Trotz verzweifelter Aufrufe uigurischer Aktivisten haben sich bisher nur weniger OIC-Staaten explizit zur Lage der Minderheit in China geäußert.
(iz). Die Region Xinjiang (Ostturkestan) im „fernen Westen“ des chinesischen Riesenreiches gehört zu den am meist kontrollierten Regionen des gesamten Landes. Offiziell heißt sie „Uigurisches Autonomes Gebiet Xinjiang“. 45 Prozent der jetzigen Bevölkerung stellen die Uiguren. Eine muslimische Minderheit, die sich kulturell und ethnisch mit den Menschen Zentralasiens verbunden fühlt.
Seit der kommunistischen Machtergreifung in der Region 1945 hat Peking Maßnahmen eingeführt, welche das religiöse, kulturelle und wirtschaftliche Leben der Uiguren immer weiter zerstören. Obwohl sie die größte Gruppe in Ostturkestan sind, strömten in der Vergangenheit viele Han-Chinesen, die größte ethnische Gruppe, hierher. In großen Zentren wie der Hauptstadt Urumtschi sind die Uiguren mittlerweile zur Minderheit geworden.
Während Peking stark in den Energiesektor und die Infrastruktur investierte und dies als Zeichen für von Fortschritt anpreist, gehen nach uigurischen Angaben die meisten der neu geschaffenen Arbeitsplätze an Han-Chinesen. Das ist – jenseits der politischen und antireligiösen Repression Pekings – einer der Faktoren für Enttäuschung und Verärgerung auf uigurischer Seite.
Bereits seit geraumer Zeit ist Ostturkestan fast komplett durch die chinesische Regierung abgeriegelt. Beobachter sprechen nach Medienangaben davon, dass die Polizei mehr als 7.300 Überwachungsstationen eingerichtete habe. Auch wurden die Reisepässe der meisten Uiguren eingezogen. In einigen Regionen ist es den Eltern untersagt, ihren Kindern muslimische Namen zu geben. Die Überwachung der Minderheit reicht noch viel weiter. Im August 2017 mussten alle Einwohner eine spezielle App auf ihr Telefon laden. Damit sollen Spuren von illegalen Dateien nachgewiesen und die Behörden über diese informiert werden.
Menschenrechtsorganisationen und uigurische Aktivisten selbst haben Beweise vorgelegt, wonach Peking politische Umerziehungslager im ganzen Land betreibt. Darin sollen bis zu eine Million Muslime – Uiguren sowie Angehörige anderer Minderheiten – inhaftiert sein. Dort soll ihnen durch Propaganda eine chinesische Identität eingeimpft werden. Peking weist Vorwürfe einer solch willkürlichen Inhaftierungspolitik zurück. Vielmehr seien Menschen in diesen, nach eigener Aussage, „Fortbildungslagern“ kleinerer Verbrechen schuldig. Dort bringe man ihnen Fähigkeiten bei, um sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren.
Wegen des sehr eingeschränkten Zugangs zu dieser strategisch wichtigen Provinz lässt sich das Ausmaß der Repressionsmaßnahmen nur schwer abschätzen. Pekings Sprachrohre wiegeln ab. Sämtliche Maßnahmen dienten dem Kampf gegen Extremismus, stabilen Verhältnissen und schützten das Land.
Während neben Exiluiguren Politiker, Journalisten und Menschenrechtsaktivisten in den USA, der EU sowie der UN Maßnahmen gegen China forderten, war es, von Ausnahmen abgesehen, befremdlich still seitens der muslimischen Welt. Von der neuen malaysischen Führung abgesehen haben sich die Regierungen der bevölkerungsreichsten muslimischen Länder neben vielen anderen recht bedeckt gehalten. Mehr noch, für viele Staaten ist China wegen seinem Projekt der Neuen Seidenstraße und als ökonomisches Gegengewicht zu den USA ein gesuchter Partner. So sagte Ankaras Außenminister bei seinem Chinabesuch bereits im August 2017 zu, uigurische Oppositionelle in der Türkei stärker einschränken zu wollen.
Das verwundert viele Beobachter weltweit, da es sich bei den verfolgten Uiguren und Kasachen nicht nur um Muslime handelt. Vielmehr richtet sich ein Hauptaugenmerk der Pekinger Zwangsmaßnahmen ganz ausdrücklich und gezielt gegen das religiöse Leben und die spirituelle Identität der betroffenen Muslime. Das Schweigen der OIC, die sich selbst als „die kollektive Stimme der muslimischen Welt“ versteht, ist für viele Muslime weltweit besonders enttäuschend.
Peking will alles sehen
Ausgabe 280