Gazastreifen im Zangengriff Israels und Ägyptens. Von Saud Abu Ramadan und Jan-Uwe Ronneburger

Der Gazastreifen ist seit dem Umsturz in Ägypten eingekesselt. Darunter leiden die 1,7 Millionen Bewohner. Und die herrschende Hamas gerät in Bedrängnis. Was durchaus gewollt ist. Ausgerechnet Erzfeind Israel kommt den Palästinensern jetzt etwas entgegen.

Gaza/Tel Aviv (dpa). Mit dem Sturz des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi im Juli verlor die im Gazastreifen herrschende Hamas ihren Schutzpatron. Noch vergangenes Jahr wähnte sich die Organisation auf der Siegerstraße. „Wir haben dem zionistischen Feind eine Lektion erteilt“, brüstete sich der Hamas-Chef in der Enklave am Mittelmeer, Ismail Hanija, damals nach dem Ende eines blutigen Schlagabtausches mit Israel.

Nun aber hat das Militär wieder das Ruder in Ägypten übernommen und bekämpft die Muslimbruderschaft, aus der Mursi kam. Und zusammen mit Israel nehmen die Generäle auch den kleinen Ableger der Muslimbruderschaft, die Hamas, in den Schwitzkasten. Für die 1,7 Millionen Bewohner der Enklave wird der Alltag damit noch mühsamer als bisher.

Die neuen Machthaber in Kairo und Israel trennt vieles, aber sie eint der gemeinsame Gegner Hamas. „Das ägyptische Militär hat schon 90 Prozent aller Schmugglertunnel zerstört“, klagt der Sprecher des Hamas-Wirtschaftsministerium, Tarek Lubbad. Das kommt auch Israel sehr gelegen. Denn damit ist der Hauptnachschubweg für Waffen in die Enklave verstopft. Kairo nennt Sicherheitsinteressen als Grund. Das Einsickern von Kämpfern aus Gaza solle gestoppt werden, da sie sich an Angriffen von Islamisten auf dem Sinai beteiligt hätten.

Aber durch die Tunnel kamen nicht nur Kämpfer und Waffen, sondern auch Waren des täglichen Bedarfs, darunter billiger Treibstoff und auch alles Baumaterial. Die Folgen für die Menschen sind harsch. Die Stromsperren wurden von acht auf zwölf Stunden täglich verlängert, Betriebe stehen still, an Tankstellen bilden sich lange Schlangen, die Spritpreise verdoppelten sich, es fehlt an Medikamenten, Abwässer werden ganz ungeklärt ins Mittelmeer gepumpt und auch das Trinkwasser wird wegen stillstehender Pumpen knapp.

„Die meisten Baustellen stehen seit dem 30. Juni still und die Preise sind explodiert“ sagt der 42-jährige Unternehmer Schadi al-Bahtini. Etwa 80 000 Arbeiter und Angestellte verloren ihren Job. Einer von ihnen, der 33-jährige Mohamed Schwejk, hat sechs Familienmitglieder durchzubringen. „Seit Ende Juni bin ich arbeitslos“, klagt er.

Seine Hoffnungen ruhen jetzt paradoxerweise auf dem Erzfeind Israel. Denn während Ägypten die Grenze dicht macht, kündigten die Israelis eine weitere Lockerung der 2007 nach der Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen verhängten Blockade an.

Am Sonntag soll erstmals wieder Baumaterial für jedermann in die Enklave geliefert werden. „Ich hoffe, dass das wirklich stimmt, weil ich dann wieder Arbeit finden und meine Familie ernähren kann“, sagt Schwejk. Außerdem soll eine neue Trinkwasserpipeline in den Gazastreifen die jährliche Liefermenge auf zehn Millionen Kubikmeter verdoppeln.

Für die Hamas aber könnten sich diese Erleichterungen als vergiftete Geschenke erweisen. Denn Jerusalem hat sie mit der Palästinenserführung in Ramallah vereinbart. „Das ärgert die Hamas, weil die Verbesserungen durch Druck Ägyptens und des gemäßigten Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas zustande kamen“, meint der Politologe Abdul Madschid Swejlem in Ramallah. Die Hamas gerate ins Abseits. Das liegt in Israels Interesse, das zurzeit noch einiges mehr tut, um Abbas im Dauerstreit mit der Hamas zu stärken.

So erhöhte Israel die Zahl der Arbeitsgenehmigungen für Palästinenser aus dem Westjordanland auf 48 000, so viele wie seit dem Beginn der zweiten Intifada im Jahr 2000 nicht mehr, wie die Zeitung „Haaretz“ schrieb.

Abbas ist in Israel nicht unbedingt beliebt, aber er hat das Westjordanland in enger Zusammenarbeit mit Israel zu einer Insel der Stabilität in einem immer chaotischeren Nahen Osten gemacht. Und seine Unterhändler sprechen sogar wieder über einen Friedensvertrag mit Israel. Solche Kooperation ist für Israel mit der Hamas derzeit nicht zu haben.