Wall Street Journal“ einen israelischen Geheimdienstmitarbeiter. 

Israels Armee zerstört Wohnviertel und Dörfer im Libanon

Zweck des Angriffs sei, die Hisbollah so zu treffen, dass sie auch nach dem Krieg nicht mehr in der Lage sei, sich wieder aufzubauen und neu zu bewaffnen, sagte ein ranghoher israelischer Militärbeamter der Zeitung. 

Bislang hatte sich Israels Offensive im Libanon nach Angaben der Armee auf die militärische Infrastruktur der Hisbollah konzentriert, obwohl auch Wohngebäude zerstört und zivile Infrastruktur getroffen wurde. Im Süden des Landes zerstörte Israels Armee laut libanesischen Sicherheitskreisen mehrere Orte fast komplett. Auch ganze Wohngebiete in Beiruts Vororten liegen in Schutt und Asche. 

US-Vermittler zu Gesprächen im Libanon

Der US-Gesandte für den Nahen Osten, Amos Hochstein, setzte sich bei Gesprächen im Libanon dafür ein, den Krieg zwischen Israel und der Hisbollah von anderen Konflikten zu entkoppeln. „Es lag und liegt nicht im Interesse der Libanesen, die Zukunft des Libanon mit anderen Konflikten in der Region zu verknüpfen“, sagte er in Beirut nach einem Treffen mit dem libanesischen Parlamentsvorsitzenden Nabih Berri, der mit der Hisbollah verbündet ist. 

Die Hisbollah hatte vor einem Jahr mit neuem Beschuss auf Israel begonnen, nach eigener Darstellung zur Unterstützung der Hamas im Gazastreifen. Seitdem eskalierte der neue Konflikt zu einem weiteren, parallel laufenden Krieg. 

Hochstein reiste rund zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl in den USA in den Libanon, um über eine mögliche Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah zu beraten. Zwei Wochen vor der US-Wahl sei dieser Besuch Hochsteins „die letzte Chance (…), zu einer Lösung zu kommen“, sagte Berri vor den Gesprächen. Die beiden hätten sein „sehr konstruktives Treffen“ gehabt, sagte Hochstein.