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Kommentar: Deutschland spricht, wir sollten mitreden

Ausgabe 280

Foto: IZ Medien

(iz). Am 24. September trafen sich im ganzen ­Bundesgebiet Zehntausende Menschen auf ­Einladung mehrerer Zeitungen sowie unter ­Begleitung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Aufgrund eines netzbasierten ­Algorithmus sollten Gesprächspaare von Interessierten zusammengebracht werden, deren ­Ansichten in den abgefragten Punkten gegensätzlicher Natur sind. Auch wenn der mir ­zugewiesene Gesprächspartner viel näher an mir dran war, hat sich Möglichkeit zur Begegnung allemal gelohnt. Wie sonst, außer durch die ­direkte Begegnung, sollten die Menschen sich miteinander verständigen und damit Gräben überwinden?
Das gilt umso mehr für eine Zeit der bisher nie da gewesenen verbalen und geistigen Aufrüstung der bestehenden Lager. Ein grundsätzlich gutes, und oft unterschätztes Angebot wird hier bereits seit Jahren von deutschen Muslimen gemacht. Sie öffnen seit geraumer Zeit am Tag der ­Deutschen Einheit, am 3. Oktober jedes Jahres, ihre Pforten für interessierte Besucher. Je nach Standort, lokalem Umfeld und Ausstattung der beteiligten kann ein solcher Tag viele neue ­Menschen in eine der teilnehmenden Moscheegemeinschaften bringen.
Das Modell hat sich über die Jahre bewährt, allerdings hat es momentan den Eindruck, wir hätten uns in den alljährlichen TOMs auch ein bisschen zu sehr eingerichtet. Nachdem man nun in der Lage ist, einmal im Jahr für BesucherInnen und interessierte NachbarInnen offen zu sein, sollten sich Moscheegemeinschaften, die das können, insgesamt für ihre Mitwelt öffnen; und nicht nur dieses eine Mal im Jahr. Wie alle könnten uns überlegen, was es für die betroffenen Gemeinden, so sie denn wollen, braucht, damit der Tag der Moschee nicht mehr nötig ist, weil jeder Wochentag ein solcher ist.
Eine offene, einladende Kultur bei den Mit­gliedern sowie niedrigschwellige Angebote ­können mithelfen, Menschen ins Gespräch zu bringen, die vielleicht ansonsten Vorbehalte ­gegenüber Muslimen an den Tag legen. Und mehr helfen als der reine Austausch auf Ebene des Sprechens könnte die gemeinsame Aktion, die Begeisterung für eine geteilte Leidenschaft oder ein Problem, an dem das jeweilige Umfeld insgesamt Anteil hat.
Alleine schon das soziale Essen und Trinken wird häufig unterschätzt. In allen Hochkulturen ist die gepflegte Tafel Kernelement einer ­funktionierenden Gesellschaft. Und Erfahrungen zeigen, dass dieses Angebot funktioniert. In Moscheen mit öffentlich zugänglichen Restaurants oder Cafés wie der Hamburger Zentrumsmoschee sind immer wieder Menschen mit ­anderen Hintergründen als den unsrigen ­anzutreffen. Und wer weiß, vielleicht wird so auch der eine oder andere Muslim, weil er hier etwas Gutes erhielt oder direkt die faszinierenden Seiten unseres Dins erfahren konnte.
Und so wie immer mehr Muslime die Not­wendigkeit des direkten Gesprächs – ob auf der nachbarschaftlichen oder der hochoffiziellen Ebene – als lebenswichtig für unseren heutigen Kontext erkennen, genauso sollte klar sein, dass wir nicht länger ohne eine breit angelegte zwischenmuslimische Kommunikation auskommen werden. Wie sonst könnten wir in der Lage sein, uns darauf zu verständigen, wer wir sind, wo wir uns gerade befinden und in welche Richtung wir uns bewegen wollen?
So hilfreich soziale Medien für Kommuni­kation sind, die direkte Begegnung werden sie nie ­ersetzen können. Denn im Internet können die Herzen nicht zusammenkommen und man kann hier auch nicht dem Anderen seine Hand reichen.