SPD billigt Waffenlieferungen

Sind Waffen für den Irak ein Tabubruch in der deutschen Außenpolitik? Merkel spricht von einem «bemerkenswerten Schritt». Die SPD-Spitze ist mit Ausnahme des linken Flügels dafür. Die Opposition pocht auf eine Abstimmung im Bundestag. Ausgang ungewiss?

Berlin (dpa). Trotz ihres früheren Neins zum Irak-Krieg unterstützt die SPD die von der Bundesregierung geplanten Waffenlieferungen in die Krisenregion. Bei einer Klausurtagung der Parteispitze in Berlin verweigerte am Samstag nur der Vizevorsitzende Ralf Stegner seine Zustimmung zu dem Kurs. Mit den Waffen sollen die Kurden im Nordirak aufgerüstet werden, um die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zurückzudrängen. «Das ist kein Paradigmenwechsel und kein Tabubruch», betonte SPD-Chef Sigmar Gabriel. «Für die SPD ist absolut klar, es wird keinen Bundeswehreinsatz im Irak geben.»

Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schloss die Entsendung von Kampftruppen aus. Keine konkreten Pläne gebe es derzeit auch dafür, Ausbilder in das Krisengebiet zu schicken, sagte Merkel der ARD. Auch Waffen für die in Deutschland als terroristisch eingestufte kurdische Arbeiterpartei PKK werde es nicht geben.

Merkel nannte die Grundsatzentscheidung, Waffen in den Nordirak zu schicken, einen «bemerkenswerten Schritt». Sie erinnerte aber daran, dass es früher bereits ähnliche Entscheidungen gegeben habe, etwa beim Nato-Einsatz in Jugoslawien in den 1990er Jahren oder beim Kampfeinsatz in Afghanistan 2002. Die aktuelle Lage im Irak sei «ein Ausnahmefall, wie wir ihn bis jetzt noch nicht gesehen haben».

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Die Bundesregierung will am Mittwoch über Art und Umfang der Waffenlieferungen entscheiden. Am 1. September will Merkel dann in einer Regierungserklärung im Bundestag das Vorgehen erläutern. Ein Mitspracherecht hat der Bundestag nicht, da es sich nicht um einen Militäreinsatz handelt. Es mehren sich aber Stimmen, die fordern, dass der Bundestag darüber abstimmen sollte.

«Ich habe große Zweifel, dass die Bundesregierung so etwas eigenmächtig beschließen kann», sagte Linke-Chefin Katja Kipping der «Mitteldeutschen Zeitung». «Kriegswaffen aus Armeebeständen mitten in ein Kriegsgebiet zu liefern, dafür gibt es keinen Präzedenzfall». Auch Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte dem «Spiegel»: «Ich würde der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen dringend dazu raten, den Bundestag über diese Frage entscheiden zu lassen.»

Die Grünen-Politikerin Claudia Roth warf der Regierung vor, die Notlage der Kurden für «eine Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik» zu instrumentalisieren. «Es ist doch entlarvend, wenn (Verteidigungsministerin) Ursula von der Leyen sagt, wichtiger als die Frage, ob und welche Waffen Deutschland liefert, ist die Bereitschaft, Tabus zu brechen», sagte sie der «Süddeutschen Zeitung».

Merkel verteidigte die Aufrüstung der Kurden. «Wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass die Gräueltaten der IS und die terroristische Bedrohung durch den IS-Vormarsch so groß sind, dass wir handeln sollten», sagte sie der Chemnitzer «Freien Presse».

Gabriel betonte zugleich, Priorität habe weiterhin die humanitäre Hilfe für die Kurden – nur ohne ein Zurückdrängen der IS bringe diese nichts. Bisher habe Deutschland 24 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sieht trotz Bedenken beim linken SPD-Flügel keine Alternative. «Natürlich sind Waffenlieferungen in Spannungsgebiete nur in allergrößten Ausnahmefällen möglich. Wir sind hier in einer Sondersituation.»

SPD-Vize Stegner vertrat abweichend die Ansicht, eine militärische Lösung sei Sache der USA. 2003 hatte die rot-grüne Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) sich der Beteiligung am Irak-Krieg verweigert. Die Folgen des Krieges gelten als mitverantwortlich für die Eskalation im Irak. «Meine Sorge ist, dass die Folgewirkung ist, dass wir heute Waffen liefern und morgen werden damit unschuldige Menschen erschossen», erklärte Stegner.

Die geplanten Waffenlieferungen könnten nach Einschätzung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) möglicherweise die Terrorgefahr in Deutschland steigen lassen. Er könne dies «nicht endgültig ausschließen», sagte er der «Bild am Sonntag». Er warnte aber davor, sich davon beeindrucken zu lassen: «Diese Frage kann und darf nicht zum Maßstab unseres außenpolitischen Handelns werden.»

Der Terrorismus-Experte Rolf Tophoven sagte der selben Zeitung: «Je massiver die Bundesregierung sich in der Konfliktregion engagiert, desto mehr rückt Deutschland auch ins Fadenkreuz der IS-Terroristen.»

De Maizière zufolge sind bisher rund 400 Islamisten aus Deutschland in den syrischen Bürgerkrieg gezogen und etwa 100 von ihnen wieder zurückgekehrt.