Die Dynamik ist viel zu schwach: Die führenden Industrie- und Schwellenländer tun viel zu wenig, um die Erderwärmung zu begrenzen. Auch Deutschland schneidet schlecht ab. Vor allem bei Verkehr und Gebäudesanierung. Von Christoph Arens
Berlin (KNA). Drei Wochen vor der nächsten Weltklimakonferenz in Madrid haben Umweltorganisationen den 20 größten Industriestaaten ein schlechtes Zeugnis bei der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens ausgestellt. Die Bilanz ist ernüchternd: Kein einziges G20-Land befindet sich auf einem Kurs, der es ermöglicht, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, so wie es das Pariser Klimaabkommen für 2050 vorsieht, heißt es in dem am Montag veröffentlichten Brown-to-Green-Report der internationalen Initiative Climate Transparency. Sie wird unter anderem von der Weltbank und vom Bundesumweltministerium unterstützt. Auch Deutschland schneidet schwach ab. Derzeit bewege sich die Welt auf eine Erwärmung von drei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu.
Zuvor hatten vergangene Woche fünf Klimaforscher erklärt, dass die Pläne der meisten Staaten nicht ausreichten, um die Erderwärmung zu so bremsen, wie es Ende 2015 mehr als 190 Länder in Paris verabredet hatten. Fast drei Viertel der 184 Zusagen zum Einsparen von Treibhausgasen, die Länder eingereicht haben, sind demnach nicht ehrgeizig genug. Da das von Anfang an absehbar war, ist geplant, die Klimaziele alle fünf Jahre nachzuschärfen. 2020 sollen neue Pläne auf den Tisch.
Zeitgleich warnten mehr als 11.000 Wissenschaftler in einer gemeinsamen Erklärung vor einem weltweiten „Klima-Notfall“. Wenn sich das menschliche Verhalten nicht grundlegend und anhaltend verändere, sei „unsägliches menschliches Leid“ nicht mehr zu verhindern, hieß es darin.
Laut dem Brown-to-Green-Report, an dem für Deutschland auch die Umweltorganisation Germanwatch mitgearbeitet hat, sind die G20-Staaten für rund 80 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. Ihr Ausstoß an Klimagasen wuchs 2018 um 1,8 Prozent. Extremwetterereignisse haben laut Bericht von 1998 bis 2017 in den G20 mehr als 260.000 Menschenleben gefordert sowie rund 2,65 Billionen Dollar an Schäden verursacht.
Die Forscher machen auch Hoffnung: Rund die Hälfte der Staaten sei auf gutem Weg, die nationalen Klimaziele zu erreichen, heißt es. Sie wären somit in der Lage, 2020 ihre Zusagen zu erhöhen. In allen relevanten Bereichen gebe es Vorreiter. „Allerdings geschieht dies bisher nur in Teilbereichen und bezogen auf die gesamte G20 noch deutlich zu langsam“, sagte Jan Burck von Germanwatch.
Zwei der zentralen Problembereiche sind Gebäude und Verkehr – und in beiden Sektoren gehört Deutschland zu den Negativbeispielen. Insgesamt stiegen die Emissionen der G20 nirgendwo so stark wie im Gebäudebereich – um 4,1 Prozent. Mit Pro-Kopf-Emissionen von über drei Tonnen liegen die Bundesbürger hier doppelt so hoch wie der G20-Durchschnitt. Nur bei Neubauten sind die Standards in Deutschland im Vergleich gut.
Ähnlich sieht es im Verkehr aus: Insgesamt wuchsen die Emissionen der G20 hier 2018 um 1,2 Prozent. Deutschland liegt bei den Pro-Kopf-Emissionen direkt hinter den USA, Kanada, Australien und Saudi-Arabien. Hierzulande werden im Schnitt 84 Prozent der gereisten Kilometer per Auto zurückgelegt – ein Spitzenwert. Die ambitioniertesten Pläne für den öffentlichen Nahverkehr in Großstädten bescheinigt die Studie China: 30 Prozent aller Fahrten sollen dort schon 2020 mit Bus und Bahn zurückgelegt werden
Ein zwiespältiges Bild zeigt sich im Energiebereich: G20-weit stieg die grüne Energieversorgung 2018 um 5 Prozent, dennoch bleiben fossile Energien wegen steigender Nachfrage bei einem Anteil von 82 Prozent. Beim Strom nahmen die Emissionen weltweit um 1,6 Prozent zu – trotz des Ausbaus erneuerbarer Energien auf über 25 Prozent 2018.
Die Unterschiede sind enorm: Während Brasilien vor allem mit Wasserkraft 82,5 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien gewinnt, liegt der Anteil in Saudi-Arabien, Südkorea und Südafrika bei weniger als 5 Prozent. Deutschland schneidet mit 37 Prozent 2018 gut ab. Zu befürchten sei allerdings ein Rückfall durch den Einbruch des Windkraftausbaus an Land. Im ersten Halbjahr 2019 wurden so wenige Windräder gebaut wie seit fast 20 Jahren nicht mehr.