Im Inneren der Panikmacher

Ausgabe 249

Foto: Westendverlag

(iz). In seinem Buch „Angst ums Abendland“, erschienen im Jahr 2015 in der Westend Verlag GmbH, liefert Autor und Redakteur der taz, Daniel Bax, Antworten auf Fragen, die in der aktuellen „Anti-Islamdebatte“ kaum oder keine Beachtung finden. Sein 288 Seiten umfassendes Werk bietet den Lesern gut recherchierten und ansprechend aufbereiteten Lesestoff, nebst einer Vielzahl von Quellennachweisen im Anhang, die dem Thema die notwendige Transparenz und Authentizität verleihen.
In der vorgegebenen Kapitelstruktur wendet sich Bax fundiert drei Teilbereichen zu. Die Gliederung in Teil 1 „Eine kurze Geschichte der Islamophobie“, Teil 2 „Klischees und Konflikte“ sowie Teil 3 „Wie geht der Kampf weiter?“, ist als grundlegende und notwendige Erzählstruktur zu verstehen, die den jeweils darunter gefassten Kapiteln Raum gibt zu wirken.
Bax gelingt es in einem klaren und verständlichen Sprachstil, den Leser mitzunehmen, ohne sich dabei irgendeiner Polemik zu bedienen. Bereits im Vorwort schafft er den Bezug zu seiner Autorintention – ein Stelldichein, das weder anklagt noch verurteilt, sondern einen Zustand beschreibt, der dem Leser die Identifikation mit dem Stoff wunderbar ermöglicht und auch den „Kritiker“ abzuholen vermag. Im ersten Teil bringt Bax die globalen historischen Entwicklungen der „Anti-Islamdebatte“ ins Heute und gibt damit einen Überblick, der unmittelbar erkennen lässt, dass das „antimuslimische Phänomen“ alles andere als ein neuzeitliches ist.
Den Rückblick in die vergangenen Jahrhunderte, eine kurzweilige und nachhaltig informative Zeitreise, braucht es unbedingt, um den Bogen zum heutigen antimuslimischen Rassismus, der AfD, PEGIDA und Co., dem Kopftuchverbot, Seiten wie pi-news.net und den selbsternannten „Islamexperten“ wie Ayaan Hirsi Ali, Udo Ulfkotte, Hamad Abdel-Samad und anderen, schlagen zu können. Immer wieder schafft es Bax mittels nachdrücklicher Bildsprache, die verheerende Einseitigkeit der Darstellung des Islam zu durchbrechen.
Islam-Bashing ist in bestimmten Kreisen ein Volkssport geworden und Satiriker wie Andreas Thiel sind der beste Beweis, dass nicht nur der Islam Hassprediger kennt. Dabei wird einmal mehr deutlich, dass es einen fatalen Gleichklang von Kriegern und Kritikern im Suren-Pingpong gibt – „Islamkritiker“ und der IS hauen damit in die gleiche Kerbe. „Wie kann man ein Buch so unterschiedlich lesen?“, fragt sich der Autor. „Bei den Koran-Attacken geht es um Aufmerksamkeit und selbstgerechte Darstellung, nicht um Antworten oder einen ernsthaften Austausch von Argumenten“, so der Autor weiter. In einem Zitat der Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor heißt es: „Leider wird hierzulande oft die legitime Kritik mit Diffamierung verwechselt.“ „Islam-Bashing“ ist ein Geschäft und eine florierende Industrie geworden …“, was Bax an prominenten Beispielen wie Ayaan Hirsi Ali, Necla Kelek, Henryk M. Broder und Hamad Abdel-Samad akzentuiert schildert.
Immer wieder kommen in „Angst ums Abendland“ auch jene zu Wort, die zweifelsfrei widerspiegeln, wie fundiert und solide an diesem Buchprojekt gearbeitet wurde. Der Islamwissenschaftler Michael Kiefer vom Institut für Islamische Theologie in Osnabrück, hält den bekenntnisorientierten Islamunterricht an öffentlichen Schulen unter staatlicher Aufsicht für ein geeignetes Mittel gegen islamistische Rattenfänger und Radikalisierung. Bax zeichnet die Entwicklung des antimuslimischen Kulturkampfes innerhalb des eigenen Landes, der Europäischen Union und den USA.
Nach 9/11 wurde eine Ära des gesellschaftlichen und politischen Generalverdachts gegenüber Muslimen und ihrer Religion eingeläutet, ohne jegliche Differenzierung von Islam als Religion und Islamismus als faschistische Ideologie. Rechtspopulisten brandmarken den Islam schon lange als „faschistische Ideologie“, doch Rassismus wollen sie sich nicht andichten lassen. „Der neue Rechtspopulismus zeigt sich offen für alle, er ist inklusiv und divers, schmückt sich geradezu mit seiner Vielfalt, um sich von alten Rechtsextremen abzuheben“, so der Autor. Jeder könne also mitmachen, es sei denn, er ist Muslim und geht ab und zu in die Moschee.
Besonders gelungen sind jene Kapitel, die die Tragweite der politischen Konstrukte reflektieren, auch in Kreisen der CDU und SPD. Bemerkenswert wird deutlich, dass auch innerhalb der gängigen Parteienlandschaften die Rechtspopulisten eine wesentliche Funktion übernehmen – sie sprechen offen aus, irrigerweise getarnt als Verteidigung der Meinungsfreiheit und eines fehlinterpretierten Patriotismus, was die vermeintliche Appeasement-Politik verbietet.
Mit „Angst ums Abendland“ ist Daniel Bax eine fundierte, ansprechende und solide Arbeit gelungen, was in der Bücherflut von Angst säenden Verschwörungstheoretikern und selbsternannten und geschäftstüchtigen „Islamkritikern“ als authentisches, aufklärendes und nachhaltiges Kontrastwerk gefeiert werden kann. Prädikat: Das Must-read unserer Zeit.
Daniel Bax
Angst ums Abendland: Warum wir uns nicht vor Muslimen, sondern vor den Islamfeinden fürchten sollten
Westend, August 2015
Taschenbuch, 288 Seiten
ISBN: 978-3864890994
Preis: EUR 17,9 (Kindle: 13,99)