Führt Cameron einen „kalten Krieg“ gegen Muslime?

Ausgabe 240

(iz). Bei Wahlen gibt es einen häufig zu beobachtenden Mechanismus: Vorher sagt man sich, schlimmer kann es nicht mehr kommen. Hinterher ist man eines Besseren belehrt. Diese Erfahrung machen viele Briten, nachdem sie erkennen müssen, was die Torie-Regierung unter Premier David Cameron mit den verbliebenen Bürgerrechten anfangen will.

Jetzt, wo die Konservativen nicht mehr mit den liberalen Demokraten regieren müssen, sind sie frei, radikalere Vorhaben in die Tat umsetzen. Schon im März diskutierten die Tories Pläne, „gewaltfreie Extremisten“ im größeren Maße überwachen und reglementieren zu können. Großbritannien sei zu „passiv-tolerant“. Es reiche nicht, dass die Leute ihr Leben nach eigenen Wünschen führten, solange sie nur das Gesetz respektierten. Premier David Cameron sprach am 13. Mai vor dem Nationalen Sicherheitsrat. Dort enthüllte er Maßnahmen, die jenen Personenkreis betreffen, der partikuläre „extremistische“ Ansichten hegt, wenn er vom „britischen Konsens“ abweicht. „Zu lange blieben wir eine passiv-tolerante Gesellschaft. Wir sagten unseren Bürgern: ’Solange ihr das Gesetz respektiert, lassen wir euch in Ruhe’“, meinte Cameron. Dieses „Desinteresse“ habe zu einem Anstieg von Extremismus geführt.

Innenministerin, Theresa May, erklärte im Sender BBC 4, die Maßnahmen seien Teil „eines umfassenderen Bildes“. Es gehe der Regierung um die Förderung „britischer Werte“: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Toleranz sowie Anerkennung unterschiedlicher Religionen.

Konkret erlaubten die Befugnisse es Gerichten, die Nutzung sozialer Medien von Verdächtigen zu überwachen. Demzufolge müssten sie Mitteilungen auf Facebook oder Tweets bei der Polizei vorlegen. Die britische Kommunikationsbehörde Ofcom könne zukünftig Sender unter Druck setzen, keine Inhalte zu verbreiten, die in den Augen der Regulatoren „extrem“ seien.

Bei einem anderen Vorhaben erhielt Cameron Widerspruch aus den eigenen Reihen. Konservative Juristen und Mitglieder des Oberhauses legten nach seiner Ankündigung Widerspruch ein. Die Tories möchten ein Gesetz einbringen, das es dem Unterhaus erlaubt, Einzelentscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht anzuerkennen. Anerkannte Juristen wie Ken Clarke oder Dominic Grieve meinen, ein solches Vorhaben widerspräche der Konvention für Menschenrechte, für Grieve „Garantie für Chaos“.

Muslime in Großbritannien befürchten, dass die Regierung damit einen „Kalten Krieg“ gegen ihren Glauben führt. Das könne zu einem Anstieg von extremistischer Radikalisierung führen, meinte eine ehemalige konservative Ministerin.

Sayeeda Warsi war die führende muslimische Ministerin des Landes, bis sie im letzten Jahr, aus Protest gegen Camerons Politik gegenüber Muslimen, zurücktrat. Der Tageszeitung „The Independent“ sagte sie, Pläne für ein „hartes Durchgreifen“ bei einem „nicht-gewalttätigen Extremismus“ seien kontraproduktiv. Das entfremde Mainstream-Muslime von der britischen Gesellschaft.

Eine solche Politik müsse, wenn überhaupt, für „alle Gemeinschaften“ gelten. Jede „Form des Extremismus“ müsste darunter fallen, ohne die Gedanken zu kriminalisieren. Die Vorschläge der Regierung seien noch unausgereift. Unklar sei, was sie mit „nicht-gewalttätigem Extremismus“ meine. Nichtsdestotrotz gebe es beunruhigende Zeichen, dass die Strategie als Angriff auf die muslimische Gemeinschaft angesehen werde.

Hoffnung besteht bei manchen Beobachtern, dass Camerons Tories Gegenwind im Oberhaus erhalten. Dort haben die Konservativen keine Mehrheit.

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