Dortmund: Studenten wehren sich

(RAMSA) Der Rat muslimischer Studierender und Akademiker (RAMSA) betrachtet die Art und Weise des Umgangs der TU Dortmund mit ihren muslimischen Studierenden kritisch – dies insbesondere vor dem Hintergrund der derzeitigen medialen Berichterstattung, die hauptsächlich die Sicht der Universität aufgreift. Dazu wird der RAMSA bald eine Stellungnahme veröffentlichen. Wir haben mit verschiedenen muslimischen Studierenden und Akademikern der TU-Dortmund gesprochen. Im Folgenden das Ergebnis der Gespräche:
„Muslimische Studierende und Akademiker an der TU Dortmund positionierten und positionieren sich klar und unmissverständlich gegen jedwede frauenfeindlichen Positionen und weisen zudem jegliche offenkundige oder mitschwingenden Vorwürfe, diese praktiziert oder toleriert zu haben, auf das Schärfste zurück! Die Universitätsleitung sollte nicht das Fehlverhalten einzelner Personen zum Anlass nehmen, um pauschale Verdächtigungen oder Unterstellungen gegenüber Studierenden mit einem bestimmten Religionsbekenntnis, einer bestimmten ethnischen Herkunft und/oder nicht weißer Hautfarbe implizit oder explizit zu behaupten oder zu verbreiten.
Weit über 60 Artikel sind seit der Pressemitteilung der TU Dortmund zum „Raum der Stille“ erschienen. Binnen weniger Tage haben unterschiedliche Medien über die Schließung berichtet. Fast durchgängig wurde die Darstellung der Universitätsleitung ohne weitere Recherche übernommen. Schlagworte wie „frauenfeindlich“, „Umfunktionierung für eigene Zwecke“, „Religionsärger“, „Kopftuchzwang“, „Verstoß gegen Gleichberechtigung“ wurden zu einem Feinbild-Diskurs “Studierende die Anders sind” hochstilisiert. Diese erschreckende und bedrückende Polarisierung führte bereits zu verbalen Übergriffen und angedeuteten Akten von körperlicher Aggression gegenüber muslimischen Studierenden an der TU Dortmund.
In Zeiten einer “PEGIDAisierung” und von Übergriffen gegenüber verschiedenen Gruppen von Menschen, frauenfeindlichen und antisemitischen Attacken, brennenden Asylbewerberunterkünften und stärker werdenden rechtsextremen Positionen in der Mitte der Gesellschaft, so eine Studie der Universität Leipzig, ist es beängstigend und bestürzend, wenn ähnliche Diskurse und Stimmungen von Seiten der Universitätsleitung gegenüber den eigenen Studierende betrieben werden.
Niemand seitens der Universitätsleitung hat mit den derart angefeindeten Studierenden den Dialog gesucht. Binnen kürzester Zeit sahen die Studierenden sich massiv mit gängigen ausgrenzenden, menschengruppenfeindlichen Narrativen konfrontiert und das Bestreben der Studierende, die Interessen einiger hundert Studierender gegenüber der Unileitung zur Sprache zu bringen, wurde derart skandalisiert, dass man dieser ohnmächtig gegenüberstand. Das ist inakzeptabel! Muslimische Studierende und Akademiker positionierten und positionieren sich wiederholt gegen menschengruppenfeindlich Praktiken – egal ob in Bezug auf Geschlecht, Weltanschauung, soziale oder nationale Elemente der Identität – und weisen auf das Schärfste jeglichen pauschalen Vorwurf zurück, den man uns direkt oder indirekt anlastete. Verstöße gegen die Nutzungsordnung seitens Einzelner und Weniger wurden niemals von muslimischen Studierenden gut geheißen.
