Nahost-Experte besorgt über Gewalt gegen Palästinenserproteste

Jerusalem (KNA). Der Nahost-Experte Marc Frings sieht die Reaktion Israels auf die palästinensischen Proteste an der Grenze zum Gazastreifen mit Sorge. „Auf palästinensischer Seite herrscht Fassungslosigkeit angesichts der über 45 Todesopfer“, sagte Frings am 30. April im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „Es entsteht ein Eindruck, dass selbst friedlicher Protest von der israelischen Armee mit Waffengewalt quittiert wird.“
Auch nach Einschätzung des UN-Menschenrechtshochkommissars wende Israel in unverhältnismäßiger Weise Gewalt an, so der Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ramallah. „Für den Konfliktverlauf könnte das fatale Folgen haben – insbesondere dann, wenn die Palästinenser zu der Erkenntnis gelangen, dass offenbar auch Gewaltverzicht keine Verbesserung der Lebensumstände erwirkt.“
Die Kampagne stamme aus der Zivilgesellschaft und verstehe sich als friedlicher Widerstand, sagte Frings. Anders als die erste Intifada (1987) fehle es der aktuellen Protestbewegung an breiter Unterstützung. Vergleichbare Aktionen seien in Ost-Jerusalem oder dem Westjordanland nicht zu beobachten. „Es bleibt daher eine Gaza-zentrierte Entwicklung.“
Ziel sei die Entwicklung einer neuen Strategie zur Erreichung der palästinensischen Unabhängigkeit, Kritik am Kurs der US-Regierung sowie die Erinnerung an das Rückkehrrecht der 1,2 Millionen palästinensischen Flüchtlinge aus Gaza. Israel lehne deren Rückkehr ab, „weil so der jüdische Charakter des Staates in seinen Grundfesten erschüttert werde“.
Die Unterstützung des Protests durch die Hamas sieht der Experte kritisch. „Es verändert den zivilen Charakter der Demonstration, wenn sie von einer politischen Bewegung unterstützt wird, die von vielen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird.“
Konkrete Bewegung im Nahostkonflikt ist laut Frings nicht zu erwarten. In Israel spiele die Auseinandersetzung mit den Palästinensern seit Jahren keine große Rolle mehr; in der Regierung sei „mehr von Annexion und weniger von der Zwei-Staaten-Lösung die Rede“. Der palästinensischen Führung um Präsident Mahmud Abbas fehle es an gesellschaftlicher Unterstützung, so der Experte.
Ebenso fehle es auf internationaler Ebene an Bereitschaft, einen seriösen Vorschlag zur Reaktivierung des Friedensprozesses vorzulegen. „Ich sehe die Gefahr, dass die Zwei-Staaten-Lösung im Lichte dieser Entwicklungen weiter unwahrscheinlich wird“, sagte Frings. Erfolgversprechender seien dagegen multilaterale Ansätze, die insbesondere arabischen Akteuren ein größeres Gewicht beimessen.