Hintergund: Internationale Konferenz gegen Islamfeindlichkeit in Istanbul

Ausgabe 220

Istanbul (KNA). Von den Mohammed-Karikaturen bis zum Schweizer Minarett-Verbot: Die Teilnehmer einer „Internationalen Islamophobie-Konferenz“ in Istanbul sind sich einig, dass mehr gegen eine Tendenz getan werden müsse, die den Islam mit Gewalt und Extremismus gleichsetze. Doch die von der türkischen Regierung organisierte und am Donnerstag eröffnete zweitägige Konferenz bietet keine einfachen Antworten. Islamophobie ist in der Türkei ein Schlagwort geworden, das häufig verwendet wird, wenn es um die Beziehungen zum Westen geht. Die islamisch geprägte Regierung des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan erklärt die Probleme bei seiner EU-Bewerbung unter anderem mit Widerständen der Europäer gegen die Aufnahme eines muslimischen Landes.

Selbst wenn solche Motive von einigen europäischen Politikern offen eingeräumt werden: Manche in der Türkei neigen zu einer Überstrapazierung des Islamophobie-Arguments. Erst am vorigen Wochenende klagten nach der Niederlage Istanbuls bei der Vergabe der Olympischen Sommerspiele des Jahres 2020 türkische Politiker, das Internationale Olympische Komitee habe sich für Tokio entschieden, weil es die Spiele nicht in einem islamischen Land veranstalten wolle. Einige schlugen vor, eine Art Islamische Spiele ins Leben zu rufen.

Dass Islamophobie ein ernsthaftes Problem darstellt, steht für die Teilnehmer der Istanbuler Konferenz außer Frage. Der türkische Vize-Ministerpräsident Bülent Arinc sprach zur Eröffnung von einem „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, das entschieden bekämpft werden müsse. Der Generalsekretär der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC), Ekmeleddin Ihsanoglu, berichtete von „Hetze gegen die religiösen Gefühle von 1,6 Milliarden Muslimen“.

Ihsanoglu sprach von einer dreistufigen Entwicklung im Westen: Zuerste werde Islamfeindlichkeit unter den Schutz der Meinungsfreiheit gestellt, dann werde die Islamophobie von rechtsgerichteten Politikern instrumentalisiert, und schließlich werde sie „institutionalisiert“.

Besonders die Rolle der Medien bei der Verbreitung islamfeindlicher Tendenzen wurde in Istanbul diskutiert. Der US-Professor John Esposito sagte, im Jahr 2001 hätten sich nur zwei Prozent der Nachrichtentexte im Westen mit gewalttätigen islamischen Extremisten befasst – zehn Jahre später habe der Anteil 25 Prozent betragen. Der iranische Politologe Saied Reza Ameli sagte, die Medien verstärkten mit ihrer Darstellungsweise die „Atmosphäre der Gewalt“. Der stellvertretende Ministerpräsident Arinc kritisierte, in westlichen Medien werde der Islam häufig mit gewalttätigem Extremismus in Verbindung gebracht.

Allerdings wird dieser Zusammenhang auch von Menschen in islamischen Ländern hergestellt, wie eine vor einigen Tagen vorgestellte Umfrage des PEW-Instituts in den USA zeigte: Demnach sind zwei von drei Bürgern in islamischen Staaten besorgt angesichts des islamischen Extremismus.

Zudem seien auch Staaten mit vorwiegend muslimischer Bevölkerung nicht gefeit vor einer feindseligen Haltung dem Islam gegenüber, sagte die türkische Anwältin Fatma Benli. Sie verwies darauf, dass fromme Muslime wegen ihres Kopftuches in der Türkei nach wie vor von vielen Berufen ausgeschlossen seien. Benli selbst konnte ihr Studium nicht beenden, weil sie ein Kopftuch trägt. Mehrere hunderttausend Türkinnen und ihre Familien hätten über die Jahre unter dem mit Hinweis auf den Laizismus begründeten Kopftuchverbot im öffentlichen Leben der Türkei zu leiden gehabt. Richterinnen, Lehrerinnen und Parlamentsabgeordnete dürfen in der Türkei kein Kopftuch tragen, Studentinnen ist das Kopftuch erst seit einigen Jahren erlaubt.