Shlomit & Aische – das interkulturelle Puppentheater „Bubales“ wird ausgezeichnet

Was ist Chanukka? Und warum essen Juden und Muslime kein Schweinefleisch? Beim bundesweit einzigen interkulturellen Puppentheater „Bubales“ erklären Handpuppen spielerisch religiöse Bräuche – auch auf Türkisch.

Berlin (KNA). Bis an die Decke ziehen sich die Regale im Atelier der Berliner Altbauwohnung von Shlomit Tripp. Darauf befinden sich – sorgfältig in Kisten sortiert – alle möglichen Utensilien für ihr Puppentheater. „Kostüme für Purim“ steht etwa auf einem Karton. Rote, gelbe, flauschige und zarte Stoffe liegen auf einem breiten Arbeitstisch in der Mitte des Raumes. Und überall bunt gekleidete Puppen: Rabbi Blumenberg, das türkische Mädchen Aische, das Schaf Mendel. Knallgelb leuchtet ein plüschiger Chanukka-Leuchter aus dem Regal – auch dieser hat ein lächelndes Puppengesicht.

„Bubales“ heißt das interkulturelle Puppentheater, für das Tripp am Dienstag in Berlin mit dem Preis der US-amerikanischen Obermayer-Stiftung ausgezeichnet wird. Einmal jährlich wird diese Auszeichnung im Berliner Abgeordnetenhaus vergeben – für besondere Leistungen bei der Vermittlung der jüdischen Kultur und für den Einsatz gegen Vorurteile. Das Theater, das mit seinem Konzept bundesweit einzigartig ist, ist einer von acht Preisträgern in diesem Jahr.

Vor der Corona-Pandemie hatte „Bubales“ jährlich rund 70 Auftritte – in Museen, Theatern, Kirchengemeinden oder Schulen. „Wir können überall spielen“, sagt Tripp. „Auch in Flüchtlingsheimen zwischen Doppelstockbetten.“ Die nicht-jüdische Zielgruppe sei mittlerweile sehr interessiert – zumal die Stücke auch bilingual gezeigt werden können, mit türkischer oder arabischer Übersetzung des deutschen Textes. Bei Auftritten in Moscheen könne es etwa passieren, dass es die „Leute von den Sitzen fegt und sie anfangen, zur Musik zu tanzen“, erzählt die zierliche Frau mit dunklen Locken und einem bunten Tuch im Haar. Sie ist gebürtige Berlinerin, stammt aus einer sephardischen Istanbuler Familie – hat aber auch schon in Russland, Tschechien, Israel und den USA gelebt.

Entstanden ist die Idee zu „Bubales“ vor etwa zehn Jahren, weil Tripp, die hauptberuflich als Kunstpädagogin im Jüdischen Museum Berlin arbeitet, von jüdischen Eltern die Anregung bekam, als Puppenspielerin etwas für jüdische Kinder über Chanukka zu machen, weil es überall nur Weihnachtstheater gab. „Unsere Kinder bekommen ja eine Identitätskrise, die wollen alle Weihnachten feiern. ‘Mach doch mal ein Chanukka-Stück’“, hätten die Eltern damals gesagt.

„Bubales“ – das gehe auf ein Wortspiel zurück, erklärt Tripp. „Buba“ stammt aus dem Hebräischen und heißt so viel wie „Puppe“. „Bubele“ ist jiddisch für „kleine Lieblinge“. Das Theater heiße also „Kleine Puppenlieblinge“, erklärt die Pädagogin mit einem Lächeln. Die Puppen baut und näht sie größtenteils selbst gemeinsam mit ihrem Mann Gershom. Sie schreibt die Stücke und spielt sie gemeinsam mit ihrem Team, zu dem auch zahlreiche Musiker gehören. Die selbst gebaute Puppentheaterbühne geht mit auf Reisen.

Hauptprotagonisten der „Bubales“-Stücke sind fast immer der rothaarige Shlomo und sein „humorloses Schaf Mendel“. Aber nicht alle „Bubales“ sind jüdische Puppen. Shlomos beste Freundin Aische geht zum Beispiel zum Koran-Kurs. In dem Stück „Die Koscher-Maschine“ stellt sie erstaunt fest, dass auch bei religiösen Juden der Verzehr von Schweinefleisch verboten ist.

Schon Tripps Mutter, die als Gastarbeiterin aus der Türkei nach Deutschland kam, um hier in einer Fabrik zu arbeiten, hat Stabpuppen gebaut. Für Tripp ist eine Puppe an sich etwas Besonderes: „Mit Puppen kann man psychologisch Brücken überqueren“, sagt sie. „Sie hat nichts Bedrohliches. So werden Berührungsängste abgebaut.“ Dies nehme sie auch immer wieder nach den Auftritten wahr, wenn die Menschen nach vorne zu ihr kommen, um mit den Puppen zu knuddeln – auch 60-jährige Männer seien mitunter darunter. „Das macht was mit den Leuten“, sagt sie.

Die Eltern ihres Vaters sind vor den Nazis geflohen, wie Tripp erzählt. Aber das sei ein Thema, das sie nicht in den Vordergrund ihrer Arbeit rücken möchte. „Ich bin Jüdin einer anderen Generation und mache Kunst mit meinem Theater.“ Dabei sei es ihr wichtig, dass vor allem bei Kindern der „Erstkontakt zum Judentum positiv ist“. Ihre Stücke seien bunt, lustig – und irgendwie auch „sehr berlinerisch“.