Berlin/London (KNA). Seit Jahren ist der Südafrikaner Andrew Feinstein der internationalen Rüstungsindustrie und ihren Geschäften auf der Spur. Seine Recherchen hat er unter anderem in dem 2012 auf Deutsch erschienenen Buch „Waffenhandel“ zusammengetragen. Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erläutert der 49-Jährige, was sich in Deutschland ändern müsste, damit es im Rüstungsgeschäft transparenter zugeht.
Frage: Herr Feinstein, welche Rolle spielt Deutschland im internationalen Waffenhandel?
Feinstein: Eine sehr wichtige. Deutschland ist im internationalen Vergleich stets unter den fünf größten Exporteuren zu finden. Aktuell liegt die Bundesrepublik auf Rang drei. Das macht sie zu einem Schlüsselakteur im weltweiten Rüstungsgeschäft.
Frage: Wer sind die wichtigsten Abnehmer?
Feinstein: Der größte Markt ist in den USA. Die Vereinigten Staaten geben für Waffen und Verteidigung annähernd so viel aus wie der Rest der Welt zusammen. Die Staaten des Mittleren Ostens kaufen ebenfalls in erheblichem Umfang ein, ebenso wie andere Länder, die in konfliktträchtigen Regionen liegen. Die Märkte mit den größten Wachstumsraten sind allerdings Indien und Brasilien. Das liegt an ihrer gestiegenen wirtschaftlichen Bedeutung und ihrem Einfluss auf die Weltpolitik.
Frage: In Deutschland entscheidet ein aus neun Mitgliedern bestehendes Gremium über die Rüstungsexporte: der Bundessicherheitsrat. Ein sinnvolles Vorgehen?
Feinstein: Ich denke, dass der Bundessicherheitsrat zu schmal besetzt ist und seine Beratungen zu sehr hinter den Kulissen ablaufen. In Anbetracht der engen Verbindungen zwischen politischen Parteien, hochrangigen Regierungsvertretern und deutschen Rüstungsproduzenten ist dieses Gremium schlicht ungeeignet, um über die Ausfuhr von Waffen zu befinden. Die Entscheidung über Rüstungsexporte sollte sich an Prinzipien und Werten orientieren – und nicht an den politischen Launen der jeweiligen Regierung.
Frage: Aber wird das nicht bereits durch Richtlinien wie die „Politischen Grundsätzen“ der Bundesregierung sicher gestellt?
Feinstein: In der Theorie sind die deutschen Richtlinien sicher gut. Aber wie in den meisten Ländern werden sie mangelhaft beachtet und durchgesetzt. Es ist eine traurige Tradition, dass deutsche Waffenlieferungen immer wieder in Krisengebiete gelangen, in die Hände von Regimes, die die Menschenrechte verletzen oder in Länder, in denen die Regierenden die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung behindern.
Frage: Das wird nicht nur auf die Exporte aus Deutschland zutreffen.
Feinstein: Trotzdem: Deutsche Rüstungsdeals sind gekennzeichnet durch ein hohes Maß an Korruption, was selten untersucht, geschweige denn strafrechtlich verfolgt wird. Weil die Bande zwischen Waffenherstellern und politischen Parteien in Deutschland sehr eng sind, erschwert das eine angemessene Aufsicht und Reglementierung des Waffenhandels.
Frage: Was bedeutet das?
Feinstein: Kürzlich erst wurden Waffen an Israel, Pakistan, Saudi Arabien, Griechenland, die Türkei und viele andere Länder verkauft. Die beiden Essener Unternehmen ThyssenKrupp und Ferrostaal etwa waren in diesem Zusammenhang in mehrere Korruptionsskandale involviert. Diese wurden selbst in ihren internen Prüfungsberichten als „systematische“ Verwicklungen in „fragwürdige Zahlungen“ bezeichnet.
Frage: Einige Parteien in Deutschland fordern mehr Mitspracherechte für den Bundestag bei der Kontrolle von Rüstungsexporten. Könnte das für mehr Transparenz sorgen?
Feinstein: Ja, wenn es sich um ein parteiübergreifendes Gremium handelt, das Entscheidungen eher im Konsens als über Abstimmungen erzielt und das öffentlich tagt. Sicher mag es Dinge geben, die aus Gründen technischer Geheimhaltung oder wegen Sicherheitsbedenken in Klausur bleiben müssen. Aber der Großteil der Sitzungen sollte offen zugänglich sein.
Frage: In Ihrem Buch „Waffenhandel“ schreiben Sie, dass es bei Rüstungsexporten fast zwangsläufig einen Hang zur Geheimhaltung gibt. Kennen Sie ein Land, das diesen Konflikt löst?
Feinstein: Das Land, das einem transparenten System am nächsten kommt, ist Norwegen. Aber auch da gibt es Verbesserungsbedarf.
Frage: Haben Sie den Eindruck, dass durch Veröffentlichungen wie Ihr Buch Bewegung in die Debatte gekommen ist?
Feinstein: Ich denke, dass mehr Menschen für die Besonderheiten der Branche sensibilisiert sind; etwa für ihre oft verdeckten Machenschaften und ineffizienten Methoden, die zu massiver Korruption und oft suboptimalen Lösungen für die nationalen Sicherheitsstrategien führen. So gesehen unterläuft der Waffenhandel genau die Sicherheitsvorkehrungen, die er zu stützen vorgibt.
Frage: Das klingt, als stecke die Diskussion noch in den Anfängen.
Feinstein: Aus meinem Buch entsteht gerade ein Film. Und bei den Vereinten Nationen ist im April ein internationales Waffenabkommen verabschiedet worden. Wie wirkungsvoll der Vertrag ist, werden wir sehen.