Ingesamt wurden maximal 2 Beschwerden innerhalb mehrerer Jahre dem ASTA eingericht, die umgehend bearbeitet wurden. Dieser hat die ordentliche Nutzung des Raumes der Stille verwaltet und wieder hergestellt. Zur aktuellen Lage hat die Universität weder die Studierenden noch dessen Vertretung (AStA) in Kenntnis gesetzt. Der Universitätsleitung war bekannt, dass der Raum größtenteils von muslimischen Studierenden zur Verrichtung ihrer täglichen rituellen Gebete genutzt wurde. Zusätzliches Interieur wie Raumaufteiler für mehr Privatsphäre während der Gebetshandlungen für alle Studierende ungeachtet ihres Geschlechts wurden sogar vom Dezernat 6 brandschutztechnisch überprüft und zur Verfügung gestellt. Da der Raum regelmäßig von muslimischen Studierenden besucht wurde, entstand unter vielen Studierenden der Eindruck, dass es sich um einen eigens für Muslime eingerichteten Raum handelt, sodass diese nichts Verwerfliches darin sahen, z.B. einen Gebetsteppich liegen zu lassen, um ihn für den nächsten Tag gleich parat zu haben oder sich dort mit Kommilitonen hinzusetzen und zu meditieren oder Studienangelegenheiten zu besprechen.
Die muslimischen Studierenden und Akademiker
– sind deutsche sowie internationale und deutschsprachige Muslime, die sich an ihrer deutschen Universität für ihre garantierten Grund- und Menschenrechte und geltendes Recht einsetzen. Zu denen gehört im Übrigen auch die Weltanschauungs- und Religionsfreiheit – Sie stellen sich gegen jeden, der einer Frau oder einem Mann einen bestimmten Platz meint zuweisen zu müssen aufgrund seines Geschlechtes oder seiner Herkunft.
– positionieren sich gegen jegliche Personen und Positionen, die eine rigorose Geschlechtertrennung einfordern und stellen klar, dass Formen des Zwangs der Praxis der Mainstream-Muslime diametral zuwiderläuft.
– stellen sich entschieden und laut gegen jeden, der die Selbstbestimmung der Frau beschneidet oder ihr Verhaltensweisen vorschreibt.
– benötigen keine Raumaufteiler.
– wollen den konstruktiven Dialog und frei und demokratisch um ihre Interessen streiten dürfen, ohne in frauenfeindliche Diskurse eingespeist zu werden.
Bis heute weiß niemand, wer 2012 einige Flyer ausgelegt hatte. Der AStA, der für den Raum verantwortlich ist, hat sie umgehend entfernen lassen und die Nutzungsordnung wiederhergestellt. Der Gesamtheit der Muslime am Campus mit diesen alten Fällen oder mit Raumaufteilern und Nutzungsverstößen in Zusammenhang zu bringen, ist schlichtweg unfair. Man wollte sich ausschließlich für den Erhalt des Raumes der Stille einsetzen, nachdem er geschlossen wurde. Studierende haben nach der Schließung des Raumes das konstruktive Gespräch mit der Universitätsleitung gesucht. Diese hat es verwehrt. Der deutlich formulierte – nicht öffentliche – Brief an die Universitätsleitung im Anschluss sollte nach Informationen nur den Unmut ausdrücken und folgte erst danach. Beigefügte Unterschriften sollten dem Text lediglich mehr Gewicht verleihen.
Die Studierenden hatten zu keiner Zeit die Absicht, eine mediale Debatte zu entfachen. Die Absicht war und ist es einen konstruktiven Dialogwunsch zu äußern, um die Problematiken zu besprechen und über eine möglicherweise Wiedereröffnung des Raumes der Stille zu reden. Die Antwort daraufhin wurde ohne Absprache veröffentlicht und medial breit gestreut. Die im Nachhinein offengelegten Gründe für die Schließung des Raumes sind durchaus nachvollziehbar, jedoch keine Probleme, die nicht hätten beseitigt werden können, wenn eben diese Nutzer auf ihre Fehler aufmerksam gemacht worden wären. Es gibt genügend Studierende, die sich an die Nutzungsbedingungen sehr wohl gehalten haben und diese achten. Der Raum wird von vielen Studierenden täglich genutzt, auch von Studierenden aus der benachbarten Fachhochschule. An etlichen Universitäten in Deutschland gibt es diese Räume. Er war wirklich benötigt und liegt den Nutzern am Herzen. Man kann nachvollziehen, dass es offiziell keinen Anspruch auf den Raum gibt, zumal die Probezeit bereits vor zwei Jahren abgelaufen ist.
