Kein „Hotel“ für Extremisten

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Wenn es darum geht, gefährliche Extremisten abzuschieben, ist die Bundesregierung auf den Kooperationswillen der Herkunftsländer angewiesen. Nun will die Türkei IS-Familien loswerden. Deutschland kann sich dabei nicht wegducken.

Istanbul/Berlin (dpa/iz). Die Türkei will ausländische Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) möglichst schnell loswerden. Daraus macht sie keinen Hehl. Das Land sei schließlich kein „Hotel“ für IS-Kämpfer, wetterte Innenminister Süleyman Soylu vergangene Woche. Den europäischen Verbündeten, namentlich Großbritannien und den Niederlanden, warf er vor, sie drückten sich vor der Verantwortung.

Deutschland muss sich dem Problem nun stellen: Noch in dieser Woche schiebt die Türkei mindestens sieben deutsche mutmaßliche IS-Mitglieder ab: Fünf Frauen und zwei Männer, mit ihnen zwei Kinder. Einen deutschen IS-Anhänger will die Türkei sogar schon zurückgeführt haben, was Berlin aber nicht bestätigt.

Was die Menschen getan haben, die diese Woche zurückkehren sollen, ist im Detail noch nicht bekannt. Die Türkei bezeichnet sie allesamt als „ausländische Terroristenkämpfer“. Allerdings ist noch unklar, ob es sich wirklich bei allen von ihnen um „Kämpfer“ handelt. Ob sie allesamt in Syrien aufgegriffen wurden oder sich doch schon länger in der Türkei aufhalten, wo der IS in der Vergangenheit zahlreiche Terroranschläge verübt hat.

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Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagt, es sei noch nicht nachgewiesen, ob es bei allen von ihnen einen Bezug zum IS gebe. Die türkischen und deutschen Behörden befinden sich zwar im Dialog, der Austausch der Informationen scheint aber noch nicht optimal. Bundesaußenminister Heiko Maas forderte von der Türkei schnelle und ausführliche Informationen darüber, ob die betroffenen Personen „Bezug zu IS-Kampfhandlungen“ hätten. Zwischen der Übermittlung der Personalien und der geplanten Abschiebung nach Deutschland liegen nur wenige Tage.

Zu den Frauen, die nun abgeschoben werden sollen, gehören dem Vernehmen nach auch „Ausbrecherinnen“, denen es nach Beginn der türkischen Militärintervention in Nordostsyrien im Oktober gelungen war, sich von dem Gefangenenlager Ain Issa in Richtung Türkei aufzumachen. Eine von ihnen soll eine Konvertitin aus Hamburg sein. Der Mann, mit dem sie einst ins IS-Gebiet aufgebrochen war, soll schon vor Jahren getötet worden sein. Einige der Frauen, die jetzt kommen sollen, hatten laut Medienberichten zuvor bereits erfolglos versucht, nach Deutschland zurückzukehren.

Für die Gefangenenlager in Nordsyrien waren bislang die von der YPG geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) zuständig. Schätzungsweise 10.000 IS-Kämpfer waren in SDF-Lagern gefangen, davon 2000 ausländische Kämpfer. Im Oktober gab es mehrere Berichte von Gefängnisausbrüchen. Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, hat Ende Oktober erklärt, die Haftanstalten und Lager, in denen die IS-Kämpfer und ihre Familien festgehalten würden, stünden nicht mehr unter so strenger Bewachung wie bisher. Einige wenige deutsche Frauen seien zwar aus einem Lager entkommen, für die „uns bekannten Kämpfer“ gelte dies aber bisher nicht.

Terrorismusexperten in Deutschland weisen zudem immer wieder darauf hin, dass auch die Frauen durchaus glühende Anhänger der Terrormiliz sein können. Die Verschleierung der IS-Frauen und die patriarchalische Grundhaltung der Terrormiliz bedeuten nicht, dass diese Frauen im Pseudo-Kalifat nur gekocht und die Kinder gehütet hätten. Ihre Aufgabe war es unter anderem, weitere Frauen zur Ausreise in das IS-Gebiet zu bewegen und die Söhne zu Kämpfern zu erziehen. Einige von ihnen haben andere IS-Frauen bespitzelt.

Wie viele der Deutschen, die jetzt zurückkehren sollen, bis heute militante Islamisten sind, ist schwer zu sagen. Dass die Rückkehr von mehr als zwei Dutzend IS-Anhängern und ihren Angehörigen für die Sicherheitsbehörden eine zusätzliche Herausforderung darstellt, steht dagegen außer Frage. Das ist wohl einer der Gründe, weshalb die Bundesregierung bislang sehr vorsichtig auf ausländische Forderungen nach einer Rücknahme der deutschen IS-Anhänger reagiert hat. Denn anders als bei Menschen, die sich hierzulande radikalisieren, haben einige dieser Männer, Frauen und Kinder schon Waffen getragen, Gräueltaten verübt oder zumindest hautnah miterlebt. Sie sind sozusagen „fertige Dschihadisten“.

„Wenn wir von anderen Staaten verlangen, dass sie ihre Staatsbürger zurücknehmen, die bei uns Straftaten begangen haben, muss das umgekehrt auch für uns gelten“, sagt der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae. Aus Sicherheitsaspekten sei es sogar geboten, deutsche IS-Kämpfer in Deutschland unter Kontrolle zu haben. „Es wäre fatal, wenn deutsche IS-Kämpfer sich in ausländischen Gefängnissen weiter radikalisieren, freikommen und dann unkontrolliert und unbemerkt ins Land einreisen.“