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Reiseblog Westbalkan: Geschichten in und aus Sarajevo

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IZ-Herausgeber Abu Bakr Rieger auf den Spuren von Evliya Çelebi: Sarajevo ist eine Stadt, die Geschichte schreibt und Geschichten aufschreibt.

(iz). Es mag ein Vogel sein, der sanft auf einer Mauer landet. Laub, das der Wind über die Gräber fegt. Ein Blick, eine Geste, die man auf der Straße sieht. Es sind Phänomene, die uns wirklich treffen, bewegen, zum Staunen bringen oder erschrecken, führen uns in einen Moment der Sprachlosigkeit. Wir suchen nach Worten, um das Reale des Schönen oder Schrecklichen zu beschreiben. Der Schriftsteller oder die Schriftstellerin widmen dieser Suche ihr Leben.

Sarajevo ist nicht nur eine Stadt, die Geschichten schreibt, sondern auch ein Anziehungspunkt für all diejenigen, die sie aufschreiben, verstehen und lesen wollen. Manchmal findet man hier Bücher, oder sie finden uns. So trete ich in einen kleinen Buchladen ein und entdecke ein tiefsinniges Werk von Professor Enes Karic: Lieder wilder Vögel

Das Buch über die Rolle der Macht, der Liebe und des Glaubens ist historisch im Balkan des 16. Jahrhunderts angesiedelt. Es ist gleichzeitig eine Aktualisierung religiöser und philosophischer Fragen. In der Nacht lese ich darin und staune. Jeder hat seine eigenen Helden. Ich bewundere das Vermögen des Schreibenden, dem es gelingt, den Reichtum seiner Erfahrungen zur Sprache zu bringen.

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Am Morgen besuche ich das Literaturmuseum in der Stadt, lese einige Biografien von Männern und Frauen, deren Namen fremd klingen. Einige sind vergessen, andere wie der Nobelpreisträger Ivo Andrić berühmt geworden. Sie alle teilen die gleiche Leidenschaft und schreiben, woran sie geglaubt oder nicht geglaubt haben.

Allein die Qualität ist der Maßstab: Ein Ungläubiger, der gut schreibt, wird den Gläubigen nicht verunsichern, sondern nur anregen, sein Wissen zu erweitern und noch tiefer zu glauben. Oft lese ich solche Werke und erkenne ihn ihnen die Umschreibung des ersten Teils unseres  Glaubensbekenntnisses.

Ein anderes Kapitel in dieser Stadt beschreiben Bücher, die den Verlauf des Krieges in den 1990er Jahren beschreiben. Sie handeln von Unglaublichem, von ehemaligen Nachbarn, die zu Feinden werden, von Verbrechen, von Heldentaten, von der Hoffnung und der Verzweiflung. Viele diese Bücher wurden unter Tränen geschrieben und schaffen eine Erinnerungskultur, die in Zeiten aufkeimenden Nationalismus, wie eine Mahnung wirken. Sie müssen immer wieder gelesen werden.

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Der Islam ist ein Meer des Wissens. Ich besuche das Museum der 1537 gegründeten Gazi Husrev-Beg Bibliothek – mit ihrer Sammlung von zehntausenden Büchern. Das älteste vorhandene Manuskript ist eine Abschrift aus dem Jahr 1105 des „Ihya’ Ulum AD-din“ von Abu Muhammad al-Ghazali.

Darüber hinaus gibt es unzählige Werke in bosnischer, arabischer, persischer und osmanischer Sprache. In dem modernen Gebäude sehe ich aus der Ferne Studenten, die über ihren Schätzen sitzen und ihrem Wissensdrang nachgehen. Was studieren Sie? Es sind unendliche Möglichkeiten.

„Ich weiß, dass ich nichts weiß“ ist eine kluge Einsicht, die wir Sterblichen, die nur über sehr bescheidenes Wissen verfügen, gerne wiederholen. Es sind die Gelehrten, auch die begnadeten Schriftsteller, die uns Zeit sparen können, uns helfen und an ihren Erkenntnissen teilnehmen lassen. Treffen wir sie persönlich, dann ist ein sicheres Zeichen der gelungenen Vermittlung, dass wir verändert aus der Begegnung kommen.