
Die Erleichterung ist riesig. Nach weit mehr als einem Jahr sollen Geiseln der Hamas sowie palästinensische Gefangene freikommen. Das Abkommen tritt am 19. Januar in Kraft.
(KNA, dpa, iz). Israel und die Hamas im Gazastreifen haben sich auf einen Waffenstillstand und die Freilassung von israelischen Geiseln und palästinensischen Gefangenen geeinigt. Das Abkommen werde am 19. Januar in Kraft treten, erklärte der katarische Ministerpräsident Scheich Mohammed Al-Thani am Mittwochabend vor Medien.
Zuvor sind nach Angaben des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu „finale Details“ zu klären. Regierung und Sicherheitskabinett müssen der Vereinbarung zustimmen. Das soll laut Medienberichten heute geschehen.
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Gaza: Ab 19. Januar sollen Kampfhandlungen eingestellt werden
Die erste Phase des Abkommens beinhaltet laut Al-Thani eine Einstellung der militärischen Operationen für 42 Tage und den Rückzug der israelischen Armee aus den bevölkerten Gebieten des Gazastreifens zu dessen Grenzen. Dies werde einen Austausch von Geiseln und Gefangenen sowie die Rückkehr von Vertriebenen ermöglichen. Danach sollen zwei weitere Phasen folgen.
US-Präsident Biden bestätigte das Ergebnis. Der Verhandlungserfolg sei auf die „hartnäckige und sorgfältige amerikanische Diplomatie“ zurückzuführen, hieß es in einer Stellungnahme von Mittwochabend. Es sei höchste Zeit, dass die Kämpfe enden und die Arbeit für Frieden und Sicherheit beginne.
Die Angehörigen der verbliebenen 98 israelischen Geiseln zeigten sich erleichtert über das Abkommen. „Seit November 2023 haben wir diesen Moment sehnsüchtig erwartet“, heißt es in einem Statement des Forums der Geisel- und Vermisstenfamilien von Mittwochabend. Es handele sich um einen bedeutenden Schritt, der die Rückkehr aller Geiseln näherbringe. Gleichzeitig sorge man sich darum, dass die Vereimbarung möglicherweise nicht vollständig umgesetzt werden und Geiseln zurückbleiben könnten.
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UN-Nothelfer sehen Hoffnung für Millionen in Gaza
Die Übereinkunft biete „dringend benötigte Hoffnung für Millionen Menschen, deren Leben durch diesen Konflikt zerstört wurden“, sagte UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher. Der wichtige Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und Gaza soll bereits heute Morgen wieder eröffnet werden. Entsprechende Anweisungen seien eingegangen, bestätigte ein Sicherheitsbeamter der dpa. Rund 600 Lastwagen mit Hilfslieferungen wurden demnach für die Einfuhr vorbereitet.
Die ohnehin schon miserable humanitäre Lage in dem abgeriegelten Küstenstreifen am Mittelmeer hat sich durch die monatelangen Bombardierungen nochmals dramatisch verschärft. Mittlerweile leiden mehr als 90 % der Zivilbevölkerung nach UN-Angaben starken Hunger. Es fehle an Wasser, Notunterkünften und Arzneimitteln.
Mehrere arabische Staaten begrüßten die Einigung auf eine Waffenruhe. „Mit dieser Ankündigung endet eine blutige Seite in der Geschichte des palästinensischen Volkes, das unter der israelischen Aggression schwer gelitten hat“, erklärte Libanons geschäftsführender Ministerpräsident Nadschib Mikati. Beide müssten sich nun an die getroffenen Vereinbarungen halten, um dem Leiden der Geiseln und der palästinensischen Häftlinge ein Ende zu setzen, hieß aus dem Außenministerium der Vereinigten Arabischen Staaten.
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Macron: Abkommen muss eingehalten werden
Das Abkommen müsse eingehalten werden, forderte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Er pocht auf eine politische Lösung des Nahost-Konflikts. Nach 15 Monaten „eines nicht zu rechtfertigenden Martyriums“ gebe es Erleichterung für die Menschen in Gaza und Hoffnung für die Geiseln und ihre Familien. Der türkische Präsident Erdogan teilte mit, er hoffe auf dauerhaften Frieden und Stabilität. Seine Regierung pflegt enge Beziehungen zur Hamas.
Das Abkommen müsse „rigoros umgesetzt werden“, verlangte auch US-Verteidigungsminister Lloyd Austin. Mit „Führung und Weisheit können wir Fortschritte auf dem Weg zu dem Tag machen, an dem Israelis und Palästinenser Seite an Seite in Frieden und Sicherheit in zwei souveränen Staaten leben, in gegenseitiger Sicherheit und Würde“.
Tiefes Misstrauen nährt Skepsis
Angesichts des tiefen Misstrauens zwischen beiden Seiten ist offen, ob sich Israel und die Hamas über Wochen an die vereinbarten Schritte halten werden. So ist fraglich, ob man sich in der zweiten Phase der Abmachung auf die Freilassung der restlichen Geiseln wird einigen können.
Netanjahu sieht sich jetzt schon mit Vorwürfen konfrontiert, er habe mit dem jetzigen Deal die vorerst weiter im Gazastreifen verbleibenden Geiseln im Stich gelassen. Beobachter warnen, dass die Kämpfe nach Ablauf der Waffenruhe wieder beginnen könnten – zumal es auf beiden Seiten Befürworter einer Fortsetzung des Krieges gibt.