(IPS). Viele gehen davon aus, dass die Weltbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten um mindestens zwei Milliarden Menschen anwachsen wird. 2050 sollen 80 Prozent von ihnen in Städten leben. Die Ernährung dieser Menschen das jetzige System der Landwirtschaft über seine Grenzen hinaus belastet, was zu enormen Kosten am globalen Ökosystemen führt.
IPS-Korrespondentin Shari Nijman sprach hierzu mit Dickson Despommier, Professor für ökologische Gesundheit an der Columbia Universität und Leiter des dortigen Projekts zur „vertikalen Landwirtschaft“. Durch die Verbindung von Landwirtschaft mit Architektur hofft Despommier, in der nahen aZukunft mehrstöckige Gewächshäuser in die Skyline der Großstädte zu integrieren.
Frage: Wie funktioniert „vertikale Landwirtschaft“?
Dickson Despommier: Das Konzept ist einfach. Man nimmt ein modernes Gewächshaus und baut ein weiteres darauf. Und so endet man mit einem mehrstöckigen Gewächshaus.
Frage: Woher stammt die Idee?
Dickson Despommier: Sie hatte ihre Ursprünge in den späten 1960er Jahren mit (Buckminster) Fuller, John Todd und anderen Zukunftsforschern, die der Ansicht waren, man sollte Lebensmittel in Hochhäusern anbauen. Aber die Idee wurde niemals aufgegriffen, weil ihre Zeit noch nicht reif war. Die heutige Idee des vertikalen Landwirtschaft begann 1999 in meinem Klassenzimmer – in meinem Fall. 2004 stellten wir das Projekt ins Internet und, ehe wir uns versehen konnten, es gab bereits einige vertikale Farmen, über die man berichten konnte.
Frage: Wie viel kann ein solcher Komplex produzieren? Lohnt sich das wirtschaftlich?
Dickson Despommier: Wenn wir von einem Gewächshaus mit der Fläche von einem Morgen (ca. 4.000 m2) ausgehen und dort ausschließlich Blattsalate anbauen, dann lassen sich dort auf einem Quadratfuß (0,09 m2) jährlich 64 Salatköpfe anbauen. Vergleicht man dies mit einer normalen Freiluftfarm, dann erhält man von dieser zwischen sieben und acht Salatköpfe – also ca. zehn Mal mehr.
Frage: Was ist der ökonomische Nutzen dieser Art Landwirtschaft?
Dickson Despommier: Erstens, der Transportweg von Bauernhof zum Verbraucher ist extrem gering. Zweitens, es gibt keine Gewässerbelastung. Normalerweise wäscht der Regen Pestizide und Herbizide aus und spült sie über die Flüsse in die Meere. Die vertikale Landwirtschaft tut dies nicht. Drittens, sehr viele neue Arbeitsplätze. Viertens, die Nutzung verfallener städtischer Immobilien wie ehemaliger Industrieflächen. Die lassen sich mit Agrareinrichtungen füllen, die mit UV-Lampen arbeiten. Außerdem verbraucht vertikale Landwirtschaft innerhalb eines Gebäudes 70 Prozent weniger Frischwasser als konventionelle. Darüber hinaus lassen sich während des ganzen Jahres Gewinne machen. Mit richtig entworfenen Gebäuden lassen sich Schadinsekten und Nager fernhalten. Und schließlich lässt sich ein Teil der Energie wieder verwenden, wenn Abfälle umweltfreundlich verbrannt werden.
Frage: Welche Orte brauchen diese Technologie am meisten?
Dickson Despommier: Das Konzept der vertikalen Landwirtschaft wird den meisten als die Aktivität von Eliten erscheinen, weil nur Menschen mit dem meisten Geld und einem hohen Verlangen nach lokal erzeugten Gemüsen und Früchten ein solches Konzept unterstützen würden.
Sobald sich die notwendigen Strukturen dafür entwickelt haben, kann man damit bei Naturkatastrophen eingreifen und unnötige Todesfälle verhindern. Aber auch, um hohe Kindersterblichkeit zu verhindern und um dauerhaft Lebensmittel an Orte wie Schwarzafrika und Süd- und Südostasien zu liefern, die schlechte Böden haben. Orte mit vielen Menschen und wenigen Lebensmitteln.