Muslimische Studierende und Akademiker haben sich sehr gewünscht und wünschen sich immer noch, dass zwischen Leitung und Studierenden ein vertrauensvolles Verhältnis entstünde und bestünde. Die Zitationen des Grundgesetzes in dem öffentlichen Schreiben der Uni haben die Studierende sehr irritiert. Studierende und Akademiker der TU Dortmund wissen allzu gut, was Demokratie bedeutet. Intention sei das interne Gespräch und keine öffentliche mediale Debatte, in der man in einen bestimmten Kontext vorverurteilt wird. Die Studierenden glauben weiterhin daran, dass bestehende Unstimmigkeiten, Fehler und Probleme geändert werden können. Probleme sollen aber nicht auf dem Rücken aller muslimischen Studierenden ausgetragen werden, die einer religiösen Minderheit angehören.
In einem vertrauten und weniger emotionsbeladenen Rahmen, wie wir es eiegntlich an der Technischen Universität gewohnt sind, möchten wir diese Problematik diskutiert wissen und suchen weiterhin den Weg des Dialogs.“

3 Kommentare zu “Dortmund: Studenten wehren sich

  1. Wie immer werden nur bei muslime pauschalisiert bei anders Gläubigen sind es Immer die einzelnen Personen das ist schon lange bekannt das ist kein richtiger Journalismus wenn man eine Rasse oder Religion in einem Bericht erwähnt !

  2. As-Salâmu alaykum,
    vielleicht liegt es an der übereilt hergestellten Formulierung der Stellungnahme, aber ich habe den Eindruck, dass diese Stellungnahme die Vorwürfe indirekt bestätigt.
    “Verstöße gegen die Nutzungsordnung seitens Einzelner und Weniger wurden niemals von muslimischen Studierenden gut geheißen.”
    Haben also die Studierenden also nichts dagegen getan und diese Dinge passiv doch gut geheißen?
    Raumaufteiler für noch mehr Privatsphäre, für einen Raum, welcher per definitionem der Privatsphäre dient? Raumaufteiler, die dann doch für die Geschlechtertrennung genutzt wurden? Gebetsteppiche in einem neutralen Raum liegengelassen?
    “Die muslimischen Studierenden und Akademiker […] stellen sich gegen jeden, der einer Frau oder einem Mann einen bestimmten Platz meint zuweisen zu müssen aufgrund seines Geschlechtes oder seiner Herkunft[,] positionieren sich gegen jegliche Personen und Positionen, die eine rigorose Geschlechtertrennung einfordern und stellen klar, dass Formen des Zwangs der Praxis der Mainstream-Muslime diametral zuwiderläuft.”
    Die Praxis der Mainstream-Muslime bezüglich der eigentlich islamfremden radikalen Geschlechtertrennung in Moscheen ist jedem offensichtlich, und der kulturelle Zwang, der hierbei herrscht, ebenso. Oder trauen sich Frauen in den meisten orientalischen Moscheen etwa jederzeit unangemeldet in den Hauptraum rein- und rausspazieren? (Außer natürlich am Tag der offenen Tür u.ä., da macht man es aus armseligen Reklamegründen anders.)
    Vielleicht klingt meine Kritik hart, aber es bringt uns ja auch nicht weiter, Missstände schönzureden und uns gegenseitig immer wieder dieselben Fehler machen zu lassen.
    Ich hoffe, der Raum wird wieder geöffnet, und es wird den Studierenden die Möglichkeit gegeben, die Nutzung des Raumes in einer optimierten und disziplinierten Weise fortzuführen!

