Neu Delhi lässt die religiösen Faschisten gewähren

Ausgabe 272

Foto: Narendra Modi, flickr | Lizenz: CC BY-SA 2.0

Die Gewalt radikaler Hindugruppen ­gegen Christen und Muslime ist auch ­deshalb möglich, weil sie vielfach durch die Politik gedeckt wird.
(AA). 2017 war ein Jahr, das Indiens Christen und Muslime am liebsten vergessen würden. Es war eine Periode, in der Hassverbrechen und Gewalt gegen die Minderheitengemeinschaften einen steilen Anstieg erfuhren. Während Hinduextremisten ihrer Gewalt gegen Christen wegen deren angeblicher Ermutigung zur Konversion freien Lauf ließen, wurden Muslime mehrheitlich wegen deren mutmaßlichem Schmuggel und der Schlachtung von Kühen attackiert – ein Sakrileg im Hinduismus.
Im Dezember wurden christliche Schulen im nördlichen Bundesstaat Uttar Pradesh vor dem Begehen des Weihnachtsfests gewarnt. Die Drohungen kamen von Hindu Jagran Manch, einer rechtsgerichteten Hindutva-Gruppierung, die mit dem Chefminister des Staates Vahini verbunden ist. Nach Angaben ihrer Führung würden Hindukinder ins Christentum gelockt. Sonu Savita, lokaler Führer der Miliz in Aligarh sagte: „Ein christlicher Feiertag wurde den Hindukindern in Schulen aufgezwungen. Dabei war es bloß ein Plan, um sie zum Christentum  zu konvertieren. Es ist unsere Pflicht, unsere Kinder vor diesen ausländischen Kräften zu schützen.“ Obwohl die Staatspolizei die Sicherheit nach den Drohungen verschärfte, blieben die Feiern in vielen Schulen gedämpft.
Im Satna-Distrikt des Staates Madhya Pradesh wurden am 14. Dezember mehr als 30 christliche Priester und Seminaristen von der Polizei verhaftet. Aktivisten der radikalen Hindugruppe Bajran Dal bezichtigten sie des zwangsweisen Übertritts zum Christentum. Mitglieder der Miliz misshandelten sie in der Polizeistation. Maria Stephen von der Erzdiözese Bhopal erklärte dazu: „Die Vorwürfe der Zwangskonversion waren falsch. Die Seminaristen sangen einfach nur Weihnachtslieder, was in der Adventszeit Routine ist.“
Indien erlebte in den ersten sechsen Monaten von 2017 einen steilen Anstieg an antichristlichen Angriffen. Die 410 berichteten Vorfälle in diesem Zeitraum entsprechen der Gesamtzahl dieser Hassverbrechen in 2016. Aktivisten sprechen von einem Anstieg antichristlicher ­Gewalt, nachdem die hindunationalistische BJP im Mai 2014 die Macht in ­Indien erlangte.
In Indien gibt es ein Gesetz gegen Übertritte, um religiöse Konversionen zu behindern. Durchgesetzt werden sie in Staaten wie Madhya Pradesh, Odisha, Arunachal Pradesh, Gujarat, Chhattisgarh und Himachal Pradesh, um angeblich gegen erzwungene oder herbeigeführte Übertritte vorzugehen. Christliche Organisationen jedoch sind der Ansicht, dass solche Regelungen von Hinduex­tremisten missbraucht werden, um ­Minderheiten zu schikanieren.
Auch die Angriffe auf Muslime haben 2017 zugenommen. Im Dezember setze ein Hindu den Muslim Mohammed Arafzul in Rajasthan in Brand. Er verdächtigte sein Opfer des „Liebes-Dschihad“. Mit diesem Begriff beschreiben rechtsgerichtete Hindu-Organisationen eine Verschwörungstheorie, in der muslimische Männer nichtmuslimische Frauen durch angebliche Liebe zu einer Annahme des Islam bewegen wollen. Auf einem Video war in sozialen Netzwerken zu sehen, wie der Mörder sein Opfer niederschlug und dann mit Kerosin in Brand setzte.
Hinduistische Lynchmobs, die sich dem Schuten von Kühen verschrieben haben, erschossen im November einen muslimischen Viehhändler im Bundesstaat Rajasthan und schlugen zwei seiner Helfer schwerst zusammen. Im Juni 2017 wurden drei Muslime von Eiferern ­gelyncht, nachdem sie beschuldigt wurden, eine Kuh aus einem Haushalt in Westbengalen gestohlen zu haben. Im April wurden in Assam zwei muslimische Jugendliche wegen vergleichbarer Vorwürfe ermordet.
Indiens Premierminister Narendra Modi hat die tödlichen Mobangriffe und das Lynchen von Muslimen verurteilt. Menschenrechtsaktivisten haben das ­Gefühl, dies reiche nicht, um Hinduextremisten von Gewalt gegen Minder­heiten abzuschrecken. Modis Aufstieg zur Macht, so ihre Ansicht, habe diese Militanten befördert.
Das indische Innenministerium sagte dem Parlament im Juli 2017, dass die nationale Kriminalitätsstatistik keine ­Daten über Hassverbrechen im Zusammenhang mit Kühen führe. Jedoch war die letzte Periode der tödlichste Zeitraum für solche Verbrechen in den letzten Jahren. Das geht aus Zahlen von IndiaSpend hervor. Die Organisation dokumentiert Hassverbrechen in ganz Indien. Die 2017 deswegen ermordeten Muslime machen die höchste Opferzahl aus, seitdem India­Spend 2011 mit seiner Dokumentation begann.