Hintergrund: Syriens Rebellen wollen den Sieg für sich allein

(dpa) «Der Rat der Gotteskrieger hat den Grenzübergang Bab al-Hawa eingenommen – Gott ist groß», rufen die Männer. Sie reißen Bilder von Präsident Baschar al-Assad und seinem Vater Hafis von den Wänden. Während einer ihrer Gesinnungsgenosse filmt, strecken die syrischen Rebellen in Siegerpose ihre automatischen Waffen gen Himmel. Doch lange können sie den Grenzposten nicht halten. In der Nacht schlagen die Regierungstruppen zurück. Die Moral der Armee hat seit dem Bombenanschlag auf den Krisenstab in Damaskus zwar stark gelitten, aber die Regierungseinheiten sind immer noch deutlich besser ausgerüstet. Das könnte sich allerdings demnächst ändern. Denn die Regimegegner haben in den vergangenen Tagen mehrere Polizeiwachen und Stützpunkte der Armee gestürmt. Dabei fielen ihnen auch schwere Waffen in die Hände.

In den vergangenen Monaten sei die Beschaffung von Waffen und Munition noch sehr mühsam gewesen, berichtet Omar Schawaf, Mitglied des oppositionellen Syrischen Nationalrates. Während die Armee ihren Nachschub ganz offiziell aus Russland erhielt, mussten sich die Rebellen Panzerfäuste und Maschinenpistolen von zwielichtigen Waffenhändlern und korrupten Offizieren der Regierungstruppen beschaffen. Wenn sie einen Panzer erbeuteten, wurde ein Schlosser geholt, um das Maschinengewehr abzumontieren und anschließend auf einem geländegängigen Auto zu befestigen.

Die Deserteure brachten zwar meist ihre eigenen Waffen mit. Doch auch ihnen fehlte es an Munition. Deshalb sah man sie auch nicht – anders als die libyschen Rebellen im vergangenen Jahr – sinnlos vor Fernsehkameras herumballern.

Schawaf räumt zwar ein, dass die Kämpfer auch Unterstützung aus Katar, aus Saudi-Arabien und einigen anderen Golfstaaten erhalten haben. Doch er besteht darauf: «95 Prozent der Waffen haben sich die Syrer selbst beschafft.» «Die Katarer haben nur 20 Millionen US-Dollar (16,4 Millionen Euro) gespendet, das reicht nicht einmal für zwei Tage Revolution», erklärt der in Istanbul ansässige Exilant.

Über die Schmuggelrouten der Rebellen gibt es wenige gesicherte Erkenntnisse. Ein Teil des Nachschubs wird durch die Türkei geschleust, die selbst aber offiziell keine Waffen liefert. Der US-Geheimdienst soll in der türkischen Grenzprovinz Hatay versucht haben, zu verhindern, dass die Waffen in die Hände von islamistischen Dschihadisten gelangen. Doch dabei war er nach Einschätzung der säkularen Opposition nicht immer erfolgreich.

Weitere Waffen sollen über den Libanon kommen, wo die Preise für Handfeuerwaffen in den vergangenen Monaten aufgrund der Nachfrage aus Syrien stark gestiegen sind. Weniger bedeutend ist dagegen nach Angaben von Regimegegnern der Schmuggel aus dem Irak, obwohl dort auf dem Schwarzmarkt auch alles zu haben ist.

Inoffiziell ist zu hören, die Golfaraber hätten ihre Unterstützung nicht den Deserteuren der Freien Syrischen Armee zukommen lassen, sondern vor allem Freiwilligentrupps mit radikal-islamistischem Hintergrund. Da erstaunt es nicht, dass eine Gruppe von «Revolutionären» vor einigen Wochen ein Video ins Netz stellte, das zeigte, wie eine Gruppe von Bewaffneten in der syrischen Provinz unter lauten «Allahu-akbar-Rufen» einen Lastwagen mit Alkohol-Flaschen beschlagnahmt und die Ladung zerstört.

Doch auch der Sprecher der islamistisch angehauchten Front der Syrischen Revolutionäre spielt die Hilfe durch die Golfaraber herunter. «Wir haben nur Geld von einigen Syrern und arabischen Spendern erhalten, aber keine Organisation hat uns irgendwelche Unterstützung zukommen lassen. Wir haben keine Waffen ins Land geschmuggelt, sondern alles im Land gekauft oder erbeutet.»

Auf die Frage, ob seine Front auch Alawiten oder Angehörige anderer Minderheiten aufnehmen würde, sagt der Sprecher, der sich nur mit seinem Vornamen Anas identifiziert: «Wir akzeptieren nur Muslime, aber wir würden mit den anderen auch zusammenarbeiten.» Der Sturm auf die Grenzübergänge sei eine Gemeinschaftsaktion der Front und der Freien Syrischen Armee (FSA) gewesen.

Die FSA, die von Deserteuren im vergangenen Jahr gegründet worden war, hat seit dem Wochenende großen Zulauf erhalten, berichtet Hauptmann Amar al-Wawi, der schon seit einigen Monaten dabei ist. Er rechnet in den nächsten Tagen mit weiteren Überläufern. Dass Russland mit seinem Veto jetzt zum dritten Mal eine UN-Resolution verhindert hat, die das Regime unter Druck setzen sollte, ist ihm völlig egal. Er sagt: «Als wir von der internationalen Gemeinschaft Hilfe wollten, kam sie nicht. Jetzt werden wir den letzten Teil des Weges auch noch alleine schaffen.» Seine Botschaft lautet: Wir haben die Opfer gebracht. Der Sieg soll jetzt allein unser Sieg sein.