  3. Die betroffenen Hochschulen/Universitäten sollten sich dringend über den Sinn und Zweck der Gebetsräume bzw. „Räume der Stille“ bewusst werden und eine klare Position diesbezüglich vertreten. Es ist ein offenes Geheimnis, dass ein „Raum der Stille“ nur aus einem Grund auf vielen Universitätsgeländen vorhanden ist, der da wäre, dass eine signifikante Zahl der Studierenden Muslime sind, die ihren Pflichtgebeten nachkommen. Da die Erfahrungen gezeigt haben, dass die Muslime sich nicht vom Beten abbringen lassen und dieses zur Not an x-beliebigen Orten auf den Campus verrichten, wurde die Bereitstellung einer entsprechenden zentralen Räumlichkeit als eine organisatorische Erleichterung für alle Beteiligten eingeführt. Das Raumangebot nun mit Regeln/Bedingungen zu verknüpfen, die dem Islam gänzlich wiedersprechen (Verbot von religiösen Symbolen/Gebetsutensilien, Verpflichtung zur Geschlechtermischung) raubt somit den Räumlichkeiten ihren Existenzsinn und ist geradezu paradox, bedeutet es praktisch nichts anderes, als dass die Muslime diese Räume nicht mehr fürs Gebet aufsuchen können und somit wieder in den Ursprungszustand gezwungen werden.
    Die im Artikel angeführten Argumente, dass sich unter den Muslimen vereinzelt auch Personen befänden („Jamal“,“Omar“), die in der Verletzung der islamischen Regeln kein Problem sehen, ist irrelevant, da hier die Mehrheitsempfindung der Betroffenen ausschlaggebend sein muss. Schließlich macht das Raumangebot nur Sinn, wenn es im entsprechenden Maße von der Zielgruppe genutzt wird, da es sonst zu einem Extra-Raum für „Jamal“ und „Omar“ verkommt und somit unnötig ist.
    Ebenso ist der Einwand des AStA-Vorsitzenden Kordisch, dass es z.B. für Christen keinen Extra-Raum gebe, absurd, da die christliche Religion kein ritualisiertes Pflichtgebet zu festgesetzten Zeiten kennt, weshalb ihre Anhänger nicht unter Vollzugsdruck geraten und demnach auch keinen Bedarf an Gebetsorten besitzen.
    Das ausgerechnet ein Theologie-Student wie Kordisch zu solch einem hinkenden Vergleich greift, sollte zu denken geben.
    Realität Islam ruft die muslimischen Studenten dazu auf, standhaft zu bleiben und keinen Kompromiss bei der Verrichtung des Gebets einzugehen. Sollten die Institute den „Raum der Stille“ abschaffen, oder an für uns unzumutbare Bedingungen knüpfen, so vollziehen wir die Gebetswaschung eben wieder in den öffentlichen WC`s und beten anschließend im Treppenhaus, Flur, oder leerstehenden Seminarräumen. Nur eins werden wir aufgrund des äußeren Drucks gewiss nicht tun: Auf das Gebet und damit auf einen Teil unserer Überzeugung verzichten!
    لَتُبْلَوُنَّ فِي أَمْوَالِكُمْ وَأَنفُسِكُمْ وَلَتَسْمَعُنَّ مِنَ الَّذِينَ أُوتُواْ الْكِتَابَ مِن قَبْلِكُمْ وَمِنَ الَّذِينَ أَشْرَكُواْ أَذًى كَثِيرًا وَإِن تَصْبِرُواْ وَتَتَّقُواْ فَإِنَّ ذَلِكَ مِنْ عَزْمِ الأُمُورِ
    „Wahrlich, ihr sollt geprüft werden in eurem Gut und an euch selber, und wahrlich, ihr sollt viel Leid von denen hören, welchen die Schrift vor euch gegeben wurde, und von denen, die Allah andere zur Seite stellten. Wenn ihr jedoch standhaft und gottesfürchtig seid – so ist es eine Sache der festen Entschlossenheit.“ (Aali Imran, 186)

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