Risiko des Kontrollverlusts

Ausgabe 289

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(Middleeastmonitor.org). Die Straße von Hormus, der enge Schifffahrtsweg zwischen Iran und Oman wurde nach dem legendären, wohlhabenden Königreich von Ormus benannt. Sie beschäftigt die Erdölhändler seit der iranischen Revolution 1979. Teheran hat gelegentlich ihre Schließung für die Schiffe feindlicher Länder angedroht, während die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten entschlossen sind, sie offen zu halten und die Freiheit der Meere zu gewährleisten – durch Gewalt wenn nötig.

Nun wurden am 13. Juni zwei Tanker angegriffen und manövrierunfähig im Golf von Oman zurückgelassen – am südlichen Eingang der Straße. Das steigerte Befürchtungen einer neuen Konfrontation zwischen dem Iran und den USA. „Die Straße von Hormus ist das wichtigste Nadelöhr“ für Öl, meint die Energy Information Administration (EIA), der unabhängige statistische und analytische Arm des US-Energiemi­nisteriums. Rund 30 Prozent alles, per See transportierten Rohöls und seiner Produkte passieren sie jedes Jahr. Eine Blockade könnte zu einer erheblichen Unterbrechung der globalen Ölversorgung führen.

Während des Krieges zwischen Irak und Iran (1890-1988) griffen beide Kriegsparteien Tanker an. Der Irak bombardierte Fahrzeuge, die nahe der iranischen Insel Kharq im nördlichen Golf beladen wurden. Und Teheran attackierte Schiffe weiter südlich und in der ­Meerenge selbst.

Im Krieg der Tanker antworteten die USA, das Vereinigte Königreich sowie einige weitere Länder mit der Erklärung, die Schifffahrt im zentralen und süd­lichen Teil der Region mithilfe von ­Marinekonvois zu schützen. Die Straße selbst ist an ihrer engsten Stelle nur 21 Seemeilen (beinahe 40 Kilometer) breit. Und Tanker sind auf einen noch kleinen Bereich beschränkt, der in jeder Richtung nur 3,6 Kilometer breit ist. Diese Verkehrsregelung soll die Gefahr von ­Zusammenstößen vermeiden.

Der begrenzte Spielraum für die Fahrzeuge erhöht erheblich die Verletzbarkeit des langsamen Tankerverkehrs für Angriffe von beiden Ufern oder durch feindliche Schiffe in der Straße selbst. Wie die Angriffe gegen die Tanker im 1. Golfkrieg zeigten, ist die Arena des Konfliktes viel weiter. Zu ihr gehören der gesamte Golf, die Meerenge sowie der Golf von Oman, das Arabische Meer und das südliche Rote Meer in der Nachbarschaft.

Der Iran hat verschiedene Optionen für Angriffe auf die Schifffahrt. Dazu gehö­ren Minen, ufergestützte Raketenbatterien, U-Boote, Kriegsschiffe sowie eine Flotte kleiner, wendiger Schnell­boote. In den 1980er Jahren wurde der größte Schaden durch Minen, Raketen vom Ufer und Schnellbootangriffen ­angerichtet.

Trotz iranischer Drohungen und unzähliger Analyse, die über die Fähigkeit des Landes, die Meerenge zu schließen, veröffentlicht wurden, ist es unwahrscheinlich, dass Teheran die Meerenge für die Schifffahrt für mehr als ein paar Tage oder ein paar Wochen blockieren könnte. Bemühungen zur Blockade der Meerenge würden von den USA und ihren Verbündeten als Aggression interpretiert und eine überwältigende militärische Reaktion hervorrufen. Angesichts der Überlegenheit der US-Luft- und Seefahrt in der Region könnten sie wahrscheinlich die Onshore-Raketenbatterien sowie die Aktivitäten von See- und U-Booten und Schnellbooten unterdrücken.

Das wirkliche Problem ist die Ausbreitung eines Konfliktes. Sie würde zu einer Eskalation des Zusammenstoßes zwischen den USA und dem Iran in verschiedenen Arenen der Region führen. Dazu gehören der Jemen, das östliche Saudi-Arabien, die Vereinten Arabischen Emirate, Bahrain, Irak, Syrien, Afghanistan sowie das iranische Landesinnere. Öffentlich verfolgen die USA angeblich eine Politik der kontrollierten Eskalation. Dabei kommen zunehmend engere Wirtschaftssanktionen zum Einsatz, die Iran in der Nuklearfrage zum Einlenken zwingen sollen. Hochrangige US-Beamte haben ihren Kollegen in Europa, Russland und China versichert, dass eine kontrollierte wirtschaftliche Eskalation eine tragfähige Alternative zur militärischen Konfrontation darstellt.

Auf eine wirtschaftliche Eskalation folgten einige Angriffe auf die Schifffahrt. Einige Stimmen machten Teheran dafür verantwortlich. Hinzukamen Geheimdienstberichte über Aktivitäten gegen US-Truppen in der Region sowie die Entsendung weiterer Truppenteile.

Da die im Rahmen des Atomabkommens von 2015 dem Iran zugesagte Sanktionsentlastung verflogen ist, hat Teheran seine nuklearen Aktivitäten verstärkt und damit gedroht, einige der anderen Bedingungen des Abkommens nicht mehr einzuhalten.

Die plötzliche Eskalation der Spannungen scheint zumindest einige politische Entscheidungsträger auf allen Seiten unvorbereitet getroffen und zu einem jüngsten Rätsel der Deeskalation geführt zu haben. Die USA haben einen Regimewechsel öffentlich als Konfliktziel abgelehnt, Verhandlungen ohne Vorbedingungen angeboten und die geringe Anzahl zusätzlicher Truppen, die in die Region entsandt wurden, hervorgehoben. Der Iran hat erklärt, eben keinen Krieg zu wollen und einen zuvor festgenommenen US-Bürger freigelassen. Beobachter deuteten dies als Maßnahmen des guten Willens.

In einem derart angespannten Umfeld besteht immer die Gefahr, dass ein Zwischenfall oder Unfall in einer Weise eskaliert, die von führenden politischen Entscheidungsträgern nicht geplant wurde. Führungskräfte haben möglicherweise nicht die volle Kontrolle über Untergebene, Stellvertreter und Verbündete und werden möglicherweise zu einem Konflikt gedrängt. Möglicherweise hat der Iran nicht die volle Kontrolle über die Milizen, die er im Jemen bewaffnet hat. Die USA haben möglicherweise nicht die volle Kontrolle über kriegerische Elemente in der Region, die einen Krieg mit dem Iran wollen. (Middle East Monitor)

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