Seine Auffassung und Heilungsmethoden in Sufi-Werken. Von Kübra Mentes

Ausgabe 243

(iz). Ein Gläubiger erkundigt sich häufiger über äußere Sünden, um sich vor deren Strafe in Acht zu nehmen. Allah hat in Seinem edlen Buch alle Abscheulichkeiten verboten – offener oder verborgener Art. Bei 'Abdulkarim Al-Quschairi wird der Neid als eine der Wurzeln der Sünden genannt. Imam Al-Haddad nennt ihn die drittschlechteste Übeltat, neben Arroganz und Augendienerei. Krankheiten können selbstverständlich auch das Herz betreffen. In einer Prophetenüberlieferung heißt es: „Der Mensch hat ein Stück Fleisch im Körper, wenn es gut ist, dann ist der ganze Körper gut, wenn es schlecht ist, so ist der ganze Körper verdorben. Dies ist das Herz.“ Im Zusammenhang mit dem Jüngsten Tag übermittelt uns der Qur'an: „(…) An dem Tag, da weder Besitz noch Söhne (jemandem) nützen, außer, wer zu Allah mit heilem Herzen kommt.“ (Asch-Schu’ara, 89)

Ein Herz ist heil, wenn es frei von Lastern und Krankheiten ist. Gemeint ist hier das Herz als der spirituelle Kern des Menschen. Dieses Verständnis ist nicht unbekannt, allein in unserem Sprachgebrauch ist des Öfteren die Rede von einer Person, die ein „weiches“ oder ein „hartes“ Herz hat. Die Krankheiten des Herzens haben zwei Arten, wovon die erste Art in der islamischen Tradition Verschleierung genannt wird. Diese Krankheit beeinträchtigt das Verständnis.

Symptome dieser Krankheit sind Zweifel, Vertrauensverlust, Einflüsterungen vom Teufel und leidenschaftliche Liebe zur Welt. Obwohl das Herz in seiner Natur bewegt ist, Ruhe zu finden, versinkt es bei der Beschäftigung mit dem Irdischen in Unruhe und verliert sein Gleichgewicht. Damit es nicht verkümmert, wurden Gesandte geschickt, die den Menschen mit Versen wie „(Es sind) diejenigen, die glauben und deren Herzen im Gedenken Allahs Ruhe finden. Sicherlich, im Gedenken Allahs finden die Herzen Ruhe!“ (Ar-Rad, 28) an Gott erinnerten und gleichzeitig die Formel für Herzensruhe und Glückseligkeit verrieten.

Die Begierden bilden deswegen die zweite Krankheitsart und den Ursprung vieler anderer, weil sich der Mensch für die Erfüllung seiner Begierden allem Schlechten unterwirft und somit seinen Rang als Krönung der Schöpfung aufgibt. Gelehrte des Sufismus haben sich näher als alle anderen Gelehrten mit diesen Störungen und ihrer Heilung auseinandergesetzt. Die Beschäftigung mit seinen Fehlern ist für den Gläubigen obligatorisch, um sich aus der Dunkelheit der Sünden zu befreien und den Weg des vollkommenen Menschen zu beschreiten.

Der Neider (Hasid) missgönnt die Dinge, die man besitzt. Gleichzeitig fühlt er sich unwohl beim Gedanken an die Gaben des anderen. Dieses unheimliche Empfinden wird auf die Begierde zurückgeführt. Es gibt Konsens darüber, dass alles Schlechte aus der Liebe zur Welt resultiert. Um seine Verwerflichkeit zu erkennen, reicht es, sich an die Schöpfungsgeschichte zu erinnern und festzustellen, dass der Neid in erster Linie die Eigenschaft vom Teufel, dem Feind des Menschen, ist.

Was seine Arten angeht, so sind diese zwei: Neid (Hasad), der den Wunsch der Zerstörung der Gaben anderer mit sich bringt, ist verboten. Auf das Urteil wird sowohl im Qur'an, im 120. Vers der dritten Sura (Al-i-‘Imran), in dem über die Schadenfreude beim Unglück beim Glück der Muslime vonseiten der Ungläubigen berichtet wird, als auch in der Sunna des Propheten, in der es heißt, „ein jeder, der nicht das für seinen Bruder wünscht, was er für sich selbst wünscht, glaubt nicht vollkommen“, hingewiesen.

