Macron definiert das Ziel, aber wie?

Ausgabe 305

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„Politischer Islam“, „Aufklärung“ oder „Separatismus“ waren die wichtigsten Signifikanten der Rede Macrons. Jeder, der einmal selbst versucht, diese großen Worte mit klaren Definitionen zu versehen, wird schnell auf einige Schwierigkeiten stoßen.

(iz). Die „historische“ Rede des französischen Präsidenten zur Rolle der Muslime in Frankreich war in ihrem Ziel klar und richtig formuliert: kein Extremismus. Jeder vernünftige Bürger, also auch muslimische BürgerInnen, kann die furchtbaren Terrorattacken der letzten Jahren in Frankreich nicht einfach verdrängen. Sie sind vielmehr natürliche Partner im Kampf gegen den Terrorismus.

Diese Partnerschaft wird allerdings gefährdet, wenn die in diesem Kontexte benutzte Terminologie nicht klar gefasst und die Schwierigkeiten in der Anwendung der Begriffe – insbesondere deren Unbestimmtheit – verschwiegen wird. Die Linie zwischen „gut“ und „böse“ muss scharf gezogen werden, sonst droht im kollektiven Bewusstsein der Europäer die Etablierung einer einzigen Schnittmenge: „die“ Islamisten.

Die Tendenz, in dieser Schnittmenge organisierte, öffentlich engagierte und radikale Muslime einfach verschmelzen zu lassen, ist offenkundig. Viele Muslime sehen sich hier dadurch längst alltäglich einem Generalverdacht ausgesetzt.

Der deutsche Verfassungsschutz hat sich hier in seiner Analyse der Formen des Radikalismus immerhin mit einer Differenzierung hervorgetan: der Unterscheidung zwischen gesetzestreuen und gewaltbereiten Muslimen. Die absolute Mehrheit aller Muslime unterstützt dabei offen den Kampf gegen Gewaltbereite, die zudem eine sehr kleine Minderheit in Europa darstellen.

Der Begriff des „legalistischen“ Islam, der Muslime fassen will, die die Gesetze befolgen, aber insgeheim einen Gottesstaat planen, hat allerdings seine Tücken. Da diese, meist geheimen Absichten schwer zu belegen sind, ist oft schon die Äußerung des Verdachtes ein schwerwiegendes Mittel, um Grundrechte der Betroffenen direkt und indirekt einzuschränken.

Die Idee, dass in Deutschland die reale Übernahme des Staates durch radikale Muslime droht, ist nicht weit weg von einer Verschwörungstheorie. Die Bezeichnung von großen Organisationen als „islamistisch“ und damit als gefährlich, ist umstritten und beschäftigt schon länger deutsche Gerichte.

Der Französische Präsident hat in seiner Rede vor einem Separatismus und Parallelgesellschaften gewarnt. Dabei ist grundsätzlich klar, was er meint. Allerdings wäre auch hier mehr Klarheit wünschenswert, was genau der Unterschied ist zwischen sozialen Brennpunkten, für die die französische Regierung selbst eine Verantwortung trägt und Zonen, in denen es wirklich darum geht, eine islamisch verklärte Parallelwirklichkeit zu etablieren.

„Politischer Islam“, „Aufklärung“ oder „Separatismus“ waren die wichtigsten Signifikanten der Rede Macrons. Jeder, der einmal selbst versucht, diese großen Worte mit klaren Definitionen zu versehen, wird schnell auf einige Schwierigkeiten stoßen. Die Deutungshoheit liegt – aus Sicht der Muslime – hier längst bei der Mehrheitsgesellschaft. Ihren genauen Inhalt zu deuten, muss aber Aufgabe von Philosophen, Politikwissenschaftler und Theologen sein. Man muss befürchten, dass diese anstrengende Debatten entweder nicht wirklich geführt, oder von großen Teilen der Bevölkerung nicht verstanden werden.

Man muss schlussendlich darin erinnern, dass der Islam kein Subjekt der Geschichte ist. Nur Muslime können radikal, extremistisch oder krank sein. Die absolute Mehrheit der Muslime ist aber dort zu finden, wo sie immer war: auf dem Mittelweg, die Extreme meidend. Das wichtigste Instrument gegen eine Radikalisierung von Muslimen bleibt eine gute islamische Ausbildung.