Ökonomie der Not: Menschen in dem de facto-Gefängnis wollen Lebensunterhalt verdienen. Von Eva Bartlett

Ausgabe 209

(IPS). Die überwiegende Mehrheit der Menschen, mit denen wir arbeiten, sagt uns immer wieder: ‘Wir wollen die Hilfe nicht, wir wollen die Möglichkeit haben, zu ­ar­beiten und Geld zu verdienen.’ Insbesondere Leute, die eine gute Stelle hatten, aber diese im Laufe der letzten Jahre verloren haben, fragen nach ­Arbeit, bevor sie um Hilfe bitten.” Dies berich­tet der in Gaza arbeitende Medien­re­ferent der britischen Hilfsorganisation Oxfam, Karl Schembri. Er tauscht sich auf regelmäßiger Basis mit verarmten Palästinensern aus. Armut, die seiner Meinung nach zu vermeiden wäre.

„Man kann Gaza nicht als humanitä­re Katastrophe bezeichnen. All das wurde vom Menschen gemacht. Wir ­haben hier eine Lage einer ­umgekehrten Entwicklung.“ In den Jahren vor 2006, als die Hamas an die Macht gewählt wurde, habe es eine Infrastruktur und Know-how gegeben. Nun aber habe ­Israel eine erdrückende Isolation des Gaza­streifens beschlossen. „Trotz der israelischen Besatzung stand die Wirtschaft in Gaza irgendwie auf ihren eigenen Füßen (…), bis ihr der Export unmöglich gemacht wurde. Die größten natürlichen Märkte für Gaza, die Westbank und Israel, befinden sich jetzt außer Reichweite. Das gleiche gilt für regionale Märkte wie Jordanien.“

In ihrem Bericht vom August 2012 „Gaza in 2020: A Liveable Place?“ ­kommen die Vereinten Nationen zum gleichen Schluss. „Einer der Hauptgründe für die Unmöglichkeit der Wirtschaft, ein Niveau wie vor 2000 zu erreichen, war und ist die Blockade von Gaza“, heißt es dort.

Momentan können die Fabriken in Gaza nichts ausführen. Dazu zählen landwirtschaftliche Güter, Möbel, Textilien und Lebensmittel. Beinahe alle Produktionsanlagen mussten geschlossen werden, was hunderttausende Palästinenser betrifft, die dort Anstellung fanden. „Im israelischen Krieg gegen Gaza 2008-2009 wurde die dortige Wirtschaft vollkommen zerstört, inklusive 95 Prozent aller Fabriken und Geschäfte“, sagt Khalil Shaheen. Direk­tor für wirtschaftliches und soziales Recht am Palästinensischen Zentrum für Menschenrechte (PCHR). „Unter Israels illegalem Abschluss von Gaza hat das totale Einfuhrverbot für Rohmate­rialien es unmöglich gemacht, dass diese Anlagen wieder operieren können.“ Ca. 80 Prozent bleiben geschlossen, oder arbeiten nur sehr ­selten.

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„Die Gemeinde der Fischer ist komplett beeinträchtigt durch die täglichen israelischen Attacken von See und indem ihr der Zugang zum Meer verweigert wird“, sagte er. Palästinensische Fischer seien dank einer einseitigen ­israelischen Entscheidung gezwungen, innerhalb der Drei-Meilen-Zone vor der Küste von Gaza zu fischen. „Aber Fischer werden sogar nur 400 Meter vor der Küste angegriffen“, berichtet Shaheen. „Israel will alle Palästinenser daran hindern, vor den Gewässern von Gaza zu fischen.“

Eine der weiteren Folgen sei es, dass in Gaza eine Jugendarbeitslosigkeit von 59 Prozent herrscht. Statistiken lassen den Schluss zu, dass diese dramatischen Quoten in absehbarer Zukunft nicht sinken werden.