Die erste Art ist hierarchisch zu verstehen. Die unterste Stufe der Pyramide bildet der Neid, der die absolute Zerstörung der Gaben des anderen wünscht, ohne sie für sich zu beanspruchen. Ein solcher ist offen feindlich gegen Allah, da er versucht, mit Seiner Herrschaft zu konkurrieren. Das Prinzip der nächsten Stufe ist: Wenn ich nicht habe, soll niemand haben.

Die zweite Art unterscheidet sich stark von der ersten. Der Hintergrund dessen ist, dass die zweite Art von Neid positiv ist. Hier wünscht sich einer die Gaben eines anderen, ohne gleichzeitig den Verlust bei dem anderen zu ersehnen. Sie wird „munafasa“ (von „nifasa“, Sauberkeit und Glanz) bezeichnet. Zum Verständnis wird der Hadith herangezogen, in dem der Prophet sagt, dass nur zwei Personen nachzueifern ist: jemandem, dem Reichtum gegeben wurde und der dieses auf dem Weg Gottes ausgibt; und jemandem, der aufgrund seiner Weisheit nach seinem Wissen handelt und das Wissen weitergibt. Aus dem Hadith wird ersichtlich, dass dies hinsichtlich religiöser Angelegenheiten empfohlen ist. Strebt man nach Tugendhaftem auf der Welt, ist sie lobenswert. Ist aber Lüsternheit Ziel des Strebens, ist sie unter alle Kritik zu stellen.

Al-'Asqalani sagt, dass der Blick ins Innere des Neiders notwendig ist, um den Grad seines Neides festzulegen. Lässt er seinen Neid in Worten und Taten sichtbar werden, ist er ein Sünder. Ist er daran gehindert, hat aber den Willen, ihn bei der Aufhebung des Hindernisses auszuüben, ist er fehlerhaft. Zügelt er sich im Gegenteil aber aus Ehrfurcht gegenüber Allah, ist er somit entschuldigt.

Der Qur'an ist auch eine Quelle, die anhand von Prophetengeschichten und Gleichnissen Lektionen beinhaltet. Eine Lektion finden wir am Anfang der Schöpfungsgeschichte. Als Allah Adam erschuf, befahl Er dem Teufel, der damals als Engel ein Bewohner des Paradieses war, sich vor Adam niederzuwerfen. Der Teufel aber widersprach: „Ich bin besser als er. Du hast mich aus Feuer erschaffen, ihn aber hast Du aus Lehm erschaffen“ (Al-Isra’, 12) und weigerte sich, Allahs Gebot auszuführen.

Was hatte den Teufel bewegt, so zu handeln? Hochmut und Neid. Allah akzeptierte seinen Neid und seinen Hochmut nicht, so wurde er von der Barmherzigkeit Gottes verbannt und wartet seitdem auf den Tag der Strafe. Als Lehrbeispiel sollen auch die Söhne Adams dienen. Als Kabil erfuhr, dass Habil das Mädchen, das er selbst liebte, heiraten sollte, wollte er ihn aus dem Weg räumen. So sollten beide Opfer bringen, und den, dessen Opfer angenommen wurde, durfte das Mädchen heiraten. Zu dem Zeitpunkt, an dem Habils Opfer angenommen wurde, sagte Kabil zu ihm: „Ich werde dich ganz gewiss töten“ (Al-Ma’ida, 27) und tat es mit der Anleitung des Teufels. Er konnte die Bestimmung nicht ertragen, stattdessen ließ er seinen Neid Oberhand gewinnen und unterwarf sich seinem Ego (Nafs).

Nachdem eine Krankheit diagnostiziert ist, wird nach ihrer Ursache gesucht, um ihr vorbeugen zu können. In der Hinsicht sind Sufigelehrte mit Ärzten vergleichbar. Auch sie bemühen sich, Neid auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen. Imam Al-Ghazali, arbeitet das Thema in seinem „Ihja’ ‘Ulum Ad-Din“ tiefgründig aus.

Als erste Ursache nennt er die Feindschaft (‘Adawwa), denn was kann einen Menschen glücklicher machen als das Unglück seines Feindes? Dass Allah an vielen Stellen des heiligen Qur'an dazu anhält, den Teufel als Feind wahrzunehmen, lässt erkennen, dass die Feindschaft niemandem gegenüber zulässig ist, als gegenüber dem Teufel.

