
(iz). „Ich wünsche mir für meinen Sohn, dass er auf eine Gesellschaft trifft, in der es nicht wichtig ist, woher man kommt und in der Vielfalt selbstverständlich ist“, erklärt Yasemin Arpacı. Damit ihr Wunsch Wirklichkeit wird, zeigt die Managerin eines Unternehmens für Feuerwehrfahrzeuge vollen Einsatz und geht in die Politik. Bei den Kommunalwahlen in ihrer Heimatstadt Ulm tritt sie für die SPD an.
Die heute 39-Jährige hat ihre Kindheit in der Stadt an der Donau stark geprägt. Mit ihrer türkischen Großfamilie wohnte sie in einer Straße, in der Menschen aus vielen Ländern und unterschiedlichen Gesellschaftsschichten friedlich zusammen lebten. „Die Bewohner waren füreinander da“, erinnert sich Arpacı. „Meine Familie nahm eine schwäbische Oma aus unserem Haus oft in unseren Jahresurlaub in die Türkei mit.“
Wegen ihrem Migrationshintergrund musste die mittlerweile so erfolgreiche Managerin aber auch viele Herausforderungen auf ihrem Lebensweg überwinden. Weil ihre Deutschkenntnisse aus Sicht der Schullehrer nicht ausreichten, wurde sie in eine Sonderklasse mit Migranten gesteckt – eine Klasse, die, wie man ihr zu verstehen gab, nicht „normal“ war. Als Arpacı schließlich doch eine „normale“ Klasse besuchen durfte, gingen die Anfeindungen weiter. Zum Glück hatte sie dort aber auch positive Erlebnisse, wodurch sie lernte, ihre Stärken kennenzulernen und auszubauen. „Das dauert bis heute an“, lächelt die SPD-Politikerin.
Heute will sich die Sozialdemokratin für ein internationales und familienfreundliches Ulm einsetzen. Als Deutsch-Türkin, alleinerziehende Mutter eines vierjährigen Sohnes und Managerin eines italienischstämmigen Unternehmens liegen ihr diese Themen besonders am Herzen.
„Viele meiner Arbeitskollegen sind Italiener. Ich sehe noch Potenzial, diese Menschen mit der Stadt stärker in Berührung zu bringen.“ Als Kommunalpolitikerin ist es ihr deshalb wichtig, solche internationale Firmen besser zu vernetzen und zu integrieren. Auch den Austausch zwischen den Familien der Mitarbeiter mit Migrationshintergrund und der Bevölkerung will sie fördern. „Man kann tolle Begegnungen schaffen. Das kann auch unser Ulm als Wirtschaftsstandort nachhaltig attraktiv und wettbewerbsfähig machen.“
Familienpolitisch wünscht sich Arpacı, dass die Perspektive der alleinerziehenden Väter und Mütter mit Kleinkindern auch auf den Schirm der Entscheidungsträger kommt. Um diese Sichtweise will die Alleinerziehende die Politik bereichern. „Ich bin dafür, Betroffene zu Beteiligten zu machen. Außerdem müssen Alleinerziehende auf manche Ressourcen wie Betreuungsplätze stärker zugreifen können. Man sollte nicht alle über einen Kamm scheren.“
Die 39-Jährige kennt die Herausforderungen, denen sich alleinerziehende Mütter stellen müssen, aus erster Hand. Zum Beispiel die Schwierigkeit, einen zeitaufwendigen Beruf und die Erziehung des Nachwuchses unter einen Hut zu bringen. Trotz der vielen Arbeitsstunden, die Arpacı als Managerin bewältigen muss, versucht sie, so viel Zeit wie möglich mit ihrem Sohn zu verbringen.
„Arbeitende Mütter werden oft als Rabenmütter abgestempelt“, kritisiert Arpacı. „Aber was wäre denn die Alternative? Hartz IV zu beziehen oder unter Alters- und Kinderarmut zu leiden?“ Von dem Lohn, den die erfolgreiche Managerin für ihre Arbeit erhält, gibt sie rund ein Drittel für die Betreuung ihres kleinen Sohnes aus. Für die beiden bleibt ein ganz normaler Lebensstandard übrig. „Ich arbeite viel, um normal zu leben. Da stimmt das Gleichgewicht nicht.“
Auch am Wochenende steht Arbeit auf Arpacıs Terminplan. Die Sozialdemokraten haben zum Landesparteitag nach Wiesloch eingeladen. Vor dem Gebäude wehen SPD-Fahnen im Wind. Drinnen besucht Arpacı das Forum zum Thema Familie. Moderiert wird es von ihrer Mentorin, der Bundestagsabgeordneten Hilde Mattheis. Über Alleinerziehende wird kaum gesprochen. Doch dann meldet sich Arpacı zu Wort und bringt das Thema ein.
Schließlich nähert sich die Veranstaltung ihrem Ende. Mattheis hält die Abschlussrede. „Die Belange Alleinerziehender nehmen wir stärker in den Blick“, verspricht sie. Arpacı strahlt über das ganze Gesicht. „Das ist ein Hochgefühl für mich. Da sehe ich, dass die Anstrengung sich lohnt.“