
(iz). Muslime besitzen Moscheen, in die sie gehen können, um Gebete zu verrichten, Ruhe zu finden, bei Tee und Kaffee Freunde zu treffen. Im Hort der Moschee können sie die lärmende Welt da draußen, Islamfeindlichkeit, Diskriminierungen, die sie erleben, für eine bestimmte Zeit vergessen.
Wir sind jedoch nicht als Menschen auf die Welt gekommen, um bloß Orte der Verdrängung einzurichten und uns einzureden, alles sei gut, weil wir ja noch beten dürften. Gemäß unseres muslimischen Glaubens, der mehr mit den Werten der Aufklärung als mit dem Christentum gemein hat, sind wir auf der Erde, um diese Welt zu gestalten, zu genießen, zu verschönern. Deshalb galten Muslime Christen als zu weltlich.
Die Welt schöner zu gestalten und zu genießen ist uns ein Gottesdienst. Imam Ghazali sagt in seiner Ihya: „Nachzudenken (arab. Tafakkur) ist vorzüglicher als Andacht (arab. Dhikr) und Erinnern (arab. tadhakkur). Denn die Überlegung (arab. fikr, das heißt, Ideen zu entwickeln) ist eine Form der Andacht (dhikr). Gleichzeitig ist es mehr als bloße Andacht (dhikr). Die Andacht (dhikr) im Herzen wiederum ist vorzüglicher als die Handlung der Organe. Mehr noch: Die Ehre der Handlung beruht auf der Andacht (dhikr) und Erinnerung (tadhakkur). Und da die Überlegung (fikr, das heißt die Entwicklung von Ideen) auch über dem Denken (Tafakkur) steht, ist sie vorzüglicher als alle Handlungen.“
Die Entwicklung von Ideen ist eine Form des Dhikr, also der Andacht. Andacht ist nicht bloß, dass ich die Namen Allahs preise und den Propheten lobe. Sich die Frage zu stellen, wo wir Muslime heute in Deutschland stehen ist Andacht (Dhikr). Wo wollen wir in fünf Jahren stehen?
Als ich 16 war, wurde das muslimische Erbe Europas öffentlich geleugnet oder ignoriert und heute bin ich 31 und immer noch wird es ignoriert oder geleugnet. Was können wir, die wir über 7 Millionen Muslime in Deutschland sind, tun, um in unserem Land mit ruhigem Gewissen zu unserem Glauben zu stehen?
Ich war Schüler, Student, Bandarbeiter, Paketzusteller, Host auf Messen und Events, Referent – ausnahmslos überall gibt es Vorurteile gegen Muslime. Und nein, ich lebe nicht, um mir das mein Leben lang antun zu lassen.
Was also tun? Das weiß ich noch nicht. Aber ich weiß, dass etwas geschehen muss. Neben unseren Verbänden, die unverzichtbar sind, benötigen wir Muslime Denkfabriken. Ideen zu entwickeln, ist eine Form der Andacht (Dhikr). In einer Denkfabrik werden Ideen entwickelt. Wir brauchen sie.