Das Gefühl der Überlegenheit (Ta'azzuz) führt ebenso zum Neid, denn dadurch schätzt man sich am meisten und erhofft nur für sich selbst das Beste. Sobald man mit einer Gabe einer unterlegenen Person konfrontiert wird, bricht man in Neid aus.

Stolz (Takabbar) ist eine der schlimmsten Ursachen Sobald man Neid dieser Art pflegt, trägt man die Eigenschaft des Teufels und hat den unberechtigten Stolz mit ihm gemeinsam.

Neid aus Verwunderung (Ta'adschub) regt zum Nachdenken an, denn die meisten Menschen, die so empfinden, sind sich dessen nicht bewusst.

Wettbewerb ist auch ein starker Antrieb. Anlässlich eines gemeinsamen Ziels zweier Personen, kann es dazu kommen, dass sie miteinander wetteifern, sodass jeder einzelne für sich den Fortschritt und für den anderen Rückschritt erhofft. Deswegen kommt Neid unter Gleichgesinnten öfter vor als unter anderen. Der Wunsch nach Erfolg in einem bestimmten Bereich und diesen nicht mit anderen teilen zu wollen, sind Zeichen dieser Art des Neids.

Die letzte Ursache ist Geiz mit Allahs Gaben. Hierin geht es weder um den Wert des Beneideten noch um andere Ursachen. In diesem Fall stellt der Neider die Bestimmung und die Gnade Allahs (Lutf) in Frage. Die Gaben anderer bereiten ihm tiefsten Kummer, denn er möchte einzig und allein beglückt werden. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, den 54. Vers aus der Sura An-Nisa’ heranzuziehen: „Oder beneiden sie die Menschen um das, was Allah ihnen von Seiner Huld gegeben hat?“

Nach der Aufzählung der Ursachen wird deutlich, warum übermäßige Liebe zur Welt der Ursprung von allem Schlechten ist. Obige Ursachen betreffen nur weltliche Angelegenheiten. Zwei Personen, die mit ihren Taten im Diesseits eifrig sind und mit dem Herzen die Ewigkeit anstreben, können kein Opfer der genannten Ursachen werden.

Der Prophet sagte: „Hütet euch vor Neid, denn der Neid verzehrt die guten Taten, so wie das Feuer den Brennstoff verzehrt.” Dieser Hadith zeigt, dass er den Neider in seinen Gottesdiensten und seinem Gehorsam Allah gegenüber einschränkt. Als würde dies nicht ausreichen, verleitet er den Neider zu mehreren schlechten Taten, wie Schmeichelei und Lästerei.

Nach einer Interpretation heißt es, dass die guten Taten des Neiders, welcher seinen Neid ans Tageslicht bringt und seinem Gegenüber Unrecht tut, am Tag der Abrechnung dem gutgeschrieben werden, dem er Unrecht getan hat. Am Ende steht er ohne Belohnung da, da seine guten Taten durch die von Neid bewegten niedrigen Handlungen gelöscht werden. Eine andere Auslegung bezieht sich auf die unterschiedlichen Grade der Belohnung. Das heißt, dass, obwohl der Lohn aufgrund der Aufrichtigkeit in den Taten eines Menschen gegeben werden würde, dies durch seinen Neid verhindert wird und die Stufen, um die er hätte erhöht werden können, ihm versagt bleiben.

Neid ist ein Anzeichen dafür, dass man die Dunja, die niedrige Welt, begehrt und sie der Akhira, dem Jenseits, vorzieht. Ein Rechtsgelehrter, sagte, dass das Bittgebet von drei Personen nicht erwidert würde, darunter befindet sich auch der heimlich beneidende Muslim. In der „Ihja ‘Ulum Ad-din“ wird der Neid als ein fürchterliches Gefühl beschrieben, das Schlaf verhindert und Appetit verdirbt. Je mehr man neidet, desto mehr wird das Feuer in einem entfacht.

Zu den Glaubensgrundsätzen gehört der Glaube an die Auferstehung nach dem Tod. In diesem Zusammenhang sind die Informationen über die Schäden des Neids im Dies- und Jenseits von großer Wichtigkeit. Die Unwissenheit über die Eigenschaften Allahs kann einen bis in den Unglauben treiben. Der Neid erschwert einem nicht nur das alltägliche Leben, sondern verdirbt auch das Ewige.

