(iz). Wenn wir Islam hören, assoziieren wir damit fast automatisch die arabischsprachige Welt, Saudi-Arabien, Ägypten, Marokko, Syrien oder aber nicht-arabische Länder wie die Türkei, Afghanistan oder Pakistan. Südostasiatische Länder fallen den wenigsten ein. Dabei ist es in Südostasien, wo die zahlenmäßig größte muslimische Bevölkerung weltweit lebt. Vor allem in Indonesien und Malaysia, aber auch in Kambodscha, Thailand oder den Philippinen. Eine hervorstechende Eigenschaft der Geschichte des Islam in Südostasien ist, dass sich die islamische Religion friedlich verbreitet und entwickelt hat und auch heute noch in den meisten Gebieten in harmonischem Einklang mit anderen Religionen und verschiedenen Traditionen und Kulturen zu finden ist.
Das Buch ist aus einer persönlichen Perspektive und sehr zugänglich geschrieben. Die Autorin hat selbst mehrere Jahre in Südostasien gelebt, studiert, gearbeitet und geforscht und Land und Leute im alltäglichen Leben und Miteinander kennengelernt. So ist sie auch mit dem Islam und den dort lebenden Muslimen in Kontakt gekommen und hat ihre Religion und Kultur kennengelernt, wie sie im folgenden Abschnitt in ihrem Buch beschreibt:
„Ganz natürlich nahm eine indonesische Freundin nach dem Erklingen des Gebetsrufes ihr weißes Gebetskleid, breitete ihren Teppich aus und begann vor meinen Augen zu beten. Das war das erste Mal, dass ich wirklich jemanden richtig beten sah. Was mich damals beeindruckte, war, dass es scheinbar das Natürlichste auf der Welt war, zwischen Gesprächen, Tee trinken, Studieren oder Arbeiten, einfach mal eine kleine Pause einzulegen, um mit Gott zu kommunizieren.“
Die Beschreibungen der Autorin sind blumig und einfühlsam. Beim Lesen wird klar, dass Claudia Seise eine besondere Verbindung zu der Region und besonders zu Indonesien hat. Sie beschreibt Festivitäten und Alltägliches aus einer Insider-Perspektive heraus. Und auch die gewählten Themen zeugen von einem sowohl breiten als auch tiefen Wissen über den Islam in Südostasien. Die Autorin ist promovierte Südostasienwissenschaftlerin. Ihre Dissertation „Religioscapes in Muslim Indonesia: Personalities, Institutions and Practices“ hat sie an der Humboldt Universität 2017 verteidigt und im Regiospectra Verlag veröffentlicht. Das Besondere an „Im Zentrum der Peripherie“ ist, dass die Autorin nun versucht hat, das spezialisierte Wissen ihres Faches einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Sie hat zumindest mit der Veröffentlichung dieses Buchen den akademischen Elfenbeinturm verlassen.
In der persönlichen Einleitung zu ihrem neuen Buch spricht sich die Autorin ganz klar gegen islamischen Extremismus aus. Sie hat, so schreibt sie, absichtlich nicht über Extremismus in der südostasiatischen Region geschrieben:
„Meiner Meinung nach wird dem Extremismus sehr viel Bedeutung beigemessen; vielleicht mehr als er eigentlich verdient, weil es vor allem in Bezug auf Islam in Südostasien eine Randerscheinung darstellt. Wenn auch eine Lautstarke. In diesem Sammelband verneine ich also nicht, dass es Extremismus und auch Intoleranz gibt, doch es ist meine Entscheidung genau diesem Extremismus keine weitere Stimme und Plattform zu geben.“
Sie schreibt weiter, dass es die kulturelle Sichtweise auf den Islam ist, die sie immer wieder beschäftigt. Und es ist diese kulturelle Sichtweise, die sie ausführlich und mit Herzblut beschreibt. Dass Frau Seise selbst Muslima ist, gibt ihren Texten zusätzlich Gewicht. Sie schreibt mit Liebe und Hingabe und ohne apologetische Rechtfertigung über islamische Rituale und das alltägliche muslimische Leben.
Die Aufsätze und Artikel in diesem Buch haben einen großen Fokus auf Indonesien, aber auch Interessantes über Muslime in Malaysia und Kambodscha ist zu finden und über indonesische Muslime in Deutschland. Die Aufsätze zeigen Facetten über muslimisches Leben in Südostasien und erzählen Geschichten, die den Leser überraschen werden. Eine organische Farm mit einer islamischen Philosophie, islamische Gold- und Silbermünzen, die auf Märkten Verwendung finden, islamische Internate, das Besondere am Ramadan in Indonesien, Geburtstagsfeiern für den Propheten Muhammad, und eine indonesische Moschee in Berlin, sind nur einige Beispiele aus der bunten Vielfalt der vorliegenden Kapitel. Claudia Seise schreibt auch über inter-religiösen Dialog in Indonesien, über Aktivitäten von deutschen Hilfsorganisationen und über eine muslimische Minderheit in Kambodscha.
„Im Zentrum der Peripherie: Über Muslimisches Leben in Südostasien“ ist eine interessante und erfrischende Abwechslung zum Mainstream-Angebot auf dem Büchermarkt. Es nimmt den Leser mit auf eine Reise in eine uns noch recht fremde Region. Das Buch hat das Potential, Vorurteile über den Islam und gegenüber Muslimen abzubauen, und kann zum besseren Miteinander beitragen. Der Autorin ist ein wichtiger Beitrag zum inter-kulturellen und interreligiösen Dialog gelungen.
Claudia Seise, „Im Zentrum der Peripherie: Über Muslimisches Leben in Südostasien: Artikel und Aufsätze“, epubli, Oktober 2018, Taschenbuch, 212 Seiten, ISBN 978-3746768397, Preis: EUR 15.–
Im Zentrum der Peripherie
Ausgabe 282