Experten warnen aber vor zu viel Zuversicht

Ausgabe 238

(IZ/KNA). Muslimischen Lehrerinnen darf das Tragen von Kopftüchern an öffentlichen Schulen nicht länger pauschal verboten werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einem am 13. März veröffentlichten Beschluss entschieden. Die Richter kippten außerdem eine Vorschrift im nordrhein-westfälischen Schulgesetz, nach der christliche Werte und Traditionen bevorzugt werden sollen. Das benachteilige andere Religionen und sei daher nichtig.

Ein Kopftuchverbot an Schulen ist nach Ansicht der Richter nur dann gerechtfertigt, wenn durch das Tragen eine „hinreichend konkrete Gefahr“ für den Schulfrieden, oder die staatliche Neutralität ausgeht. Eine abstrakte Gefahr reiche nicht aus. Die Richter korrigierten damit ihr so genanntes Kopftuchurteil von 2003. Damals hatten sie den Ländern vorsorgliche Verbote erlaubt.

Erfolgreich geklagt haben damit zwei Frauen aus Nordrhein-Westfalen. Die Lehrerin und die Sozialpädagogin wandten sich gegen das gesetzliche Verbot, im Schuldienst ein Kopftuch, oder ersatzweise eine Wollmütze zu tragen. Die Verfassungsrichter sahen nun in dem pauschalen Verbot einen schweren Eingriff in die Glaubensfreiheit der Klägerinnen. Sie hätten plausibel dargelegt, dass das Kopftuchverbot ihre persönliche Identität berühre und ihnen sogar den Zugang zu ihrem Beruf verstelle. Damit sei auch der Gleichheitsgrundsatz berührt.

Nach dem Urteil prüfen die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Berlin Änderungen ihrer Schulgesetze. Eine Sprecherin der Senatsbildungsverwaltung sagte am 13. März, zunächst müssten die Entscheidungsgründe des Gerichts vorliegen.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung begrüßte die Aufhebung eines pauschalen Kopftuchverbots für Lehrerinnen durch das Bundesverfassungsgericht. Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) erklärte am Freitag vor Journalisten in Düsseldorf, sie freue sich sehr darüber, dass das 2006 auf Initiative der schwarz-gelben Vorgängerregierung ins Schulgesetz eingefügte Kopftuchverbot gekippt worden sei. Denn der Islam gehöre „zu einer multireligiösen Gesellschaft dazu“. Karlsruhe habe endlich „Rechtssicherheit“ geschaffen.

Die Ministerin appellierte an CDU-Oppositionsführer Armin Laschet, nach einer gemeinsamen Lösung im politischen Konsens zu suchen. Schließlich sei das Kopftuchverbot seinerzeit von CDU und FDP gegen den Widerstand von Rot-Grün durchgesetzt worden. Das Karlsruher Urteil sei ein „wichtiges Signal“ für die Lehrerinnen, die derzeit für den islamischen Religionsunterricht ausgebildet würden, so Löhrmann. Diese Lehrkräfte hätten jetzt für ihre Arbeit „eine klare Perspektive“. In NRW waren in der Vergangenheit etwa 20 Lehrerinnen vom Schuldienst ausgeschlossen worden, weil sie im Unterricht ihr Kopftuch tragen wollten. Führende Politiker von SPD und Grünen hatten wiederholt verlangt, das Kopftuchverbot aufzuheben.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Kopftuchverbot sah die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Brunhild Kurth, einen möglichen „Anpassungsbedarf“ für einige Schulgesetze der Länder. Das Urteil „lotet das Verhältnis von öffentlichem Dienst und religiöser Betätigung neu aus“, sagte die CDU-Politikerin am Rande der KMK-Frühjahrssitzung in Leipzig.

Die Länder würden sich „ihre Schulgesetze und weitere Regelungen“ mit Blick auf ihre Neutralitätspflicht noch einmal genau anschauen. Sie rate aber zur Gelassenheit. Letztlich müsse „vor Ort entschieden werden, wie mit dem Tragen religiöser Symbole in Unterricht und Schule umgegangen werden muss“. Lehrer, Schulleiter und Schulaufsicht müssten „mehr als bisher auf den Einzelfall schauen“, so Kurth.

Vor allem junge Musliminnen äußern sich sehr erfreut über das Urteil. Vielen war in den letzten Jahren die Karriere als Lehrerinnen versperrt, weil sie später mit Schwierigkeiten bei der Einstellung haben rechnen müssen. Nun hoffen viele, dass sich hier manch Grundlegendes ändern wird.

Andere, wie der frühere IGMG-Generalsekretär Mustafa Yeneroglu, ordneten die Karlsruher Entscheidung in die bestehende rechtliche und politische Ordnung ein. Generell bedeute das Urteil noch keine sofortige oder gar flächendeckende Aufhebung bestehender Kopftuchverbote. Zumal im konkreten Einzelfall natürlich immer noch verboten werden könne. Grundsätzlich wurde das Urteil innerhalb der muslimischen Community positiv begrüßt.

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