So wie die Diagnose physischer und psychischer Krankheiten für deren Behandlungen entscheidend ist, ist auch die Selbstzugeständnis der Herzenskrankheit wegweisend.

Nach Imam Al-Ghazali besteht der zweite Schritt nach der Feststellung der Krankheit in der Fassung einer aufrichtigen Absicht zur Entfernung der Krankheit. Heilung basiert auf Wissen und auf Praxis.

Die Grundregel lautet bei Imam Al-Ghazali: dem Neid entgegen handeln. Daran macht er den Erfolg des Menschen fest. Das heißt, sobald der Neider sich bemüht, seinen Neid zu besiegen und, seinem inneren Druck entgegenwirkend, sogar sein Gegenüber zu respektieren und zu loben, hofft er, dass Allah Zuneigung in beide Herzen legt. Dies ist leider leichter gesagt als getan. Denn als reiche das Ego nicht schon aus, um jemanden davon abzuhalten, wird auch der Teufel ­jedem Heilungsversuch eine List stellen. Dieser wird auf den Neider einreden, dass er ein Heuchler sei und nicht gemäß seiner wahren Empfindungen handle. Deswegen ist es wichtig, sich darüber zu erkundigen und sich niemals drauf ­einzulassen.

Im „Kitab Al-Arba'in“ von Imam Nawawi nimmt die Überlieferung „Die Handlungen sind nur nach den Intentionen (…)“ den wichtigsten Platz ein. Es hilft, sich dies ins Gedächtnis zu rufen, um zur Ursprungsabsicht zurück zu gelangen und Hoffnung aus der Intention zu schöpfen.

Said Nursi weist darauf hin, an die Vergänglichkeit des Beneideten zu denken. Denn die Vorstellung der Vergänglichkeit von allem verdirbt die Lust. Außerdem soll der Neider in Betracht ziehen, dass der Beneidete gar keinen so großen Nutzen von dem haben könnte, was er besitzt. Alles hat seine Konsequenzen, so auch die Gaben des anderen.

Imam Maulud hat eine metaphorische Annäherungsweise. Der Neid wird vorerst als eine Laune wahrgenommen. Ins Arabische „Hawa“ übersetzt bedeutet es Luft beziehungsweise Wind. Was tut der Wind? Er kommt, weht, stürmt und ist nicht bleibend. Wichtig ist, dem menschlichen Wankelmut, der nicht beständig ist, Widerstand zu leisten. Imam Maulud weist auf die im Qur’an versprochene Belohnung hin: „Was aber jemanden angeht, der den Stand seines Herrn gefürchtet und seiner Seele die (bösen) Neigungen untersagt hat, so wird der (Paradies)Garten (ihm) Zufluchtsort sein.“ (An-Naba, 40-41)

Vor Neid ist man sicher, wenn man ihn innerlich verabscheut. Doch entscheidend ist nicht die Verachtung des Neids, sondern die Gottesfurcht, das Bewusstsein über sich selbst und eine aufrichtige Grundeinstellung der Herzensreinigung.

In früheren sufischen Werken haben die Gelehrten nichts anderes getan als Medizinstudenten es tun, mit dem Unterschied, dass sie sich im spirituellen Bereich betätigten. Einer dieser Gelehrten war Abu 'Abdurrahman Al-Sulami, der in seinem Werk „Nafs“ viele Krankheiten aufzählt und Heilung aufzählt. Der Leser gerät ins Schwitzen, während er sich überraschenderweise mit seinen eigenen verborgenen Krankheiten ertappt. In seinem Neid-Kapitel stützt er sich auf die prophetische Überlieferung „Beneidet einander nicht!“. Daraus folgert er, sanft und barmherzig miteinander zu sein.

Die Meinung von Abu’l-Laith As-Samarkandi ist den obigen Meinungen anzuschließen. Die prophetische und damit höchste Empfehlung ist es, sich nicht auf den Neid einzulassen. Er erläutert die Empfehlung folgendermaßen: Wird auch nur ein Funken Neid im Herzen verspürt, darf er nicht nach außen getragen werden. Es darf nicht darüber gesprochen werden, geschweige denn in seinem Namen gehandelt werden. Denn solange nicht demnach gehandelt wird, wird man dafür nicht zur Rechenschaft gezogen.

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